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Kolumne der Redaktion

01.04.2018

Was das Nein zu «No-Billag» mit der bürgerlichen Finanzpolitik zu tun hat

Wie lieb die Schweizerinnen und Schweizer den Service public haben, das machten in den letzten Wochen zwei Ereignisse deutlich. Das war zum einen, natürlich, die Abstimmung über die «No-Billag-Initiative». Fast 72 Prozent stellten sich hinter ein öffentlich-rechtliches Radio und Fernsehen, das sie sonst bei jeder Gelegenheit für sein Programm kritisieren. Das zweite Ereignis war der Skandal um die Postauto AG.


Der Horwer Christoph Fellmann ist Journalist und Theaterregisseur.

Das hoch subventionierte Unternehmen hatte in seiner Bilanz nicht weniger als 78 Millionen Franken Gewinn versteckt. Die enorme Empörung, welche die Öffentlichkeit erfasste, zeigt: Die Schweiz gilt nicht umsonst als das einzige Land der Welt, das einen Bus verehrt. Für den Service public – in diesem Fall für den Anschluss auch des hintersten Krachens ans Postautonetz – gelten besondere Massstäbe. Mit der Swissness spielt man nicht. Da optimiert man nicht den Gewinn, um ihn dann zu verstecken. 

Dem «Tages-Anzeiger» in Zürich fiel dazu ein schönes Bild ein: «Ein Postauto auf einer Passstrasse, links und rechts ragt drei, vier Meter hoch der Schnee, und im offenen Wagen sieht man die Schar der Passagiere behütet wie in einer Schatulle – eine Schicksalsgemeinschaft, vereint durch ihr gemeinsames Ziel. Und gehört nicht auch das zur Fahrt im gelben Wagen: die Autos, die zurückweichen? Der Vortritt für die Mehrheit?» Der Postautoskandal wie auch die Abstimmung über die SRG belegen, dass der öffentliche Dienst in der Schweiz unter Druck geraten ist. Hier durch die Privatisierung und Profitmaximierung. Und da durch ein libertäres Gedankengut, das den Gesellschaftsvertrag des alten bürgerlichen Staats durch den hemdsärmligen Slogan ersetzt: Ich bezahle nur, was ich auch brauche. 

Dass die Schleiffung des Service public nicht einmal bei der SVP mehrheitsfähig ist, zeigt sich allerdings in der Politik der libertär inspirierten Rechtspartei: Die staatlich finanzierte Swissness der Schweizer Bauernsame bleibt dort seit Jahr und Tag unhinterfragt. Und wie populär der öffentliche Dienst auch heute noch ist, das haben das Resultat der «No-Billag-Initiative» und der Aufschrei über die Mauscheleien bei der Postauto AG eindrucksvoll gezeigt. Vielleicht ist dies der ideale Zeitpunkt, an dem sich die bürgerlichen Sidekicks der SVP – die FDP und die CVP – die Finanzpolitik hinterfragen sollten, zu der sie sich unter dem Druck der SVP immer wieder hinreissen lassen. 

Die Sparbefehle, mit denen die bürgerliche Schulterschlusspolitik in vielen Kantonen grosse Löcher in die Grundversorgung mit Verkehr, Bildung oder Kultur reisst, sie überlässt die Hege und Pflege des Service public den Linksparteien.  

Dabei ist ein breiter, austarierter, tiptop funktionierender öffentlicher Dienst, wie die jüngsten Ereignisse belegen, ein Kernanliegen einer breiten, austarierten, tiptop aufgestellten Mitte. Das müsste eigentlich insbesondere der CVP zu denken geben. Diese Partei hat das Schweizer Staatswesen geprägt und imprägniert wie sonst nur die alte FDP. 

Am gleichen Wochenende nun aber, da die Schweiz der «No-Billag-Initiative» eine Abfuhr erteilte, fiel die CVP in den Wahlen in Zürich, einer Stadt mit herausragender Grundversorgung, aus allen politischen Rängen und Traktanden. 

Kurzum, sie ist irrelevant geworden in einem modernen, urbanen Milieu, das sich gerne ein gute öffentliche Versorgung leistet. Sie ist da und dort noch relevant in einem urchigen, bäuerlichen Milieu, das auf eine gute öffentliche Versorgung angewiesen ist. Wenn die CVP überleben will, sollte sie dringend ihre Finanzpolitik überdenken. 

Christoph Fellmann, Luzern 

Diese Kolumne ist für das «Kulturmagazin» geschrieben und zuerst in dessen April-Ausgabe veröffentlicht worden.

Unter «In Verbindung stehende Artikel»: weitere Beiträge von Christoph Fellmann im «Tagesanzeiger» sowie im «Kulturmagazin».


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/