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Die Redaktion empfiehlt

17.06.2017

tele1.ch - Was Regierungsrat Paul Winiker zum jüngsten Übergriff bei der Luzerner Polizei sagt, darf nicht unwidersprochen bleiben

Auf «Tele1» hat gestern Freitagabend (16. Juni) Justiz- und Sicherheitsdirektor Paul Winiker (SVP) zu einem Bericht Stellung genommen, der gleichentags in der «LZ» erschienen ist und der - einmal mehr - die Luzerner Polizei in ein schlechtes Licht stellt.


Er wäre - theoretisch - die Aufsichtsinstanz über die Luzerner Polizei: Oberstaatsanwalt Daniel Burri (FDP.Die Liberalen). Die wird seit 16. Dezember 2013 kommandiert von Adi Achermann (CVP), der zuvor als Stabschef engster Mitarbeiter von Burri war.

Werden Polizeikommandant Adi Achermann und Kripochef Daniel Bussmann durch das Bezirksgericht Kriens verurteilt, hat Sicherheitsdirektor Paul Winiker - hier bei der Vereidigung junger PolizistInnen am 11. Mai vor der Jesuitenkirche - ein weiteres Problem.

Bilder: Herbert Fischer

Im «LZ»-Bericht heisst es, an der Fasnacht 2017 habe ein Kaderpolizist, der als Zivilperson in seiner Freizeit unterwegs war, einen Festgenommenen beschimpft und ihm ins Gesicht geschlagen.

Zum Statement Winikers gehts unter «Links».

Siehe auch unter «In Verbindung stehende Artikel».

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Regierungsrat Paul Winiker verharmlost in diesem Statement eine Ungeheuerlichkeit!

Erstellt ist: Ein Polizeikader hat sich als Zivilperson in eine Szene eingemischt, die ihn absolut rein gar nichts anging. Eine Polizeipatrouille hatte an der Fasnacht 2017 Unter der Egg zwei mutmassliche Taschendiebe festgenommen, was er offenbar als Zuschauer mitbekam. Dann beschimpfte er einen der beiden Festgenommenen und schlug ihm ins Gesicht. Wenn sich ein Polizist in seiner Freizeit als Zivilperson in eine polizeiliche Aktion einmischt und dabei gewalttätig wird, hat dies absolut nichts mit der psychischen Belastung im Polizeialltag zu tun, wie Winiker in seinem Statement auf «Tele1» sinngemäss sagt.

Polizeikommandant Adi Achermann beanzeigte den Mitarbeiter, beziehungsweise dessen Verhalten bei der Staatsanwaltschaft, wie dies in solchen Fällen üblich ist. Staatsanwalt Michael Bucher (FDP) untersuchte den Fall zwar (angeblich), stellte das Verfahren aber gleich wieder ein: es habe keine Strafanzeige vorgelegen; für Aussenstehende eine ziemlich eigenartige «Begründung». Nun läuft noch ein Administrativverfahren gegen den Kaderpolizisten, dessen Ergebnis im Juli vorliegen soll.

Unabhängig von dessen Resultat hätte der Kaderpolizist subito freigestellt werden müssen. Denn wer sich als Zivilperson so verhält, darf nie und nimmer als Repräsentant des staatlichen Gewaltmonopols amten! Jedenfalls nicht, bis seine Unschuld rechtskräftig feststeht. 

Erstaunlich ist es nicht wirklich, dass FDP-Staatsanwalt Michael Bucher dieses Verfahren eingestellt (sprich: womöglich gar nie richtig durchgeführt) hat, denn: die Luzerner Staatsanwaltschaft schützt die Luzerner Polizei wann, wo und wie immer sie kann. 

Die Staatsanwaltschaft steht zur Luzerner Polizei in einer Art Abhängigkeitsverhältnis. Sanktioniert sie einen Mitarbeiter der Polizei wegen eines strafrechtlich relevanten Fehlverhaltens, so schlägt das Pendel seitens des Polizeikorps postwendend zurück. So können - als «Protest» - Ermittlungen möglichst schludrig, «schlampig» und langwierig «geführt» werden, damit die Staatsanwaltschaft, in deren Auftrag die Polizei eigentlich ermitteln sollte, mit mageren Beweisen dasteht und fragwürdige Strafbefehle ausstellt, die vor Gericht nachher keinen Bestand haben («Dienst nach Vorschrift»). Das Polizeikorps, in solchen Fällen durch den bekannten «Korpsgeist» zusammengeschweisst, gibt so der Staatsanwaltschaft zu spüren, dass es sich von dieser Seite so gut wie nichts «gefallen lässt». Der emeritierte Berner Strafrechtsprofessor Stefan Trechsel hat sich dazu mehrmals öffentlich geäussert. Seine Botschaft: Polizeikorps und Staatsanwaltschaften sind voneinander auf Gedeih und Verderb abhängig. Zudem liegt eine umfangreiche Untersuchung von Amnesty International über Polizeigewalt in der Schweiz vor. Deren Quintessenz: Verfahren gegen die Polizei sind praktisch chancenlos (siehe unter «In Verbindung stehende Artikel»).

Formell ist die Staatsanwaltschaft zwar Aufsichtsinstanz über die Luzerner Polizei und hat deren operative Tätigkeiten zu beobachten und allenfalls zu korrigieren. Theoretisch. Auch wenn es nicht um strafrechtlich relevante Vorgänge geht, könnte sie also - falls sie denn wollen würde - der Polizei, beziehungsweise ihrem Kommandanten konkrete Weisungen geben. Zum Beispiel anordnen, dass besagter Kaderpolizist vorläufig freigestellt wird. Auch das tut sie jedoch nicht und zwar aus den gleichen Gründen wie eben ausgeführt bezüglich der Frage, warum Polizisten so gut wie nie mittels eines Strafbefehls durch die Staatsanwaltschaft sanktioniert werden.

Polizeikommandant Adi Achermann (CVP) war vor seiner Einsetzung als (zunächst interimistischer) Polizeikommandant (im Dezember 2013) Stabschef bei der Luzerner Oberstaatsanwaltschaft und damit engster Mitarbeiter von FDP-Oberstaatsanwalt Daniel Burri (siehe Bild oben rechts). Gute Voraussetzungen für kritische Distanz und Unabhängigkeit sähen anders aus. Oder andersrum, wie der Volksmund sagt: keine Krähe hackt der anderen ein Auge aus. Deswegen ist Polizeikommandant Adi Achermann eine Fehlbesetzung. Das hat absolut nichts mit seiner Person oder seinen Qualifikationen zu tun, sondern ist wegen dieser Konstellation eine unmögliche Situation. 

Zu allem Übel stehen Adi Achermann und sein Kripochef Daniel Bussmann am Montag (19. Juni) wegen des mittlerweile allseits bekannten Polizeieinsatzes vom März 2016 in Malters vor dem Bezirksgericht Kriens. Vorwurf: fahrlässige Tötung. Jede Weisung von Oberstaatsanwalt Burri ins operative Business von Polizeikommandant Achermann in den Tagen vor diesem Gerichtstermin - beispielsweise eben die vorläufige Sistierung des inkriminierten Kaderpolizisten - wäre früher oder später öffentlich bekannt geworden und würde ihn, der wegen der Causa Malters ohnehin längst als «angezählt» gilt, weiter schwächen.

Was die Luzerner Polizei, die Oberstaatsanwaltschaft und die Luzerner Regierung nun aber unter gar keinen Umständen wollen, sind weitere Negativschlagzeilen in den Medien, schlimmstenfalls gar eine Verurteilung Achermanns und Bussmanns wegen fahrlässiger Tötung. Zudem steht gegenüber Achermann der schwerwiegende Vorwurf im Raum, der habe die Medien absichtlich falsch über den genauen Ablauf der Polizeiaktion in Malters informiert, möglicherweise gar gelogen (siehe unter «In Verbindung stehende Artikel»). Würden er und Bussmann in Kriens verurteilt, wären beide definitiv untragbar. Das wissen alle Beteiligten sehr genau. Adi Achermann wäre übrigens der sechste Polizeikommandant in Folge, der in Luzern abtreten müsste.

Selbstverständlich gilt gegenüber ihm wie auch gegenüber Kripochef Daniel Bussmann die Unschuldsvermutung!

Es handelt sich bei diesem Beitrag hier und jetzt auf lu-wahlen.ch denn auch - wie unschwer zu erkennen ist - nicht um irgendwelche Spekulationen bezüglich des Gerichtsfalls wegen des Polizeieinsatzes in Malters, sondern um die Darstellung, Bewertung und Verortung jenes irritierenden Gesamtbildes und seiner Mosaiksteine, welches die Luzerner Polizei abgibt, seit Jahren abgibt.

Nach der Entlassung von Polizeikommandant Beat Hensler im Jahr 2013 hätte Adi Achermann Ruhe ins Korps bringen sollen. Das ist zugegebenermassen eine sehr, sehr schwierige Aufgabe. Wie er sich das anfänglich selber vorgestellt hatte, sagte er in einem Interview mit zentralplus.ch am 27. März 2014 (siehe unter «Links»). Was dabei herausgekommen ist, wissen wir inzwischen.

Gelingt ihm - im Falle eines Freispruchs durch das Bezirksgericht Kriens - eine Art «Neustart mit gestärktem Rücken»? Oder wird er entlassen und seine Nachfolge wird ebenfalls an der Quadratur des Kreises scheitern?

So gut wie sicher ist: Mindestens 80, wenn nicht sogar 90 Prozent der PolizistInnen machen einen einwandfreien Job, sind dafür auch charakterlich geeignet und haben sich bestens bewährt. Sie sollten am ehesten daran interessiert sein, dass sie und ihr Ansehen nicht durch Rambos und anderlei Fehlbesetzungen in ihren Reihen immer wieder in den Dreck gezogen wird.

Wenn Justiz- und Sicherheitsdirektor Paul Winiker in seinem gestrigen Interview in «Tele1» schon bitter beklagt, was sich PolizistInnen im Alltag so alles gefallen lassen müssen - was unter keinem Titel zu tolerieren ist! - so könnte er sich vielleicht auch einmal öffentlich zur Frage äussern, wie sich selbige PolizistInnen fühlen, wenn ihnen die Politik immer wieder zusätzliche Stellen verspricht (die fraglos vonnöten sind), deren tatsächliche Besetzung aber immer wieder hinausschiebt (siehe auch dazu unter «In Verbindung stehende Artikel»). Oder wenn ihre Patrouillentätigkeit, wie eben erst durch die immer wieder zu Spässen aufgelegte Luzerner Regierung verkündet, reduziert wird; logo: zwecks Sparen.

Fortsetzung folgt, mit jeder Garantie.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern

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Deklaration der persönlichen Interessenlage des Autors in dieser Causa gemäss berufsethischen Basics: 

. Herbert Fischer ist mit Paul Winiker seit 42 Jahren persönlich bekannt und hat 2015 einen Aufruf für seine Wahl als SVP-Regierungsrat öffentlich unterzeichnet.
. Polizeikommandant Adi Achermann und sein Kripo-Chef Daniel Bussmann lassen in ihrer «Einsatzfreudigkeit» nach Meinung Fischers «eine offensichtliche und auffällige Toleranz gegenüber rechtsextremen Kreisen» erkennen. Für Fischer sind beide «allein schon deswegen politisch untragbar». Fischer: «Ich frage mich zudem ernsthaft, wo sie selber politisch wirklich stehen, was ja für Leute in so wichtigen und exponierten Funktionen nicht ganz unwichtig ist».
. Herbert Fischer ist am 19. April 2015 von der Luzerner Polizei (Kommandant: Oberst Adi Achermann) in Handschellen gelegt worden. Bilder, die er zuvor von einem Polizeieinsatz vor der Franziskanerkirche in Luzern gemacht hat, waren nachher nicht mehr auf seiner Kamera, nachdem er sie zurück erhalten hat. Sie konnten allerdings durch ein ausserkantonales Polizeikorps wieder hergestellt werden. Achermann hat als Reaktion gegen Fischer ein Verfahren wegen «Gewalt und Drohung gegen Beamte» angestrengt. 

Diesbezüglich läuft ein juristisches Verfahren. Siehe unter «In Verbindung stehende Artikel». 

(hrf)