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Kolumne der Redaktion

25.12.2017

Zwei Saftwurzeln in Hochform – eine weihnächtliche Begegnung der anderen Art

Man kennt Wetz vom KKLB auf dem Gelände des legendären Landessenders Beromünster. Und man kennt Xaver Vogel, den Sekundarlehrer vom Menzberg, mehrfachen Buchautor und kantigen Katholiken. Aber es war im voraus schwer vorstellbar, was sich die Beiden – erstens überhaupt und zweitens ausgerechnet am 24. Dezember – zu sagen haben würden.


Hier folgen Bildlegenden.

Bilder: Herbert Fischer

Und ob sie sich was zu sagen hatten! Hier Werner Alois Zihlmann (56), alias Wetz, der gelernte Bauzeichner und Psychiatriepfleger aus Wolhusen, Gründer und Chef des seinerzeitigen KKL Uffikon und seit sieben Jahren des KKLB in Gunzwil (in dessen Gemarkungen genau genommen der einstige Landessender Beromünster gelegen hatte), Kultur-Tausendsassa, begnadeter Erzähler und international gefragter Künstler; dort Xaver Vogel (63), einer der noch ganz wenigen, kantonsweit bekannten Christlichsozialen mit jahrzehntelanger politischer Erfahrung. Gemeinsam ist ihnen, dass sie zu jener immer rareren Spezies von kämpferischen Humanisten gehören, die ihre Ideale und Visionen unerschütterlich verfolgen und praktizieren, sich nicht biegen, nicht beugen und schon gar nicht brechen lassen. 

Warum aber – um Himmels Willen! – sollte Xaver Vogel ausgerechnet am Tag des Heiligen Abends Gast des jeweils sonntäglichen Talks mit Führung durch die heiligen Hallen des einstigen Landessenders und heutigen grössten Kunsthauses sein? Warum soll dieser wichtige katholische Festtag ausgerechnet in einer der weit und breit bekanntesten Brutstätten gesellschaftspolitischer Diskurse und jedwelcher kultureller Entfaltungen thematisiert werden?

Als Wolhusens Jugend einen eigenen Raum erhielt 

Ganz einfach: Wetz engagierte sich als junger Wilder in den Siebziger Jahren im Jugendteam Wolhusen, welches der Jungwacht entsprossen war und bei der örtlichen Kirche einen Raum für eigene Veranstaltungen erkämpfen konnte. Und zwar entgegen der Skepsis des damaligen Pfarrers. Darum engagierte sich Xaver Vogel als Mitarbeiter der Pfarrei für die Jungen und war bereit, als Verantwortlicher für einen gesitteten Betrieb zu amten. Man einigte sich beispielsweise darauf, dass kein Alkohol fliessen werde, dafür wurde – hinter Vogels Rücken – gekifft und das offenbar nicht zu knapp. Wetz witzelt: «Etwas Entspannung musste halt doch sein.» Und man brachte Konzerte zustande, das Pfarreiheim Andreas wurde zu einer kreativen Drehscheibe, zum Beispiel mit dem Auftritt eines damals noch kaum bekannten Berner Barden, eines gewissen Stephan Eicher. 

Trotz Grosskampftag am Napf schnell ins KKLB 

Wetz fand nun, einer wie «Vogelxaver», der sich schon so lange und so pointiert in Kirche, Gesellschaft und Politik engagiere, habe doch gewiss genau am 24. Dezember bestimmte Botschaften parat, die er im lockeren Rahmen dieser sonntäglichen KKLB-Führung geschickt zu platzieren wissen werde.

Und das, obschon Vogel ausgerechnet dieses Datum längst als Grosskampftag reserviert hatte. Denn weil Menzberg zurzeit ohne Pfarrer ist und Vogel dort bestimmte seiner Aufgaben übernimmt, hatte er bei seinem nachmittäglichen Auftritt einen von insgesamt drei Gottesdiensten dieses Tages bereits hinter sich. Die Einladung aber ehrte ihn und er fand letztlich auch das Datum sinnvoll, sodass er zusagte, wenn auch nur für ein sehr kurzes Gastspiel.

Witzig und würzig, hinter- und tiefsinnig

Dieser Prolog ist hier darum der so ausführlichen Rede wert, weil dieser Auftritt wohl kaum so witzig und würzig, zugleich aber so hinter- und tiefsinnig herausgekommen wäre, wenn er nicht eben genau diese spezielle Vorgeschichte hätte. 

Xaver Vogel ist unermüdlich und unerschütterlich, wenn er den Sinn des Seins ergründet und am Christentum festmacht. Für ihn nämlich ist vor 2000 Jahren «nicht einfach Kind geboren worden». Vielmehr handle es sich beim Jesuskind nach heutiger Lesart «um einen Sozialfall», dessen Familie flüchten musste, auf die niemand gewartet hatte und das am Schluss sogar am Kreuz zu Tode kam; Xaver Vogel sagte, Jesus habe, «ein miserables Leben» gehabt. Und er zog Parallelen zuhauf zu heutigen Realitäten in der Gesellschaft, beschwor die Botschaft der Nächstenliebe und präzisierte: «Damals ist in Bethlehem nicht allein ein Mensch, sondern eine Idee geboren worden». Dass sie nicht verstummt, ist das Kernanliegen dieses Katholiken vom Napf, wofür er sich auch immer wieder schriftstellerisch ausdrückt und mitteilt; wiewohl auch er mitunter seine liebe Mühe mit der Institution Kirche bekundet, etwa «dem ganzen Kreuzritter-Zeugs». Nichts aber könne ausblenden, «wie viel Gutes» im Katholizismus wurzle. 

Papst-Kritiker und Visionär Hans Küng als Kompass

Erst recht sieht er im global respektierten Theologen und Philosophen Hans Küng aus Sursee und seiner Vision vom Weltethos einen Kompass. Xaver Vogel sagte, es sei rückblickend «eine Gnade», dass der Papst 1979 dem damaligen Tübinger Theologieprofessor die Lehrerlaubnis entzogen hatte, denn das erst habe ihn vom Vatikan und dessen Dogmen entfesselt und ihm ermöglicht, so zu wirken, wie er das seither gemacht hat. 

Xaver Vogel hat übrigens ab und zu so seine eigenen Probleme mit «dem lieben Gott», denn er findet, «nicht alle Menschen sind von ihm wirklich toll erschaffen worden». Sonst gäbe es nicht so viel Hass, Hunger, Krieg und anderes Elend auf dieser Welt und in dieser Zeit.

Man muss kein bekennender Katholik (mehr) sein, um zu erkennen: was Wetz und Xaver Vogel am Sonntag binnen 30 Minuten geboten haben, war eine Lektion in Ethik, Religion und Religionsgeschichte vom Feinsten, eine homöopathische Dosis zwar, aber voller kräftiger Ingredienzien; verabreicht von zwei Saftwurzeln, die sich gegenseitig zur Hochform steigerten. 

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, im April 2005 aus Protest gegen die Wahl von Joseph Ratzinger zum Papst aus der Katholischen Kirche ausgetreten, Luzern

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Wetz (eigentlich: Werner Alois Zihlmann) ist heute einer der gefragtesten Schweizer Künstler im In- und Ausland. Er betreibt zusammen mit 44 MitarbeiterInnen im KKLB ein Kunsthaus, welches in Kunstkreisen in ganz Europa auf grosse Beachtung stösst. Es gibt – laut ihm – in ganz Europa kein anderes Kunsthaus auf dem Lande, das eine solche künstlerische Qualität (und auch keines, das so viele Kunsträume) aufweist. Siehe unter «Links».


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/