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Kolumne der Redaktion

14.10.2017

Ist bereits ein Miesmacher, wer vom Bürgenstock Resort und der Mall of Switzerland nicht hell begeistert ist?

Die beiden Grossprojekte auf dem Bürgenstock und im Rontal werfen sehr grundsätzliche Fragen auf, die aber erstaunlicherweise kein wirkliches öffentliches Thema sind


Das Luftbild der Gesamtanlage bestätigt es: Der landschaftlich zauberhafte Ort ist auf lange Frist massiv verbaut.

Sozusagen in Sichtweite stehen zwei Grossprojekte kurz vor der Vollendung: das Bürgenstock Resort und, im nahen Rontal, die Mall of Switzerland. Zusammen kosten sie rund eine Milliarde Franken.

Das Kapital kommt aus Katar und Abu Dhabi, zwei begüterten Stadtstaaten am Persischen Golf, wo Scheiche und Superreiche den Ton angeben und Hunderttausende von Gastarbeitern aus Südasien unter teilweise miesen Bedingungen den Dreck machen.

Die beiden Projekte sind von Medien und Wirtschaftskreisen schon hinlänglich mit allen möglichen Superlativen bedacht worden – unnötig also, weitere beizusteuern. Nur dies als Fazit: Es wurde und wird an beiden Orten mit der ganz grossen Kelle angerichtet. Vermutlich sollte man sich darüber freuen. Aber es gelingt mir nicht.

Auf dem Bürgenstock besetzt das neue Resort mit vier Hotels, 67 Luxuswohnungen, zwölf Gastrobetrieben, Läden, Sportanlagen und einem Medizinal- und Wellnesskomplex die einmalig schöne Krete über dem Vierwaldstättersee. Diese wird zwar für Gewöhnlich-Sterbliche weiterhin zumindest teilweise zugänglich sein. Doch das Luftbild der Gesamtanlage bestätigt es: Der landschaftlich zauberhafte Ort ist auf lange Frist massiv verbaut. Man darf, zum Trost, hoffen, dass einheimische Betriebe dank Qualitätsarbeit anständig verdienen konnten. Zudem sind neue Arbeitsplätze geschaffen worden, die allerdings nur zum Teil durch einheimisches Personen besetzt werden können.

Ob die Investition aus Katar langfristig und nachhaltig ist, steht auf einem anderen Blatt. «Ein Renditeobjekt wird es wahrscheinlich kaum werden können», erklärt Hanna Rychener Kistler, Direktorin der Höheren Fachschule für Tourismus in Luzern, in einem Interview mit der «Zentralschweiz am Sonntag». Das Phänomen kenne man von vielen Prestige-Fünf-Sterne-Häusern: «Diese brauchen in der Mehrheit der Fälle einen Mäzen, der die Finanzierung sichert – zum Glück gibt es diese! Aus eigener Wirtschaftlichkeit haben es solche Objekte schwer zu existieren.» 

Die Aussage lässt aufhorchen: Der gehobene Tourismus in der Schweiz, einem der bestsituierten Länder der Welt, ist auf Gönner aus dem Ausland angewiesen! «Mäzen» nennt man laut Duden übrigens eine vermögende Privatperson, «die Künstler oder Sportler respektive Kunst, Kultur oder Sport mit finanziellen Mitteln fördert».

Im Fall Bürgenstock ist es nicht eine Privatperson, sondern der Staatsfonds von Katar, der sich so freigebig gebärdet. Und das Objekt ist, bei allem Respekt vor architektonischen Leistungen, wirtschaftlicher Natur. Oder halt einfach ein Prestige-Objekt. Was aber, wenn es dem Mäzen nach einigen Jahren plötzlich verleidet? Es wäre nicht die erste Hotelruine in der Zentralschweiz, aber wohl die grösste in der Geschichte unseres Tourismus.

Beim neuen Shopping Center in Ebikon, der künftigen Nummer zwei in der Schweiz, drängen sich ähnliche Fragen auf. Zwar lässt sich im völlig zersiedelten Rontal, dem Tal meiner Jugendzeit, die Landschaft nicht mehr beschädigen – sie ist es schon.

Dass die über vier Millionen Besucher, die in der «Mall» das Jahr hindurch erwartet werden, viel Verkehr verursachen werden, steht fest. Ob hingegen der neue Konsum- und Erlebnistempel wirklich rentieren wird, ist alles andere als sicher. In Fachkreisen spricht man von einem «Auslaufmodell».

Das Konzept des Shopping Centers habe sich überlebt, sagt beispielsweise der Unternehmensberater Thomas Lang gegenüber der «NZZ». In Ebikon versucht man den Einkauf mit Kinos, einer «Surf-Welle» und weiteren Attraktionen zu versüssen. Das dafür notwendige Kapital, rund 450 Millionen Franken, kommt aus Abu Dhabi. Auch dort scheint man sich keine Sorgen um die Nachhaltigkeit der Investition zu machen. Hauptsache, das Geld ist in einem sicheren Land parkiert.

Mich erstaunt bloss, dass die Herkunft des Kapitals die Bevölkerung offenbar kaum beschäftigt. Jene Leute, die nur schon beim Anblick eines Kopftuchs hyperventilieren und ihrer Skepsis gegenüber dem Islam bei jeder Gelegenheit – auch mit dem Stimmzettel – Ausdruck verleihen, haben bis jetzt fast durchwegs geschwiegen.

Dabei wäre nicht der Islam als solcher zu hinterfragen, sondern, unter anderem, die problematische Rolle der Golfstaaten und des von ihnen gestützten Wahhabismus in den blutigen Auseinandersetzungen im Nahen Osten. Solches Unbehagen kann und will ich nicht verdrängen. Dazu kommt eine angeborene Abneigung gegen zur Schau gestellten Luxus, Grössenwahn und Ressourcenverschleiss. So kann ich mich beim besten Willen über die beiden Mega-Projekte nicht freuen. Bin ich nun deswegen ein Nörgler und Miesmacher? Ich nehme es in Kauf.

Hans Moos, Ballwil 


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/