das gesamte meinungsspektrum lu-wahlen.ch - Die Internet-Plattform für Wahlen und Abstimmungen im Kanton Luzern

Spenden für Verein lu-wahlen.ch

Diese Website gefällt mir! Um weitere Beiträge darauf zu ermöglichen, unterstütze ich lu-wahlen.ch gerne mit einem Betrag ab CHF 10.-

 

 

Kolumne der Redaktion

29.05.2019

Neuigkeiten zum Putsch im Regierungsrat: CVP sägte schon länger an Schwerzmanns Stuhl

Das Erschrecken über den Departementsabtausch zwischen den Regierungsräten Marcel Schwerzmann (parteilos) und Reto Wyss (CVP) ist unbegründet: Von der Öffentlichkeit unbemerkt, hatte die CVP schon länger am Stuhl des Finanzdirektors gesägt. Reto Wyss’ persönliche Ambitionen waren letztlich entscheidend.


Der Luzerner Silvio Bonzanigo (*1952), lic. phil. I, arbeitete als Journalist und Redaktionsleiter, bevor er stellvertretender Informationschef des Kantons Luzern wurde. Heute führt er eine Agentur für Kommunikation und politisches Marketing in Luzern.

Alle zeigen sich perplex: Der Abtausch der Departemente unter den Regierungsräten Marcel Schwerzmann und Reto Wyss verunsichert noch immer viele Luzernerinnen und Luzerner. Die Reaktionen fallen auch deshalb so heftig aus, weil der Kantonale Gewerbeverband Luzern den parteilosen Finanzdirektor Schwerzmann zum Synonym für eine vernünftige Steuerpolitik hochstilisiert hatte.

Wie die CVP an Schwerzmanns Stuhl sägte

Wer die Zeichen der CVP während der Legislatur zu deuten weiss, erkennt, dass Schwerzmann aus ihrer Sicht den Zenith als Finanzdirektor überschritten hatte. Bereits 2017 verlangte CVP-Kantonalpräsident Pirmin Jung vom Finanzdirektor vehement «endlich eine umfassende Finanzstrategie». Das heisst, dass die Tiefsteuerstrategie von der CVP nur als Teil eines Ganzen gesehen wurde, das sie beim Finanzdirektor vermisste. Mit Parteipräsident Christian Ineichen verschärfte sich die Tonlage: «Ich werde alles tun, damit Schwerzmann nicht mehr gewählt wird.» Wenig später forderte Ineichen ultimativ, aber erfolglos, den Abtausch der Departemente zwischen Paul Winiker (SVP) und Marcel Schwerzmann. CVP-Fraktionschef Ludwig Peyer liess sich im Halbjahrestakt zur fehlenden Konkordanz im Regierungsrat vernehmen und dass «ein Parteiloser im Regierungsrat eigentlich nichts verloren hat.». Schwerzmann war geschickt genug, auf diese Provokationen nicht zu reagieren, was zur geringen öffentlichen Wahrnehmung beitrug. Doch der Widerstand in der CVP gegen Schwerzmann schwärte weiter. Im Unterstützungskomitee des SP-Regierungsratskandidaten Jörg Meyer waren 17 aktive oder ehemalige Kantons-, Gemeinde- und Nationalräte der CVP vertreten.

Im Parlament wurde Schwerzmanns Tiefsteuerstrategie zwar von der CVP offiziell unterstützt, sie liess ihn aber immer wieder spüren, dass dies Zuspruch auf Bewährung war: Kritische Vorstösse von Links gegen die Senkung der Einkommensgrenze bei der Individuellen Prämienverbilligung fanden bei der CVP Beifall.

Gezielt provokative Sparmassnamen in den CVP-Departementen

Die Zwangsferienwoche 2016 für 20'000 Berufs- und Mittelschüler und deren Lehrer wurde schweizweit als Beleg für die gescheiterte Tiefsteuerstrategie des Luzerner Finanzdirektors zitiert. 4 Millionen Franken brachte diese Massnahme. Reto Wyss hätte andere Massnahmen wählen können, zum Beispiel die bei Lehrpersonen unbeliebte und aussageschwache Schulevaluation eine Legislatur lang auszusetzen, was immerhin 3 Millionen Franken eingespart hätte. Im Sozialbereich war unrühmlicher Höhepunkt die Rückforderung von bereits ausbezahlten Prämienverbilligungen, initiiert vom CVP-Sozialdirektor Guido Graf. In beiden Fällen richtete sich der öffentliche Protest aber gegen den Finanzdirektor.  

Wyss und Graf haben also die Tiefsteuerstrategie Schwerzmanns offiziell mitgetragen, gleichzeitig in Sparpaketen aber jene Massnahmen gewählt, die das grösste Protestpotenzial bargen und den Finanzdirektor diskreditierten.

Reto Wyss sucht vermehrten Einfluss

Reto Wyss kandidierte 2017 erfolglos für das Präsidium der Bildungsdirektorenkonferenz; ihm war die Zürcherin Silvia Steiner deutlich vorgezogen worden. Also brachte er sich als Finanzdirektor selbst ins Spiel, um andernorts an Einfluss zu gewinnen. Die Finanzdirektion ist im Regierungsrat fraglos die Schlüsseldirektion. Guido Grafs Unterstützung konnte sich Wyss schnell sichern, weil Graf damit wusste, dass Wyss nicht mehr in Frage kam für den Ständeratssitz, den Graf seit Jahren anstrebt. Nominiert dafür ist zwar Andrea Gmür. Gemäss Gerücht soll aber für den Fall eines mässigen Abschneidens von Gmür im 1. Wahlgang ein Regierungsrat im 2. Wahlgang einspringen. Und Guido Graf hat eine Schmach auszuwetzen: Parteikollege Konrad Graber wollte Graf als Ständerat verhindern und zögerte 2018 seinen Rücktritt aus dem Ständerat solange hinaus, bis Graf zur Wiederwahl in den Regierungsrat nominiert war. Mit dem Putsch von Wyss erhält Graf jetzt eine geringe Chance, doch noch Ständerat zu werden.

Die CVP scheut sich schon 1995 nicht

Auch schon früher konnte die CVP unzimperlich: 1995 hatte sich der IT-Unternehmer Max Pfister in einem Mobilisierungscoup die Nomination bei der FDP gesichert. Die FDP und Pfister wollten die liberale Tradition im Wirtschaftsdepartement fortführen. Doch die CVP-Regierungsräte Klaus Fellmann, Kurt Meyer und Anton Schwingruber hielten Pfister vom Wirtschaftsdepartements fern und bugsierten ihn ins Baudepartement, was Pfister mit wochenlangem Hader quittierte. Das Wirtschaftsdepartement schnappte sich dann Jurist Schwingruber.
Reto Wyss fühlte sich auch schon düpiert bei der Departementsverteilung. 2011 aspirierte der Bauingenieur HTL klar auf das Bau-, Umwelt- und Wirtschaftsdepartement (BUWD). Zugeschlagen wurde es aber dem vormaligen Haustechnikunternehmer Robert Küng (FDP). 2019 wollte Wyss seine Ambitionen endlich verwirklichen. Deshalb musste Schwerzmann weichen.

Den grösstmöglichen Schaden für die CVP im Hinblick auf die nationalen Wahlen 2019 hat Reto Wyss jedenfalls mit dieser erzwungenen Rochade in Kauf genommen.

Silvio Bonzanigo, Luzern


Teilen & empfehlen:
Share    
Kommentare:

Keine Einträge

Kommentar verfassen:

Ins Gästebuch eintragen
CAPTCHA-Bild zum Spam-Schutz  

Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


treten Sie mit lu-wahlen.ch in Kontakt

1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/