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Kolumne der Redaktion

24.02.2018

Vom Spenden und vom Sparen

Nachstehender Text, mit dem ich neulich eine Lesung zugunsten der Stiftung Tramhüsli in Emmen eröffnete, wurde von der Redaktion von zentralplus.ch abgelehnt. Das Onlinemagazin, das «Zentralschweizer Literaten eine Plattform» bietet, «ihre Texte mit uns zu teilen und den aktiven Gedankenaustausch zu suchen», begründete dies dreimal auf drei unterschiedliche Weisen.


Die Redaktion von zentralplus.ch hat sich dreimal geweigert, den nebenstehenden Text Emmer Autors von Beat Portmann online zu stellen.

Rechts im Bild: das alte Tramhüsli, in dem seinerzeit das Tram von und nach Luzern und nachher der Bus gewendet hatte.

Zuerst hiess es, die Redaktion habe «im Moment kein Gefäss» dazu; dann, dass sie «noch nie eine Lesung veröffentlicht» habe; und beim dritten Mal, dass sie in ihren «Blogs keine Spendenaufrufe zulassen» wolle.

Dass ein Text, der an einer Lesung vorgetragen wird, die Gattungsbezeichnung Lesung erhält, ist mir neu, und dass er deshalb nicht veröffentlicht werden kann, schleierhaft; aber noch mehr erstaunt mich, dass ein Text, der sich kritisch mit dem Spendenwesen befasst, kurzerhand zu einem Spendenaufruf umgedeutet wird.

Handelt es sich um bedauernswerte Inkompetenz, wie aus Insiderkreisen mildernd verlautet, oder steckt – zentralplus.ch hängt bekanntlich am Tropf des im Text kritisch beleuchteten Spendenwesens – allenfalls mehr dahinter? Beurteilen Sie selbst.  

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Lassen Sie mich diese Lesung mit einer Frage beginnen. Warum sind wir heute hier? Warum haben wir uns an diesem Mittwochabend zwischen Gerliswilstrasse und Bahngeleise eingefunden? Nicht alle werden zum ersten Mal in den Räumlichkeiten der MN Brew sein, und das mit gutem Grund – aber dazu kommen wir später.

Nun, vordergründig sind wir hier, weil Sie sich entschieden haben, einen unerhört hohen Betrag zu bezahlen, um an einer Lesung teilzunehmen und nebenbei eine gute Sache zu unterstützen (oder andersherum). Um was geht es bei dieser guten Sache?

Das «Tramhüsli», ein Zeitzeuge der Industrialisierung, Dreh- und Angelpunkt der Arbeiterströme, als in unseren Fabriken Tausende in Lohn und Brot standen, soll zu einem Treffpunkt, einem Ort der Begegnung, der Kultur und der Kulinarik werden, nachdem es bereits in einem bewundernswerten Kraftakt vor dem Abriss bewahrt werden konnte. 

Es gibt nicht viele solcher Orte in Emmenbrücke, dieser Dreissigtausend-Stadt am Zusammenfluss von Reuss und Emme; genau genommen fällt mir kein einziger ein. Erstaunlich eigentlich, dass das hiesige Bürgertum keinerlei Ambitionen zeigte, sein Selbstverständnis in der Errichtung kultureller Institutionen darzustellen, wie es doch sonst in weitaus kleineren Städten überall im ganzen Land üblich war und etwa in der Gestalt von Theatern noch heute sichtbar ist. Womöglich mangelte es unseren Patrons und Patriarchen an der nötigen kulturellen Affinität, oder es wurde jede Bestrebung in diese Richtung, einmal mehr, von der fluch- und segenhaften Nachbarschaft zu der Stadt reussaufwärts, diesem Emmen Süd mit Wasserturm und Kapellbrücke, aufgesogen. In der Touristenstadt ist und war es immer um einiges wirkungsvoller, seinem philanthropischen und bildungsbürgerlichen Sendungsbewusstsein Ausdruck zu verleihen. 

Jetzt also, am Übergang zu einer neuen industriellen Revolution, die, so viel lässt sich jetzt schon sagen, unsere Welt mindestens ebenso tief greifend und dauerhaft umgestalten wird, soll auch Emmen einen kulturellen Treffpunkt in Gestalt dieser heimatstiltümelnden Tramstation erhalten. 

Doch fehlt dazu, wie so oft und überall, das Geld. Weshalb es in kleineren und grösseren Beiträgen von auch ganz normalen Leuten gespendet wird. Und weil Künstler wie ich in der Regel ein eher brotloses Dasein fristen (oder, um es mit einem unserer Regierungsräte zu sagen: Der Lohn eines Künstlers ist der Applaus), stellen sie ihr Handwerk kostenlos zur Verfügung – spenden also ihre Zeit, die bekanntlich noch wertvoller ist als Geld. Aber warum fehlt das Geld? Warum kann die zweitgrösste Stadt der Zentralschweiz, stolze Erbin schweizerischer Industriegeschichte, Wohnort so vieler engagierter und zupackender Bewohner und Bewohnerinnen, im Moment der Zuversicht und des Aufbruchs zu einem so wichtigen und repräsentativen Begegnungsort wie dem Tramhüsli finanziell nichts beisteuern? Die Antwort liegt auf der Hand: Weil sie kein Geld hat. Sie hat zurzeit nicht einmal ein gültiges Budget. 

Man könnte sich jetzt mit Recht fragen, ob wir uns denn in einer derart verarmten Weltgegend befinden würden. Laut einer aktuellen Studie der Credit Suisse leben in der Schweiz 364 000 Millionäre, weltweit weist die Schweiz das höchste Durchschnittsvermögen auf. Gemäss der Bilanz leben von den dreihundert Reichsten der Schweiz sechsundfünfzig in der Region Zentralschweiz. Auch das ist überdurchschnittlich. Zusammen kommen sie auf 130 Milliarden Schweizerfranken. Das ist derart jenseits unserer Vorstellungskraft, dass wir nicht einmal Neid verspüren könnten, wenn wir denn dazu eine Neigung hätten. 

An mangelndem Wohlstand kann es also nicht liegen. Woran könnte es dann liegen?

In einer kürzlich gehaltenen Rede hat Christine Lagarde, geschäftsführende Direktorin des Internationalen Währungsfonds (IWF), die Regierungen der Mitgliedstaaten aufgefordert, das Problem der zunehmenden Ungleichheit entschiedener anzugehen. Zitat: „Wir alle haben gehört, dass heute das reichste Prozent der Welt die Hälfte des Vermögens besitzt.“ Die Ungleichheit von Chancen, Einkommen und Vermögen hemme das wirtschaftliche Wachstum, zerstöre Vertrauen und befeuere die politischen Spannungen auf der Welt. Lagarde rät deshalb, die Steuern für Reiche zu erhöhen, um damit die hohen Staatsschulden abzubauen und „stärkere soziale Sicherheitsnetze“ zu finanzieren. Das sind nicht die Worte einer linken Weltverbessererin, das, meine Damen und Herren, sind die Worte der Chefin des IWFs, des Zeremonienmeisters und obersten Glaubenshüters der reinen Marktlehre und des globalisierten Kapitalismus. 

Im Kanton Luzern weiss man es freilich besser als der IWF mit seiner riesigen Abteilung von Wirtschaftswissenschaftlern. Das heisst: Man weiss es nicht, man glaubt. Deshalb hält man an den tiefsten Unternehmensteuern schweizweit fest. Gemäss den Aufgaben- und Finanzplänen des Kanton Luzerns, so konnten wir neulich in der Zeitung lesen, beträgt der Verlust im Zeitraum von zehn Jahren, seit der Einführung der Tiefsteuerstrategie also, 1,4 Milliarden Franken, verursacht durch die Ausfälle im nationalen Finanzausgleich (NFA) und jene in der Firmensteuer. Deshalb jagt ein Sparprogramm das nächste, deshalb werden immer mehr Aufgaben an die Gemeinden überwälzt, deshalb kann die stolze Gemeinde Emmen keinen finanziellen Beitrag ans Tramhüsli leisten (sie kann zurzeit nicht einmal garantieren, die dringend notwendige Schulinfrastruktur für die wachsende Bevölkerung bereitzustellen).

Warum sind wir also hier? Um, zumindest punktuell, in die Lücke zu springen, die durch das gezielte fiskalische Ausbluten der öffentlichen Hand entsteht. Wir leisten sozusagen Erste Hilfe. Die einen von uns tun es als persönliche Nutzniesser dieser Politik, weil sie als Unternehmer oder Liegenschaftsbesitzer Steuern sparen; die anderen tun es als solche, die ganz konkret von den Kürzungen und Sparübungen betroffen sind. Doch ob wir nun davon profitieren oder nicht, entscheidend ist, ob wir diese Art von Politik unterstützen. Denn man kann sehr wohl Nutzniesser sein und diese Politik trotzdem nie gewollt haben und auch weiterhin ablehnen. Das ist der entscheidende Unterschied zu jenen, die diese Politik befürworten und von ihr profitieren und sich dann mit einem Bruchteil des eingesparten Gelds als grosszügige Spender profilieren. 

Die Frage ist also, ob man spendet und sich trotzdem in seinem persönlichen Aktionsradius dafür einsetzt, dass sich an den Verhältnissen etwas ändert, oder ob man eben gerade diese Verhältnisse zementiert, indem man sie mit seiner Spende beschönigt.

Warum sind wir heute hier? Nicht nur, und vielleicht auch erst in zweiter oder dritter Linie, aber ich meine auch aus folgendem Grund: Ich will dazu einen oft bemühten Satz von Warren Buffett zitieren, dem drittreichsten Mann der Welt und spendefreudigen Grossinvestor. Buffett sagte in einem Interview: „Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen.“ Es geht also heute Abend auch um die Frage, auf welcher Seite wir in diesem Krieg Stellung beziehen.

Ich habe auch schon für weniger Gage gelesen, als ein einziges Ticket heute gekostet hat, und wenn ich nun sozusagen für Gottes Lohn lese, dann deshalb, weil ich mich entschieden habe, auf welcher Seite ich stehe.

Doch muss ich mich korrigieren: Ich mache es nicht für Gottes Lohn. Nicht ganz. Ich bestehe nämlich darauf, als Gage einen „ewigen“ Eintrag auf der Sponsorentafel im sanierten Tramhüsli zu erhalten, um mit meinem Namen dort die Ordnung der spendablen Profiteure, die für gewöhnlich unter sich bleiben, nachhaltig zu stören. Das haben Sie auch mit Ihrer Spende bewirkt. Und dafür danke ich Ihnen.

Beat Portmann, Emmen


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/