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Kolumne von Marcel Budmiger

08.05.2013

Zwei linke Erfolge in der Stadt Luzern zeigen: in der Politik lässt sich eben doch etwas bewegen

Die klare Annahme der beiden Volksbegehren für genossenschaftlichen Wohnungsbau und zur Zukunft des Areals Industriestrasse im letzten Jahr haben Auswirkungen auf die neue Bau- und Zonenordnung (BZO), über welche die Stadt Luzern am 9. Juni abstimmt. Grossstadtrat Marcel Budmiger, Vorstandsmitglied des Luzerner MieterInnenverbandes, hat dazu im «extraBLAtt 3» der IG Industriestrasse (siehe weiter unten auf dieser Seite unter «Links») einen Beitrag geschrieben, den er auch lu-wahlen.ch zur Verfügung stellt.


Die Langsamkeit, mit der sich die Schweizer Politik bewegt ist sprichwörtlich, Luzern macht da keine Ausnahme. Der doppelte Abstimmungserfolg mit der Wohninitiative und an der Industriestrasse bewirkten aber schon einiges in der Stadt. Bleibt zu hoffen, dass die Initiativgegner während des partizipativen Prozesses zur Industriestrasse nicht in alte Denkmuster zurückfallen.

Es brauchte mehrere Anläufe, bis die Wohnraumpolitik endlich ganz oben auf der politischen Agenda der Stadt stand. Lieber wird in Luzern über Strassenmusikanten und Strassenstrich, Bierdosen auf dem Europaplatz oder neuerdings das korrekte Bereitstellen von Altpapier und Karton gestritten. Schnell wird ein Reglement verabschiedet, nur ändern tut sich dann oft doch nur wenig. Das Misstrauen in die Politik kommt ja nicht von ungefähr. Konsequenterweise versenkten die Luzernerinnen und Luzerner im letzten Juni ein mutloses Reglement («... über die Förderung des gemeinnützigen Wohnungsbaus») und gaben der Wohnungsbau-Initiative von Mieterverband, SP und Grünen den Vorzug.  

Dass die Initiative gemäss Stadtrat und bürgerlichen Parteien unmöglich umzusetzen sei, interessierte die Stimmberechtigen wenig – manchmal braucht es Weckrufe aus der Bevölkerung Würde sich nach Jahren des Stillstandes plötzlich etwas ändern in der Wohnpolitik? 

Die FDP fragte schon im Juni besorgt, ob die Ziele der Gesamtplanung gefährdet seien. Schliesslich wolle man weiterhin internationale Firmenhauptsitze und reiche Steuerzahler anlocken. Doch schon am 23. September folgte die nächste bittere Niederlage für die bürgerliche Mehrheit in Stadtrat und Parlament. 12 960 Stimmberechtigte sagten am Ja zur Initiative «Für eine lebendige Industriestrasse» und verhinderten so den Verkauf des Industriestrassen-Areals an die Zürcher Allreal. Stattdessen soll das Land im Baurecht an eine gemeinnützige Baugenossenschaft abgegeben werden. 

Spätestens seit dem Abstimmungserfolg der IG Industriestrasse ist nun klar, dass die bisherige Wohnraum- und Bodenpolitik, welche einseitig Büroräume fördern und die letzten städtischen Landreserven verkaufen wollte, künftig keine Mehrheit in der Stadtbevölkerung mehr finden wird. Dies mussten auch die bürgerlichen Parteien eingestehen. Die Gesamtplanung 2013 - 2017 wurde dahingehend geändert, dass Schlüsselareale jetzt partizipativ weiterentwickelt werden sollen. Während der ehemalige Baudirektor seine Projekte möglichst rasch und möglichst ohne Einflussnahme des Parlaments durchgewinkt wissen wollte, zählt die Stadt nun auf die Mitsprachemöglichkeiten der Direktbetroffenen und der Nachbarschaft. 

Dies macht Sinn, fehlte nach den zwei Abstimmungsschlappen doch offensichtlich der direkte Draht zur Bevölkerung. Der im Januar durchgeführte Zukunftsworkshop zur Erarbeitung der vollständig zu überarbeiteten Gesamtplanung 2014 - 2018 unter Einbezug der Zivilgesellschaft ist ein Schritt in die richtige Richtung. Ob dies auch ohne die Industriestrassen-Initiative so stattgefunden hätte?  

Die Abstimmung zur Industriestrassen-Initiative war auch ein Plebiszit über die Bodenpolitik der Stadt. Soll weiterhin wertvoller Boden verhökert werden, damit die Stadt kurzfristig bessere Budgetzahlen aufweist? Oder braucht ein Gemeinwesen nicht auch die Möglichkeit zur Einflussnahme auf eigenem Grund und Boden? 

Oft wurde darauf hingewiesen, dass die Stadt nur wenig Einfluss auf den Wohnungsmarkt nehmen kann. Und je geringer die Landreserven werden, desto geringer auch die Einflussmöglichkeiten. So forderte selbst alt Baudirektor Kurt Bieder nach den Abstimmungen eine neue Immobilienpolitik. Auch Stadtpräsident und Finanzdirektor Stefan Roth sieht nach anfänglicher Skepsis die Vorteile einer Landabgabe im Baurecht. Die Weichen sind gestellt, auch wenn hier der Tatbeweis noch fehlt. Dass das Parlament aber sein Veto gegen die vom Stadtrat geplante Verknüpfung der Altlastensanierung im Friedental mit dem Verkauf des Urnerhofs einlegte, lässt jedoch hoffen.

Neben der Gesamtplanung ist die Bau- und Zonenordnung (BZO) das wichtigste Planungsinstrument auf städtischer Ebene. Nach jahrelangen Vorbereitungsarbeiten behandelte im Januar das Parlament die BZO-Totalrevision. Atmete der Entwurf noch den Geist des alten Stadtrats, so korrigierte das Parlament in entscheidenden Punkten. Die verbindlich festgelegten Mindestanteile an gemeinnützigem Wohnbau an der Industriestrasse, aber auch an anderen Gebieten wären vor den beiden wohnpolitischen Abstimmungen – eben: dem klaren Ja zur Wohnungsbau-Initaitive und der ebenso deutlichen Annahme der Industriestrasse-Initiative – noch undenkbar gewesen. 

Im ursprünglich geplanten Business-Distrikt an der Rösslimatt soll nun nicht nur gearbeitet, sondern auch gewohnt werden. Und bei der Nachfolgeregelung zum Wohnanteilplan suchte und fand die Stadt einen Kompromiss mit dem Mieterverband. Das Endergebnis der Beratungen, über welches am 9. Juni abgestimmt wird, ist sicher kein grosser Wurf. Ohne die beiden Abstimmungserfolge zur Wohn- und Industriestrassen-Initiative wäre der Fokus aber weiterhin auf der Anwerbung von Grossbetrieben und reichen Steuerzahlern gelegen. Wohnanliegen konnten sich nun besser durchsetzen. 

Das Zusammenstehen von Kleingewerbe, der Kulturszene sowie der Mieterinnen und Mietern hat sich gelohnt. Ein guter Draht zur Bevölkerung und kreative Aktion führten zu Abstimmungsergebnissen, die Luzern nachhaltig verändern werden. 

Nun gilt es gemeinsam den Druck aufrecht zu erhalten, dass es nicht bei den oben erwähnten zaghaften Schritten bleibt. Die seinerzeitigen Gegner der Industriestrasse-Initiative müssen einsehen, dass 61 Prozent der Bevölkerung ein lebendiges Quartier mit eigener Identität und günstigem Raum für Wohnen, Kultur und Kleingewerbe höher gewichten als kurzfristige Einnahmen oder einen maximalen Baurechtszins. 

Nur mit Zugeständnissen beider Seiten kann der partizipative Prozess an der Industriestrasse zu einem Erfolg führen. Die zwei deutlichen Abstimmungserfolge stärken der IG Industriestrasse in diesem Prozess aber klar den Rücken.

Marcel Budmiger, SP-Grossstadtrat, Luzern

 


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Über Marcel Budmiger:

Marcel Budmiger (*1980) hat an der Universität Bern das Studium der Politikwissenschaften mit dem Lizentiat abgeschlossen. Er arbeitet als Geschäftsleiter des Luzerner Gewerkschaftsbundes (LGB). Von 2010 bis 2014 war er SP-Grossstadtrat, seit 2013 ist er Kantonsrat. Daneben engagiert er sich beim Luzerner Mieterinnen- und Mieterverband, dem Schweizerischen Arbeiter Hilfswerk (SAH) Zentralschweiz sowie bei der Kontakt- und Beratungsstelle für Sans-Papiers Luzern.

Vorstösse von Marcel Budmiger im Grossen Stadtrat:
http://www.stadtluzern.ch/de/politik/ggr/polgeschaefte/?uz=MARCEL

Mehr über Marcel Budmiger als Kantonsrat:
www.lu.ch/Suchen=

Die Website von Marcel Budmiger:
marcelbudmiger.ch