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Gastbeitrag von Hans Widmer

Über den Autor:

Dr. phil. Hans Widmer
(9. September 1941) unterrichtete an der Kanti Alpenquai während 36 Jahren Spanisch, Religionswissenschaften und Philosophie. Er war während zweier Jahre Präsident der Philosophischen Gesellschaft der Schweiz. Von 1996 bis 2010 vertrat er die Gewerkschaften und die SP im Nationalrat. Zuvor war er auch Grossrat und Grossstadtrat.

Bild: Herbert Fischer

28.02.2011

Sie brauchen sich, aber sie wollen sich nicht berühren

Eine Wirtschaftsfakultät auch für die Uni? Kaum ist diese Diskussion entbrannt, entflammt sich auch eine Grundsatzdebatte über den Denkplatz Luzern. Und auch über dessen Service public, beispielsweise bei der ZHB.

Nicht die Freude über die bald bevorstehende Eröffnung der Uni beim Bahnhof (Bild) prägt sechs Wochen vor dem Wahltag die bildungspolitische Debatte...

..., sondern auch die Frage, ob eine eigene Uni-Fakultät für Wirtschaftswissenschaften die Hochschule für Wirtschaft an der Zentralstrasse (Bild) konkurrenzieren soll.

Bilder: Herbert Fischer

Die Entwicklung des tertiären Bildungs- und Forschungsraumes in der Zentralschweiz ist eine Erfolgsgeschichte. Wer hätte sich vor gut 10 Jahren vorstellen können, dass in Luzern über 7000 junge Menschen ein Studium absolvieren und dass weit mehr als tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf der Tertiärstufe unseres Bildungssystems ihren Arbeitsplatz finden würden? Eine Wirtschaftsfakultät auch für die Uni?

Denkplatz Luzern ist nicht allein Sache der Regierung

Eine solche Erfolgsgeschichte darf insbesondere den Kanton Luzern und seine Regierung nicht vergessen lassen, dass viele Akteure daran beteiligt sind: die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zuallererst, aber auch – im Fachhochschulbereich – die Konkordatskantone. Keinesfalls ausser Acht zu lassen ist zudem der Bund, der nicht nur dank seiner verschiedenen Beiträge eine grosse Rolle spielt, sondern auch in seiner Funktion als akkreditierende Behörde. 

Eine wahre Pionierzeit beim Aufbau der tertiären Bildungsinstitutionen liegt hinter uns. Nun ist die Zeit der Konsolidierung und des vorsichtigen Weiterbauens angebrochen. Gefragt sind mehr denn je die politischen Tugenden des Respekts und der Sinn für das Machbare. 

Potenzial der Zusammenarbeit keineswegs erschöpft

Was hat denn hier «Respekt» zu suchen? Hochschule und Universität haben vermehrt Rücksicht aufeinander zu nehmen. Es darf nicht vergessen werden, dass beide zwar andersartig, aber eben doch gleichwertig sind. Nur, wenn sie das nicht übersehen, kann das Potenzial vermehrter Zusammenarbeit, das sicherlich noch nicht ausgeschöpft ist, besser genutzt werden, weit ausgiebiger jedenfalls als dies heute über das noch sehr papierene Medium der Campus-Idee passiert. Den Angehörigen der Universität rufe ich zu: Streift Eure Berührungsängste ab, wenn es darum geht, kreative Projekte mit Ansätzen der anwendungsorientierten- und grundlagenorientierten Forschung gemeinsam an die Hand zu nehmen oder noch vermehrt – dort, wo es möglich ist – Gefässe gemeinsamer Wissensvermittlung zu schaffen. 

Schreckgespenst Gesamthochschule

Überwindet endlich die Angst vor dem sozialistischen Schreckgespenst einer Gesamthochschule aus den 60-ger Jahren, denn ein solches Gebilde ist schon von der Organisationsstruktur her hier und heute gar nicht möglich. Wünschbar ist es schon gar nicht, denn der heutige Ansatz im schweizerischen tertiären Bildungssystem lebt eben gerade auch vom gesetzlich verankerten Bekenntnis zur Andersartigkeit.

Nachdem ich mit meinem Aufruf zur Zusammenarbeit die Gleichwertigkeit in den Fokus genommen habe, will ich jetzt die Bedeutung eben dieser Andersartigkeit betonen und da rufe ich den Angehörigen der Hochschule zu: Fühlt Euch niemals minderwertig, weil ihr die Praxisnähe in der Lehre und die Anwendungsorientierung in der Forschung als Kernelement Eurer Marke mit Euch führt.

Wenn wir uns wiederum auf den Grundsatz «gleichwertig, aber andersartig» besinnen, dann verliert die Debatte um die Frage «Wirtschaftsfakultät an der Universität – ja oder nein?» zwar nicht an Bedeutung, wohl aber an Dramatik. Es geht nämlich bei der Beantwortung dieser Frage nicht um Sein oder Nicht-Sein der Universität oder der Fachhochschule. Wie immer der Entscheid «Wirtschaftsfakultät ja oder nein?» auch herauskommen mag: Beide Institutionen der tertiären Bildungsstufe werden als einzelne Grössen überleben, falls die Finanzierung stimmt. 

Kostenrahmen von 20 Millionen Franken

Und genau da stellt sich die Frage des politisch Machbaren. Wenn ein Experte wie der ehemalige Bildungsdirektor des Kantons Zürich von einem möglichen Kostenrahmen von etwa 20 Millionen spricht, dann muss sich die Regierung tatsächlich fragen, ob sie mit der Zustimmung der StimmbürgerInnen den nächsten Schritt einer Wirtschaftsfakultät an der Universität wirklich wagen darf; eine Regierung, die sich in der Bibliotheksplanung kaum durch Mut ausgezeichnet hat; eine Regierung, die mit ihrer beinahe abenteuerlichen Politik im Zusammenhang mit der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz (PHZ) gegenüber den Konkordatskantonen alles andere als eine glückliche Hand hatte. 

Nachhaltige Ohrfeige an die ZHB-BenützerInnen

Politisch machbar wäre eine Wirtschaftsfakultät an der Universität nur dann, wenn es der Regierung gelingen würde, für den geplanten Schritt die Fachhochschule zusammen mit den Konkordatskantonen an Bord zu holen, was allerdings niemals möglich sein dürfte, wenn die Fachhochschule nicht auch – durch irgendwelche Konzessionen – zu den Gewinnern gehören würden. 

Aber nicht nur die Fachhochschule gälte es im Zusammenhang mit der politischen Machbarkeit zu gewinnen. Sondern auch all jene Bevölkerungsschichten, welche bildungsorientiert sind und zum Beispiel eine Institution wie die Zentral- und Hochschulbibliothek (ZHB) immer wieder eifrig benutzen. Ihnen hat man – zusammen mit dem Kantonsrat – eine nachhaltig wirkende Ohrfeige verpasst, indem man die seit Jahren geplanten Renovationsarbeiten von einem Tag auf den andern herausgeschoben hat. 

Nach der Pionierphase droht Phase der Stagnation

Strategieabsichten wie die Errichtung einer Wirtschaftsfakultät sind das eine, das Schaffen von Rahmenbedingungen, welche die politische Akzeptanz dafür schaffen, ist das andere. Wenn in der kommenden Legislatur nicht sorgfältig an der Konsolidierung des Bildungsraumes Zentralschweiz gearbeitet wird, wenn nicht endlich dem unseligen Rivalisieren der beiden tertiären Bildungsinstitutionen Universität und Fachhochschule ein Ende gesetzt wird, dann wird der Pionierphase, die ich eingangs beschrieben habe, eine Phase der Stagnation folgen. Und das ist der in vielen Bereichen so dynamischen Region Zentralschweiz wirklich nicht zu gönnen. 

Einmal mehr gilt auch in diesem Zusammenhang der Leitsatz: «Nur gemeinsam sind wir stark». Ohne vertieften Dialog zwischen Universität und Fachhochschule erleiden beide Seiten Schaden, denn es gibt in der Bevölkerung mit Sicherheit Stimmen, die sich darüber freuen, wenn sich die sogenannten Bildungseliten öffentlich streiten. Wie heisst es doch so schön: wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte. 

Hoffnung auf neues Parlament und neue Regierung

Damit nicht lachende Dritte in den nächsten Jahren die Dynamik im Bereich der tertiären Bildung in unserer Region ausbremsen können, bedarf es einer vermehrten Koordination zwischen allen Akteuren und es bedarf einer klugen Symbolpolitik, welche stets die Sensibilität der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, aber auch der Konkordatskantone vor Augen hat. Das bereits angedeutete unglückliche Agieren der Regierung im Zusammenhang mit der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz, der unverständliche Abbau des Service public im Falle der Zentral- und Hochschulbibliothek, aber auch die mehr oder weniger öffentlich ausgetragenen Differenzen zwischen der Universität und der Fachhochschule zeigen eines: So kann es auf die Dauer nicht funktionieren. Was es braucht, ist eine gemeinsame und klug kommunizierende Lobby, die sich nicht in erster Linie entweder für die Universität oder für die Hochschule einsetzt, sondern für den tertiären Bildungs -und Forschungsraum Zentralschweiz. 

Ich hege die Hoffnung, dass es in der neuen Regierung und im neuen Kantonsrat genügend Kräfte geben wird, welche dieser bildungspolitischen Perspektive zum Durchbruch verhelfen.


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