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24.05.2020

zdf.de - Verändert «Corona» unsere Gesellschaft? Soziologe Andreas Reckwitz ist Gast bei Philosoph Richard David Precht

Nach Corona wird alles anders sein als vorher – diese Annahme hört man derzeit oft. Doch stimmt sie? Was genau verändert sich, wenn die Pandemie überwunden sein wird?


Wie Corona die Gesellschaft, die Wirtschaft und das Verhalten der Menschen in Zukunft beeinflussen wird, darüber sprach im ZDF Richard David Precht mit dem Soziologen Prof. Andreas Reckwitz, Professor an der Humboldt-Universität Berlin.

Verunsicherung und Kontrollverlust

Nichts wird mehr so sein wie vor Corona, meinen viele – und manche fürchten es. Die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen sind derzeit noch nicht absehbar. Eine besondere Herausforderung muss das Risiko-Management der Regierungen bestehen, meint Prof. Andreas Reckwitz, der von Politiker*innen wie Bundeskanzlerin Angela Merkel oder SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil gelesen wird. Beim Abwägen zwischen allgemeinem Gesundheitsschutz und dem Grundrecht des Einzelnen auf freie Entfaltung stehe man immer vor einem schwer lösbaren Dilemma. Und wie groß werde der Einfluss der Wissenschaft auf die Politik in Zukunft sein, fragt Reckwitz.

Der Fortschrittsglaube, der unser System bisher immer höher und immer weiter tragen sollte, stoße durch die Corona-Krise endgültig an seine Grenzen, sagt Richard David Precht. Das Vertrauen und die Zuversicht in stetiges Wachstum, Globalisierung und eine deregulierte Wirtschaft schwinde. Ein Kontrollverlust der Systeme werde spürbar und verunsichere vor allem die hochentwickelten Gesellschaften. Zudem werfe die Corona-Krise den Menschen auch auf seine biologische Existenz zurück. Wir sind zerbrechlich und merken jetzt wieder, dass wir doch mehr mit den Tieren verwandt sind als mit unseren Smartphones, kommentiert Precht.

Was wird die Pandemie uns lehren?

Möglicherweise, so Andreas Reckwitz, wird sich unser Fortschrittsbegriff durch die aktuellen Ereignisse ja auch verändern, hin zu einem Fortschritt des Weniger, der Nachhaltigkeit und der Besinnung auf das Wesentliche. Zugleich müsse man aber auch an die sozialen und wirtschaftlichen Verheerungen der Pandemie denken. Reckwitz prognostiziert, dass dem Staat in Zukunft wieder mehr regulierende Verantwortung zufallen wird.

Wird Corona am Ende lehren, fragt Precht, wieder mehr als Gesellschaft zu fühlen und weniger als egoistisches Individuum? Wird es vor allem der Politik gelingen, notwendige Kurskorrekturen rechtzeitig in Angriff zu nehmen? Precht und sein Gast Prof. Reckwitz konstatieren, dass durch diese biologische Katastrophe nun endgültig begreifbar sei, dass nun auch der Klimakrise mit dem dringend erforderlichen Ernst begegnet werden müsse. Oder schlägt das Pendel in die entgegengesetzte Richtung aus, und die Gesellschaft wird eine Zeit der Abschottung, Selbstbezogenheit und eines grassierenden Populismus erleben?

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Andreas Reckwitz, geboren 1970 in Witten, ist Professor für Allgemeine Soziologie und Kulturwissenschaftler an der Humboldt Universität.


Reckwitz studierte bis 1995 in Bonn, Hamburg und Cambridge. Nach seiner Habilitation in Hamburg übernahm er 2005 eine Professur in Konstanz. 2010 wechselte er für 10 Jahre auf den Lehrstuhl für Kultursoziologie an die Europa-Universität Viadrina.

Besonders mit seinem 2017 veröffentlichen Buch «Die Gesellschaft der Singularitäten» und dem aktuellen Band «Das Ende der Illusionen» (2019) machte er nicht nur in der Fachwelt auf sich aufmerksam, sondern wird auch von aktiven Größen der deutschen Politik gelesen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel oder SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil.

Andreas Reckwitz wurde 2017 mit dem Bayerischen Buchpreis ausgezeichnet, 2018 für den Sachbuchpreis der Leipziger Buchmesse nominiert und erhielt 2019 den hochdotierten Gottfried Wilhelm Leibnitz-Preis.

Siehe unter «Links».

(red)