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Kolumne der Redaktion

30.03.2018

Wie das Projekt Pfasyl junge Asylsuchende in die Schweizer Pfadibewegung integriert

Der Luzerner Soziologiestudent und Pfadfinder Johannes Truffer engagiert sich für das Integrationsprojekt Pfasyl. Hier schreibt er, was hinter der Idee steckt.


Johannes Truffer (*1994) ist im Untergütschquartier in Luzern aufgewachsen. Er ist aktiv in der Abteilung Schirmerturm des Luzerner Pfadfinderkorps Musegg.

Hier spielen die Kinder «chomm mett, gang wägg».

Farbstifte regen die Kinder und Jugendlichen dazu an, sich auszudrücken.

Begegnungen wie jene mit dem Samichlaus tragen dazu bei, den Kindern aus anderen Kulturen schweizerische Traditionen und Bräuche zu vermitteln.

Die Gesichtsausdrücke dieser Kinder zeigen, wie sehr es ihnen bei Pfasyl gefällt.

Bilder: Sara Furrer

Das Integrationsprojekt Pfasyl (Verbindung von «Pfadi» und «Asyl») ist ein Verein innerhalb der institutionellen Strukturen der Pfadibewegung Schweiz. Es ist vor zwei Jahren von freiwilligen PfadfinderInnen aus verschiedenen Stadtluzerner Pfadis ins Leben gerufen worden. Pfasyl organisiert jeden zweiten Sonntag Anlässe für Kinder und Jugendliche aus Asylbewerber-Familien, die im Durchgangszentrum darauf warten, eine definitive Wohnung in einer Luzerner Gemeinde zugeteilt zu erhalten. Es gibt inzwischen je eine Pfasyl-Abteilung in Rothenburg und Luzern.

Seit seiner Gründung engagiere ich mich im Verein Pfasyl, der auf Initiative zweier Freunde gegründet worden ist. Die Idee kam auf, weil einer dieser Initianten den Zivildienst im Durchgangszentrum Hirschpark – während der Phase der verstärkten Fluchtbewegungen im Herbst 2015 – gemacht hatte und dabei Einblicke in die Lebenssituationen dieser Menschen erhielt. Trotz der Bemühungen des Personals, die Folgen der temporären Überbelegung des Durchgangszentrums abzufedern, ergaben sich immer wieder schwierige Situationen in der Unterbringung der Geflüchteten. Da im Hirschpark viele Familien mit jungen Kindern untergebracht waren und die angespannte Situation die Fokussierung der Energie aufs Allernotwendigste erforderte, konnte seitens des Zentrums den Kindern nicht wirklich viele Möglichkeiten zur Entfaltung geboten werden. 

Da der Initiant bereits langjähriges Mitglied der Pfadi Emmenbrücke war, kam ihm die Idee, dass die Pfadi eigentlich den idealen Rahmen bieten würde, damit die Kinder eine Auszeit vom teils anstrengenden Alltag im Heim nehmen könnten. 

So trommelte er seine Freunde zusammen, von denen die meisten bereits Pfadierfahrung hatten, um die Idee zu konkretisieren. Der Rest ist Geschichte:  wir konnten ein engagiertes Leitungsteam zusammenstellen, einen Verein gründen, unsere Vision schärfen und gleichzeitig die Idee bekannter machen, in der Hoffnung, Folgeprojekte zu initiieren und eine solide finanzielle Basis zu erhalten. Doch nun der Reihe nach.

Die ursprüngliche Idee war es, dass wir den Kindern durch klassische Pfadiprogramme einen Raum zur persönlichen Entfaltung geben können und dadurch den Familien wie auch den Kindern selbst eine Auszeit von ihrem Alltag bieten.  

Da wir ja bereits einen Kontakt zum Heim und auch zu den Familien hatten, planten wir einfach im Voraus den Anlass und klopften im Durchgangszentrum einfach an die Türen der Zimmer, um die Kinder einzuladen, mitzumachen. Schon bald kamen die Kinder von selbst raus und es entstanden persönliche Bindungen zwischen Leitenden und den Kindern. Schon bald fragten sie «morgen wieder spielen?», was wir jeweils schweren Herzens verneinen mussten.

Unsere Aktivitäten bestehen meistens aus einer Begrüssungsrunde am Anfang, einem kleinen Programm, das in Ateliers gegliedert ist und aus einem «Zvieri». Oftmals gehen wir auf den Spielplatz des Schulhauses St. Karli, um uns auszutoben. Bei schlechtem Wetter dürfen wir – grosszügigerweise unentgeltlich – entweder die Turnhalle oder den Pfarreisaal der katholischen Kirche benützen. Aufgrund der anfänglich noch stärkeren sprachlichen Barrieren mussten wir merken, dass wir keine allzu komplexen Aktivitäten planen können, wie etwa «normale» Pfadiprogramme mit selbst erfundenen Spielen. Wir mussten uns also möglichst einfach zu vermittelnde Spiele und Ateliers überlegen. 

Wir haben aber gemerkt, dass dies den Aktivitäten keinen Abbruch tut, sondern dass die Offenheit des Formates den Kindern die Freiheit lässt zu machen, worauf sie auch wirklich Lust haben. Drei- bis viermal jährlich machen wir mit den Kindern einen grösseren Ausflug, was jeweils mehr Planung benötigt. So fuhren wir beispielsweise mit dem Car in den Tierpark Arth-Goldau, bestaunten im Verkehrshaus die Lokomotiven, planschten im Hallenbad Allmend um die Wette und besuchten den Kindernachmittag des B-Sides-Festivals.

Das Ziel unseres Vereins ist in erster Linie, ein Betreuungsangebot für die Kinder von Asylsuchenden schaffen, damit sie und ihre Familien auch mal etwas «abschalten» können. Zudem können die Kinder dadurch mit den Vereinsstrukturen der Pfadi vertraut gemacht werden, die in der Schweiz anders und offener sind als in vielen anderen Ländern. Dies geschieht nicht zuletzt in der Hoffnung, dass die Kinder, wenn sie ihr definitive Gemeindezuteilung erhalten haben, ihr Engagement in der Pfadi fortsetzen.

Wir alle vom Leitungsteam sind überzeugt, dass eine langjährige Pfadimitgliedschaft ein Leben nachhaltig prägt und somit auch eine spielerische und dauerhafte Form der Integration von Geflüchteten darstellt.

Deswegen ist das zweite explizite Ziel von Pfasyl, dass wir neben den Aktivitäten auch Vermittlungsarbeit leisten. Vermittlungsarbeit bedeutet, dass wir aktiv den Kontakt mit den Pfadis oder «Jublas» (Jungwacht und Blauring) der neuen Heimatgemeinde unserer Teilnehmenden suchen und diese motivieren wollen, ihrerseits auf diese vielversprechenden und motivierten jungen Menschen zuzugehen, um sie für eine dauerhaftere Pfadimitgliedschaft zu gewinnen.

Das dritte, eher übergeordnete Ziel ist, dass wir durch Bildungs- und Motivationsarbeit die Gründung neuer Pfasyl-Abteilungen initiieren zu können. Wir besuchen regelmässig Jugend&Sport-Kurse der Pfadi, um jungen, engagierten Menschen aus anderen Kantonen zu zeigen, wie wir versuchen, Integrationsarbeit praktisch in einem Verein umzusetzen und wie sie das vielleicht ebenfalls tun könnten – ob mit oder ohne den Strukturen von Pfasyl. 

Wir glauben, dass bereits unsere Aktivitäten mit den Kindern positive Effekte für das Zurechtfinden der Kinder in der neuen Umgebung entfalten können, wissen aber zugleich, dass erst die Aufnahme in die lokalen Pfadis den vollen Effekt entfalten kann. Wenn dies auch in anderen Kantonen möglich würde, würden wir uns natürlich ausserordentlich freuen.

Nun könnte hier noch eine kurze Bestandesaufnahme gemacht werden, um dann den Blick etwas zu erweitern, damit unsere zugegebenermassen ambitionierten Ziele für die Zukunft noch etwas transparenter gemacht werden können.

Durch diverse Kooperationen (zum Beispiel mit dem Luzerner Symphonieorchester, mit dem Ferienpass, mit der Sommerbeiz des Treibhauses und mit dem B-Sides-Festival) wurde es uns möglich, den Kindern ein abwechslungsreiches Programm zu bieten, das auch immer wieder durch Intensivmonate und kleinere sowie grössere Ausflüge bereichert wird. Hier wollen wir in Zukunft nicht nachlassen, auf neue Ideen kommen und mit interessierten Institutionen zusammenarbeiten.

Die Vermittlungsarbeit hat erst richtig angefangen. Wir konnten einige Kontakte mit lokalen Pfadis knüpfen und so einigen Kindern den Einstieg in die Pfadi erleichtern. Die Vermittlung erwies sich als aufwändiger, als anfänglich gedacht, da viele Unklarheiten aus teils erschwerter Kommunikation entstanden. Durch den gezielten Einsatz von Dolmetschern, wenn dies nötig ist, möchten wir in Zukunft die Transparenz gegenüber den Eltern der Kinder erhöhen und dadurch auch das Vertrauen zwischen Pfadi und Familien steigern. So hoffen wir, dass das Pfadi-Engagement der Kinder in den Gemeinden, in die sie nach ihrem Aufenthalt im Durchgangszentrum ziehen werden, auch einen längerfristigen Charakter annimmt.

Mittlerweile konnte sich ein zweites Pfasyl-Leitungsteam formieren, welches in einem sehr ähnlichen Rahmen wie im Hirschpark mit dem Durchgangszentrum Rothenburg Pfadiprogramme durchführt.

Da sich das Leitungsteam sehr aktiv engagierte, begleitete das Luzerner Team nur die ersten Sitzungen, worauf sich das neue Team selbstständig organisierte. Dank ihrem tollen Einsatz ist es auch den Kindern im Durchgangszentrum Rothenburg möglich, erste Pfadierfahrungen zu erleben. Zudem wurde uns so klar, dass die Struktur auch bei Zentren funktionieren kann, bei denen vorgängig kein direkter Kontakt, wie es beispielsweise bei uns der Fall war, bestand. Dies motivierte uns auch, aktiv den Ausbau in anderen Kantonen voranzutreiben. Momentan gibt es in den Kantonen Bern und Basel Bestrebungen, PfadfinderInnen für die Gründung eines integrativen Angebots zu motivieren. So möchten wir in Zukunft weiterhin eng mit der Abteilung Rothenburg zusammenarbeiten, wozu eine Verbindungsleitung eingerichtet wurde. 

Wir danken herzlich allen (bisherigen) UnterstützerInnen des Projekts, SympathisantInnen und SpenderInnen, Stiftungen ebenso wie Privatpersonen, die uns durch finanzielle, ideelle und organisatorische Hilfe unseren Betrieb erst ermöglichen. Der Goodwill und die Unterstützung, die unserem Projekt immer wieder entgegenkommen überrascht und motiviert uns, weiterhin engagiert dabei zu sein. Merci pour tous! 

Johannes Truffer, Luzern

Der Verein Pfasyl ist dankbar für Spenden: IBAN: CH61 0077 8204 1703 1200 1. Auf Wunsch wird ein Einzahlungsschein per Post zugestellt. Bitte bestellen unter pfasyl@gmx.ch


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/