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Gastbeitrag von Hans Widmer

Über den Autor:

Dr. phil. Hans Widmer
(9. September 1941) unterrichtete an der Kanti Alpenquai während 36 Jahren Spanisch, Religionswissenschaften und Philosophie. Er war während zweier Jahre Präsident der Philosophischen Gesellschaft der Schweiz. Von 1996 bis 2010 vertrat er die Gewerkschaften und die SP im Nationalrat. Zuvor war er auch Grossrat und Grossstadtrat.

Bild: Herbert Fischer

05.04.2020

Die Spannung zwischen Zweifeln und Gehorsam

Unübersehbar sind sie geworden, die Äusserungen zum Thema Corona. Das ist verständlich, denn es handelt sich um eine Bedrohung, die alle betreffen kann. Die aber nicht direkt sichtbar ist, sondern nur über ihre Wirkungen: die Fernsehbilder aus Bergamo sind ein, nicht aber das einzige verstörende Beispiel.

Eine weitere Wirkung: die ganze Gesellschaft, alle ihre Teilbereiche Zivilgesellschaft, Wirtschaft und Politik erfahren seit Wochen, was es heisst, Tag für Tag staatlich verordnete Freiheitsbeschränkungen zugunsten des Gemeinwohls erdulden zu müssen.

Ja, es ist ein Müssen. Ja, wir spüren die starke Hand des Staates, der – rechtlich abgesichert – auf Notrecht zurückgreift und der, wenn auch noch in milder Form, von seinem Gewaltmonopol Gebrauch macht.

Diese Hinweise zeigen nur die Aussenseite der Versuche, die «Corona-Krise» zu bewältigen: den öffentlichen Bereich. Auch die Art und Weise, wie über den Verlauf der Pandemie täglich auf allen Kanälen mit statistischem Material berichtet wird, hat etwas unterkühlt Amtliches an sich. So muss es offenbar sein, wenn man mit dem Abstraktum «Gesellschaft als Ganzes» kommuniziert.

Trotzdem gibt es auch eine Innenseite des Phänoms «Corona-Krise». Emotionen spielen dabei den Hauptpart. Und diese entfalten sich an der Basis der Gesellschaft, bei den Individuen und in überschaubaren Gruppen, bei denen die Gesetze der Gruppendynamik gerade noch zu greifen vermögen.

In diesen ganz privaten und veröffentlichen Bereichen rückt die Motivationsfrage ins Zentrum und damit die Welt der Gefühle und der Grundüberzeugungen. Halte ich mich an die Verordnungen aus Bern? Allerdings nur, weil ich es nicht mit der Polizei zu tun haben möchte? Oder weil ich von ihrer Notwendigkeit überzeugt bin?

Was tut es mit mir auf die Dauer, wenn ich innerlich die grössten Zweifel habe und nach aussen den sogenannten Kadavergehorsam übe? Zweifel sind zum Beispiel auch gegenüber den Stimmen der Wissenschaft angebracht, wenn man weiss, dass nicht einmal die sogenannte Community der Virologen einer Meinung ist.

Solche und ähnliche Fragen sollten wir nicht verdrängen, weil es ungesund ist, wenn man aus seinem Herzen eine Mördergrube macht. Wie aber können wir aus dieser misslichen Zweifelssituation in Zeiten dieser Ausnahmesituation das Beste machen?
Dieses Problem müssen die Individuen und die einzelnen Gruppierungen jeweils für sich lösen.

Bei allen, falls sie sich nicht bedingungslos dem Todestrieb und der Selbstzerstörung ausgeliefert haben, dürfte das Ja zum Leben und damit selbstredend die Angst vor einem unnatürlichen Tod die tiefste Motivationkraft sein, die Spannung zwischen Zweifeln und Gehorsam in öffentlichen Raum auszuhalten.

Hans Widmer, Luzern


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