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Kolumne von Olivier Dolder

25.04.2012

Richtungswahlen ohne Wahlkampf

Der Countdown läuft, doch einmal mehr kann nicht wirklich als Wahlkampf bezeichnet werden, was da gerade abläuft. Oder eben gerade nicht stattfindet. Dabei ist der 6. Mai, also der übernächste Sonntag, der Wahltag.


FDP und CVP wollen eine rot-grüne Mehrheit verhindern, treten aber nur mit Martin Merki und Stefan Roth an. Hingegen melden sie diesen Anspruch grossflächig, manche sagen «grossspurig» an, wie auf diesem Plakat an der Neustadtstrasse. Demgegenüber wirkt der Auftritt der Grünliberalen Manuela Jost etwas verhalten, fast schüchtern. Würde sie im zweiten Wahlgang gewählt, wäre eine rot-grüne Mehrheit verhindert. Prognosen halten dies für die wahrscheinlichste Variante, wahrscheinlicher als eine rot-grüne Mehrheit. SP und Grüne bieten zudem zurzeit ein Bild, welches ihre Absicht, dieses Ziel wirklich erreichen zu wollen, nicht überzeugend vermittelt. Zu viele Vorbehalte sind gegen die bisherige SP-Stadträtin vorhanden; unter anderem, weil sie nach zwölf Jahren an ihrem Sessel klebt.<br><br>Bilder: Herbert Fischer

FDP und CVP wollen eine rot-grüne Mehrheit verhindern, treten aber nur mit Martin Merki und Stefan Roth an. Hingegen melden sie diesen Anspruch grossflächig, manche sagen «grossspurig» an, wie auf diesem Plakat an der Neustadtstrasse. Demgegenüber wirkt der Auftritt der Grünliberalen Manuela Jost etwas verhalten, fast schüchtern. Würde sie im zweiten Wahlgang gewählt, wäre eine rot-grüne Mehrheit verhindert. Prognosen halten dies für die wahrscheinlichste Variante, wahrscheinlicher als eine rot-grüne Mehrheit. SP und Grüne bieten zudem zurzeit ein Bild, welches ihre Absicht, dieses Ziel wirklich erreichen zu wollen, nicht überzeugend vermittelt. Zu viele Vorbehalte sind gegen die bisherige SP-Stadträtin vorhanden; unter anderem, weil sie nach zwölf Jahren an ihrem Sessel klebt.

Bilder: Herbert Fischer

Zwar machen das die vielen Wahlplakate überall in der Stadt deutlich. Doch viel mehr als die lachenden Gesichter der Kandidierenden auf den Plakaten hat der Wahlkampf nicht zu bieten. Dies ist überraschend und tragisch zugleich – so handelt es sich doch um eine Richtungswahl. Eine Richtungswahl, weil der Stadtrat zum ersten Mal seit 16 Jahren parteipolitisch neu zusammengesetzt wird und weil es um die Frage geht, ob der Stadtrat neu links-grün, bürgerlich oder von keinem Lager (*) dominiert werden soll.

Städtische Parlaments- und Regierungswahlen sollten alleine schon Garant für einen intensiven und vor allem inhaltlichen Wahlkampf sein. Handelt es sich dann noch um eine Richtungswahl, ist alles andere eigentlich gar nicht vorstellbar. Doch in Luzern ist das eigentlich Unvorstellbare Realität. Obwohl Themen vorhanden wären, obwohl am Wahltag über das Budget abgestimmt wird, obwohl die Mehrheit des aktuellen Stadtrates nicht mehr antritt, obwohl sich die parteipolitische Zusammensetzung des Stadtrates ändern wird, obwohl das Stadtpräsidium neu besetzt wird und obwohl das gesamte 48-köpfige Stadtparlament neu gewählt wird, läuft der Wahlkampf nur auf Sparflamme.

Es ist erstaunlich, dass das rot-grüne Lager, das eine Mehrheit im Stadtrat anstrebt, aktuelle Themen wie die städtische Verkehrsplanung oder die Wohnraumdiskussion nicht aktiver bearbeitet. Insbesondere, weil es sich dabei um links-grüne Kernthemen handelt. 

Auch die Diskussion um die Zentralbibliothek ist abgeflacht. Und das Budget-Referendum, welches von der SVP ergriffen wurde, wird links liegen gelassen. Hat die Linke eventuell sogar Angst, am Ende die Mehrheit im Stadtrat zu erlangen oder fehlt ihr nach den beiden Wahlkämpfen im Jahr 2011 – die übrigens auch flau waren – einfach die Energie für einen weiteren Wahlkampf?

Gegen die SVP stellen sich in der Budget-Diskussion auch CVP und FDP. Doch auch diese beiden Parteien bearbeiten dieses für Luzern doch so zentrale Thema nicht. Hat man Angst, hier die SVP zu verärgern? 

Auch zur städtischen Verkehrsplanung oder der lokalen Sicherheit inklusive der Lärm- und Littering-Problematik in der Innenstadt hört man von CVP und FDP wenig. Dafür machen die Jungfreisinnigen mit einer politisch belanglosen Kappelbrücke-Bilder-Aktion auf sich aufmerksam. 

Es stellt sich die Frage, ob den Parteien die Argumente ausgegangen sind. Es stellt sich sogar grundsätzlich die Frage, was mit den beiden traditionellen Mitteparteien los ist: Denn weder die CVP noch die FDP legen dar, wie sie den Stadtrat parteipolitisch zusammengesetzt haben möchten. Gerne wüsste man, ob CVP und FDP lieber mit den Grünliberalen, der SVP oder gar mit einem dritten Kandidaten aus ihren Reihen, den man im zweiten Wahlgang portieren würde, regieren möchten. 

Nur gegen eine links-grüne Mehrheit zu sein, ist eher eine schwache Strategie. 

Erstaunlich ist auch, dass die FDP auf eine Kandidatur für das Stadtpräsidium verzichtet; war Luzern doch im Kanton die liberale Hochburg und der Vorgänger des parteilosen Urs W. Studer ein Ur-Liberaler, nämlich Franz Kurzmeyer; Studer selbst war bekanntlich sehr lange ebenfalls Liberaler, sogar Fraktionschef im Grossen Rat, aber das ist eine andere Geschichte... 

Kurzmeyers Vorgänger war der Liberale Matthias Luchsinger, dessen Vorgänger war der Liberale Hans Rudolf Meyer, dessen Vorgänger der Liberale Hans Kopp, undsoweiter, undsofort.

Wenig hört man auch von der SVP. Dies dürfte wohl daran liegen, dass sie personell ziemlich dünn aufgestellt ist. Sie versucht ihre sieben Sitze im Grossen Stadtrat mit lediglich 13 Kandidierenden zu verteidigen. Rolf Hermetschweiler, der SVP-Stadtratskandidat, ist ebenfalls kein politisches Schwergewicht und zudem bereits nahe am Pensionsalter. Inhaltlich ist von der SVP seit dem unfreiwilligen Rücktritt von René Kuhn als städtischer Parteipräsident auch wenig zu hören, das war vor drei Jahren. Das Budgetreferendum ist zwar ergriffen und die Abschaffung der SIP gefordert, weitere Diskussionsbeiträge lassen aber auf sich warten. Vielleicht hat die SVP gemerkt, dass das Budget-Referendum kein guter Wahlkampfhelfer ist.

Es kommt einem vor, als ob die Parteien Angst hätten, einen Fehler zu begehen und sich deshalb nach dem Motto «wer wenig tut, kann wenig falsch machen» verhalten. Es bleibt zu hoffen, dass die Parteien wenigstens vor dem zweiten Wahlgang für den Stadtrat erwachen. 

---

* Weder das links-grüne noch das bürgerliche Lager werden eine Mehrheit im Stadtrat haben, wenn die Grünliberalen neben den bisherigen Parteien in den Stadtrat einziehen und die Sitzverteilung gleich bleibt: 1 FDP, 1 CVP, 1 SP und 1 Grüner.

Olivier Dolder, Luzern


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Kommentare:
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Olivier Dolder aus Luzern

Donnerstag, 26.04.2012, 18:27 · Mail

Lieber Nico

Es handelt es sich um meine subjektive Einschätzung. Darum lässt sich darüber ja so schön streiten…

Es wäre aber natürlich sehr interessant, die Intensität auch einmal (wissenschaftlich) zu messen. Vielleicht kannst du ja einen deiner Studierenden motivieren, eine entsprechende Arbeit zu verfassen. Die Variable «Intensität» müsste wohl aus mehreren Teilvariablen wie zum Beispiel der Anzahl Medienmitteilungen, der Anzahl Zeitungsartikel oder der Anzahl Leserbriefe bestehen. Auf die Schnelle lässt sich eine solche Variable auf jeden Fall nicht konstruieren.

Zu deiner Frage: Die Parteien könnten beispielsweise versuchen, mehr Medienbeiträge zu inhaltlichen Themen zu generieren. Selbstverständlich sind die Parteien da von den Medien abhängig, aber mit genügend Engagement, sollte da doch was zu machen sein. Ein erster Schritt könnte aber auch sein, eure Wahlkampf-Webseite («sozial – grün – offen») mit mehr Inhalt zu versehen.

Auf jeden Fall freut es mich, dass ich dich mit meinem Artikel dazu gebracht habe, die rot-grünen Verkehrspositionen noch einmal in kompakter Form zu publizieren. Jetzt wäre noch zu hoffen, dass Vertretende von anderen Parteien darauf reagieren.

Viele Grüsse
Olivier

 

Nico van der Heiden aus Luzern

Donnerstag, 26.04.2012, 03:23 · Mail

Ich mal wieder ;-). Ich habe mich gefragt, wie du «Intensitität des Wahlkampfs» messen willst. Wenn es eine subjektive Einschätzung ist, dann würde ich dir für die letzten zwei Wochen widersprechen. Oder anders gefragt: Was könnten die Parteien denn noch zusätzlich unternehmen, um «Themen aktiver zu bewirtschaften»?

Nico van der Heiden, SP-Grossstadtrat, Luzern

 

Philipp Federer aus Luzern

Mittwoch, 25.04.2012, 10:05 · Mail  Website

Von den etablierten Parteien ist wenig zu erwarten. Die Kandidierenden sind zu stark verbandelt. Da darf man einander nicht weh tun und die Partners nicht vergraulen. Unabhängig sind nur die Jungen und Parteilosen.

Das Verkehrsdesaster habe ich prägnant thematisiert; siehe dazu meinen Beitrag auf lu-wahlen.ch: «Ursula Stämmers wirre Verkehrspolitik» (21. April 2012).

Dieser Vorwurf trifft auf mich also sicher nicht zu. Ich benutze auch keine Gummibegriffe wie «Ein Stadtrat für alle», «Biodiversität ist wichtig» oder «Sozialkompetenz». Im Gegenteil rede ich von «Sparwut» und von «Geld verschleudern» und liefere dafür konkrete Beispiele.

Wer einen wirklichen Wahlkampf will, der diskutiert die von mir angestossenen Themen.

Philipp Federer, parteiloser Grossstadtrat und Stadtratskandidat, Luzern

 
 
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Über Olivier Dolder:

Olivier Dolder (1985) aus Luzern ist promovierter Politikwissenschafter.

Bis zu den eidgenössischen Wahlen 2019 analysierte er für verschiedene Medien das regionale und nationale Politikgeschehen. Er war mehrere Jahre als Projektleiter bei Interface Politikstudien in Luzern tätig.

Seit September 2019 arbeitet Dr. Olivier Dolder als Projektleiter Neue Regionalpolitik (NRP) beim Amt für Wirtschaft des Kantons Schwyz.

www.olivierdolder.ch