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Gastbeitrag von Hans WidmerÜber den Autor:
15.04.2013 Hans Widmer erklärt, warum David Roth eine Grenze überschritten hatIm Zusammenhang mit dem Tod von Frau Thatcher hat David Roth öffentlich Äusserungen gemacht, die mir persönlich zu weit gingen, obwohl auch ich mich – genauso wie David Roth – zu den politischen Gegnern der «eisernen Lady» zähle.Mit Bedacht habe ich im vorherigen Satz nicht nur den höflich-kalten Ausdruck «Frau Thatcher», sondern auch den wertenden von der «eisernen Lady» verwendet. Beide sind problemlos zu verwenden. Warum nun aber hat die Aussage von David Roth, der Todestag sei Margareth Thatchers «bester Tag» gewesen, die Schmerzgrenze überschritten?Ich nehme keineswegs in Anspruch, sämtliche Aspekte dieser offenen Grenze zu kennen, weswegen ich meine, dass es viel schwieriger ist, den Anfang einer allfälligen Grenzüberschreitung festzustellen, als an einem bestimmten Punkt zu sagen: «Jetzt ist es soweit: der Rubikon ist überschritten.» Dies ist in der öffentlichen Kommunikation immer dann der Fall, wenn man eine Person in einem wesentlichen Aspekt ihrer Existenz als Mittel missbraucht, entweder, um sich über sie lustig zu machen oder um sie sozusagen als Negativfolie für die Profilierung der eigenen Positionen in eine bestimmte Strategie einzubinden. Diese Formulierung ist zwar abstrakt und als solche lässt sie im konkreten Fall einige Interpretationsspielräume und damit auch Fragen offen. Was etwa sind «wesentliche Aspekte ihrer Existenz» oder wann ist beim Karikieren «Schluss mit lustig»? Wenn es – wie im Fall der Aussagen über Frau Thatcher – um Sterben und Tod geht, dann ist etwas betroffen, was man mit Fug und Recht als einen wesentlichen Aspekt der Existenz bezeichnen kann. Das gleiche gilt beispielsweise für die dramatischen Krankheitsverläufe bei Papst Johannes Paul II. oder bei Hugo Chavez. Auch diese Dramen gehören zum personalen Bereich.In beiden Fällen wurde meines Erachtens von all jenen eine Schmerzgrenze überschritten, welche das Leiden und das langsame Absterben dieser Persönlichkeiten für die je unterschiedlichen Ideologien und Glaubensbekenntnisse zu instrumentalisieren versuchten. In unserem Beispiel ist jedoch nicht auszuschliessen, dass sowohl Johannes Paul II. als auch Chavez um das Instrumentalisierungspotenzial ihrer Leidensgeschichte wussten und dieses allenfalls befürworteten oder gar noch beförderten. Nichtsdestotrotz lehne ich auch eine solche «konzedierte» Instrumentalisierung ab, weil sie einen wesentlichen Aspekt des Personseins betrifft. Mir graut vor einer Gesellschaft, welche die Person nicht mehr als Zweck in sich selber sieht (vergleiche Immanuel Kant), sondern lediglich als Mittel für etwas anderes, ganz egal, ob dieses Andere sich auf eine religiöse oder eine innerweltlich-sozialistische Auffassung bezieht. Es bleibt dabei: Instrumentalisierung personaler Dimensionen in der öffentlichen Kommunikation ist für mich eine Schmerzgrenze, obwohl jene Instrumentalisierungen, die von den betroffenen Personen sozusagen genehmigt werden, weniger gravierend sind als jene, bei denen die betroffene Person nichts mehr dazu sagen kann. Ein Erlebnis aus der Schulzeit – es war anlässlich des Todes von Josef Stalin – hat mich immer wieder beschäftigt, weil es meinen durch die christliche Philosophie vertieften, strengen Personalismus eventuell sogar emotional angestossen hat. Als wir – eine Gruppe wilder Buben im Flegelalter – ins Schulzimmer stürmten und lustvollst skandierten: «Der Stalin ist verreckt, der Stalin ist verreckt», da mahnte uns der strenge, wohl kaum kommunistische Lehrer zur Ruhe mit den Worten, so dürfe man nicht reden, denn auch Stalin sei ein Mensch gewesen.Es ist sehr schwer, immer konsequent zu sein, erst recht dann, wenn es gilt, die Vernunft mit den Gefühlen zu versöhnen. Man kann den Menschen mit einer allzu rigiden Ethik bekanntlich auch überfordern. Deshalb habe ich bis jetzt immer insbesondere vor einer Instrumentalisierung in der öffentlichen Kommunikation gewarnt, was nicht ausschliessen soll, dass man im privaten Kreis, und das immer mit der nötigen ironischen Distanz zu sich selber, auch mal seinen Gefühlen freien Lauf lässt. Eingangs habe ich gesagt, dass es nicht einfach ist, den Beginn einer Grenzüberschreitung festzustellen, dass es für mich jedoch klare Kriterien gibt, die begründen können, wann eine solche Grenzüberschreitung stattgefunden hat. Alles «Vernünfteln» allein hilft in der Allltagspraxis allerdings nur ein kleines Stück vorwärts, es braucht eben noch mehr, es braucht das, was unsere Alltagssprache als das «Fingerspitzengefühl» bezeichnet und es bedarf auch der nötigen Selbstironie, die uns befähigt, wenn es um den Respekt der anderen Person geht, mindestens während des Formulierens von für die Öffentlichkeit bestimmten Urteilen über diese Person unsere eigenen Überzeugungen zwar nicht zu relativieren, wohl aber von ihnen einen gewissen Abstand zu nehmen. Um mit einem problematischen Vergleich aufzuhören – problematisch deshalb, weil er über die Menschen in Analogie mit der Welt des Computers spricht – möchte ich zusammenfassend wie folgt formulieren: Die Hardware ist wie bei den Menschen das Bleibende, das zu Respektierende, während die Software (sprich Glaubensvorstellungen und Ideologien) ausgetauscht werden kann und daher von keinem kritischen Hinterfragen geschützt zu werden braucht. Hans Widmer, alt SP-Nationalrat und früherer Philosophie-Lehrer am Gymnasium Alpenquai, Luzern
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Anzeige: 1 - 2 von 2.
Pirmin Meier aus Rickenbach
Mittwoch, 01.05.2013, 14:05 ·
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Alois Amrein regt an, mich mit der Vergangenheit der Kantonsschule Beromünster zu befassen. Er schlägt damit offene Türen zu Kleinholz. Mir kommt es nämlich zu, für das Gedenkjahr 150 Jahre Kantonale Mittelschule Münster (2015/16) eine Schulgeschichte zu verfassen. Darin wird man nachlesen können, dass es ohne, zum Beispiel, Rektor Curschellas, dessen Geduld mit schwachen und schwierigen Schülern kritisiert wurde, und ohne Bildungsdirektor Walter Gut diese ländliche Traditionsschule mutmasslich nicht mehr gäbe. Dabei nehme ich traumatische Erinnerungen einzelner Schüler ernst. Ich fordere Herrn Amrein also auf, mir seine Geschichte dokumentiert zur Verfügung zu stellen. Alois Amrein aus Rottenschwil
Dienstag, 16.04.2013, 23:30 ·
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Herr Hans Widmer wirkte an einem Ort, der mir lebenslang in Erinnerung bleibt, die Kanti Alpenquai Luzern. Mein Lieblingslehrer war Herr Horvath aus Ungarn, mit dem konnte man über Geörgy Lukacs diskutieren. Herr Pirmin Meier wirkt an einem Ort, der mir lebenslang in Erinnerung bleibt. Zum einen bin ich in Beromünster aufgewachsen, konnte dort die Lateinschule (so hiess damals das Gymnasium) besuchen, obwohl aus armen Verhältnissen stammend. Kommentar verfassen:Letzte Beiträge von Hans Widmer:
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