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26.02.2012

Patrik Müller in «Der Sonntag» über «linken Realismus» in der Asylpolitik

Im heutigen «Der Sonntag» hat Chefredaktor Patrik Müller einen Kommentar über nordafrikanische Asylbewerber und die Rolle linker Exekutivpolitiker geschrieben. O-Ton Müller: «Es ist höchste Zeit, dass die Asylfrage entideologisiert wird.»


© Der Sonntag / MLZ; 26.02.2012

Editorial

Linker Realismus

Die Asylpolitik in der Schweiz ist stärker ideologisiert als in anderen europäischen Ländern. Man bekommt den Eindruck, die Linken würden am liebsten alle Flüchtlinge aufnehmen und die Rechten gar keine. Diese Polarisierung ist spätestens seit den Jugoslawienkriegen in den 90er-Jahren zu beobachten. Es war aber nicht immer so: In den 50er- und 60er-Jahren wurden Ungarn, Tibeter und Tschechoslowaken mit offenen Armen empfangen. Von Linken wie von Rechten.

Die Sozialdemokraten in anderen Ländern – in Österreich und Deutschland, aber auch in Skandinavien – vertreten eine deutlich restriktivere Asylpolitik als die Schweizer Genossen. Bisweilen erinnert diese an die SVP. Man denke an den einstigen SPD-Justizminister Otto Schily («97 Prozent der Asylbewerber sind Wirtschaftsflüchtlinge»). Warum dieser Unterschied? Die Linken in der Schweiz sind von Natur aus nicht warmherziger. Aber sie sind in der Regel nicht an der Macht und können darum ihre hehren Prinzipien folgenlos vertreten.

Das hat sich geändert. Beim Bund ist die Sozialdemokratin Simonetta Sommaruga für das Asylwesen zuständig. In den Kantonen Zürich und Thurgau sind es die Sozialdemokraten Mario Fehr und Claudius Graf-Schelling, im Aargau die Grüne Susanne Hochuli. Sie erleben täglich, wie insbesondere Asylbewerber aus Tunesien und anderen afrikanischen Ländern sich als «Schlaumeier» anstellen (Graf-Schelling). Und wie «fast alle» Wirtschaftsflüchtlinge und «viele» kriminell sind (Hochuli).

Ist das rot-grüner Populismus – schliesslich wollen die Regierungsräte wiedergewählt werden? Diese Erklärung wäre zu einfach. Die Linken merken, im Exekutivamt angekommen, dass die humanitäre Tradition der Schweiz gefährdet ist und Ex tremforderungen von rechts mehrheitsfähig werden könnten, wenn das Asylwesen aus dem Ruder läuft. Mehr als 2500 Tunesier kamen letztes Jahr in die Schweiz. Kein einziger sei heute in seiner Heimat an Leib und Leben bedroht, sagt Ex-SP-Nationalrat Rudolf Strahm.

Es ist höchste Zeit, dass die Asylfrage entideologisiert wird. Es geht darum, ein Problem zu lösen, das die Bevölkerung beschäftigt. Macht die Politik nicht Ernst damit, wird die Fremdenfeindlichkeit weiter zunehmen.

patrik.mueller@sonntagonline.ch