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22.07.2016

Die «WOZ» zum Tod ihres Mitbegründers Jürg Frischknecht

Der Journalist und Buchautor Jürg Frischknecht ist am Montag in Zürich nach einer Krebserkrankung gestorben. Die Wochenzeitung WOZ verliert mit ihm einen langjährigen Mitarbeiter, Berater und Freund. Frischknecht war seit den Siebziger Jahren des vergangenen Jahrhunderts einer der profiliertesten Schweizer Journalisten. In den letzten zwanzig Jahren zeichnete er sich unter anderem als Autor von sehr erfolgreichen thematischen Wanderbüchern aus.


Jürg Frischknecht wurde 1947 in Herisau, Appenzell Ausserrhoden, geboren und besuchte die Kantonsschule in St. Gallen. Politisch engagierte er sich früh, zuerst im appenzellischen Forum für politische Unternehmungen, dann bei den kritischen Publizisten an der Universität Zürich. Einen politischen Coup von grosser Tragweite landete Jürg Frischknecht im November 1976, als er zusammen mit anderen Aktivisten des Demokratischen Manifests einen Spitzel des Zürcher «Subversivenjägers» Ernst Cincera enttarnte, sich in Cinceras Archiv führen liess und dort einen Teil der Karteikarten und Unterlagen behändigte. Ernst Cincera hatte systematisch die Linke in der Schweiz bespitzelt und denunziert. Nach der Aufdeckung seiner Machenschaften war in den Medien von einem Schweizer Watergate-Skandal die Rede.

Als freier Journalist schrieb Jürg Frischknecht zunächst für die linksliberale Basler «National-Zeitung» und viele Schweizer Regionalzeitungen, er spezialisierte sich dabei zunächst auf Medienjournalismus und beschäftigte sich kritisch mit Fragen der Überwachung.

Bei der Gründung der Wochenzeitung WOZ 1981 wurde Frischknecht einer ihrer wichtigsten Mitarbeiter und Unterstützer. 

Gleich in der ersten Ausgabe enthüllte er geheime Bohrpläne der Nuklearindustrie, später enttarnte er in aufsehenerregenden «WOZ»-Primeurs mehrere V-Männer und Agents Provocateurs, welche die Zürcher Politische Polizei in die Jugendbewegung eingeschleust hatte.

Frischknecht blieb auch später ein genauer Beobachter und Kenner der rechtsextremen und gewalttätigen Jugendszene in der Schweiz. 1994 erhielt er für sein journalistisches Engagement den Nanny und Erich Fischhof-Preis der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus in Zürich.

Als Autor und oft als Ko-Autor veröffentlichte Jürg Frischknecht zahlreiche Sachbücher, darunter das Standardwerk «Die unheimlichen Patrioten» (mit Peter Haffner, Ueli Haldimann und Peter Niggli, 1979) und «Rechte Seilschaften» (mit Peter Niggli, 1998). Sie analysierten die Rechtsgruppierungen ausserhalb der traditionellen Parteien und warnten bereits früh vor dem Aufstieg der nationalkonservativen SVP. 1983 veröffentlichte er zusammen mit dem Filmer Mathias Knauer «Die unterbrochene Spur» über die antifaschistische Emigration in der Schweiz 1933 bis 1945.

1987 erschien «Wandert in der Schweiz, solang es sie noch gibt», ein Wanderbuch für 35 Lokaltermine. Es war das erste einer Reihe von thematischen Wanderbüchern dieses Autors. Mit «Wandern in der Schweiz» beleuchtete er umstrittene und ökologisch unsinnige Projekte. Er verband darin seine Leidenschaft für die Berge mit dem Anspruch, journalistisch nicht nur zu informieren, sondern zu intervenieren und (umwelt-)politische Bewegungen zu unterstützen.

Ein wichtiges Projekt war für Frischknecht dabei das selbstverwaltete Bildungs- und Ferienzentrum Salecina in Maloja, in dem er sich seit der Gründung 1971 engagierte und mit internationalen Tagungen gegen die Zerstörung des Alpenraums durch den Transitverkehr oder Stauseen kämpfte.

Jürg Frischknecht stammte aus einer Familie von Lehrern und wurde schliesslich selber Lehrer: Generationen von angehenden JournalistInnen beim Schweizer Radio und Fernsehen sowie am Medienausbildungszentrum in Luzern sind von ihm ausgebildet worden. Auch die grossen Verlage holten Frischknecht für Kurse in Recherchetechnik.

In den vergangenen zwanzig Jahren veröffentlichte Jürg Frischknecht zusammen mit seiner Partnerin Ursula Bauer eine Reihe weiterer thematischer Wanderbücher, darunter «Bäderfahrten» (2004), «Auswanderungen» (2008), «Grenzland Bergell» (2010) und zuletzt «Solothurn, Olten, Aarau. Wandern, wo die Schweiz entstand» (Rotpunktverlag 2015). Für diese Arbeit erhielten die beiden den «Binding-Preis für Natur- und Umweltschutz», den «signaTour-Medienpreis für herausragende Reiseliteratur» und den «King Albert Mountain Award».

Das WOZ-Kollektiv trauert um einen langjährigen, verlässlichen, stets neugierigen Kollegen und kritischen Wegbegleiter. Die Erinnerung an Jürg Frischknechts hohe journalistische Standards wird unsere Arbeit begleiten.

WOZ - Die Wochenzeitung
(Zürich, 21. Juli 2016)

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