das gesamte meinungsspektrum lu-wahlen.ch - Die Internet-Plattform für Wahlen und Abstimmungen im Kanton Luzern

Spenden für Verein lu-wahlen.ch

Diese Website gefällt mir! Um weitere Beiträge darauf zu ermöglichen, unterstütze ich lu-wahlen.ch gerne mit einem Betrag ab CHF 10.-

 

 

Die Redaktion empfiehlt

12.03.2012

Roger Schawinski in der «Sonntagszeitung» über die Goldküsten-Gemeinde Zollikon, die praktisch pleite ist

Unglaubliches ist aus einer der vornehmsten Gegenden des Landes zu lesen.


© SonntagsZeitung; 11.03.2012; Seite 16

Nicht bloss eine Peinlichkeit

Für mich war es die Topmeldung der Woche: Zollikon ist praktisch pleite. Nur ganz knapp und erst in allerletzter Minute wurde verhindert, dass der Zürcher Nobelvorort vom Kanton unter Kuratel gestellt werden musste. Das Defizit war so gross, dass sogar das Geld für Skitage der Primarschüler und neue Bücher in der Bibliothek fehlte. Zollikon, bisher selbst im reichsten Land der Welt ein Symbol für aussergewöhnlichen Wohlstand, am Rande des Ruins! Nichts beweist wohl augenfälliger, dass unser System aus dem Ruder läuft.

Denn damit ist belegt, dass nicht nur die Kluft zwischen Arm und Reich immer tiefer wird, was schon bedrohlich genug ist. Wenn nun aber die Superreichen in ihren Superenklaven gar ihre eigenen Gemeinden mit obszön tiefen Steuersätzen aushungern, dann erreicht dort die allgemeine Habgier ein Mass, das nur noch krankhaft zu nennen ist.

Zollikon steht nicht etwa allein. Auch Steueroasen im Kanton Schwyz erwirtschafteten in den letzten Jahren gewaltige Defizite, und dies trotz des Zuzugs der finanziell potentesten Bewohner des Landes, von denen sich viele jeden Morgen in ihren schwarzen Limousinen nach Zürich und am Abend wieder zurück chauffieren lassen. Eine Stadt wie Zürich hingegen budgetiert trotz des mehrjährigen Totalausfalls ihrer bisher wichtigsten Steuerzahler – der Grossbanken – weiterhin mit Augenmass und fährt damit gut.

Die Verteufelung des Staates als gefrässiges Ungeheuer durch Politiker von ganz rechts erreicht also immer neue, groteske Höchstwerte. Ihr Mantra über die generell viel zu hohen Steuern, die es immer und überall brutal zu beschneiden gilt, kann aber geradewegs ins Desaster führen. Deshalb dient Zollikon als Alarmzeichen für eine kurzsichtige und würdelose Politik. Und die Reaktion? Den einen, die ausschliesslich aufs eigene Portefeuille schauen, scheint das völlig egal zu sein. Andere, die ihr politisches Süppchen mit diesem abstrusen ideologischen Gebräu köcheln, freuen sich gar und faseln etwas von sinnvollem Steuerwettbewerb. Wenn dadurch aber die reichsten Gemeinden der Schweiz am Krückstock gehen und nicht einmal mehr fähig sind, ein paar lausige Bücher zu kaufen, dann ist das nicht nur eine Peinlichkeit, sondern ein ausgemachter Skandal.

Roger Schawinski in der «Sonntagszeitung» vom 11. März 2012