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Kolumne der Redaktion

09.09.2017

Die Anhängerzüge der VBL haben ausgedient

Was bei den Bahnen die Regel ist, findet man auf Strassen immer seltener: Busse mit Anhängern für den Fahrgastverkehr. Einst verbreitet, werden sie heute zumeist durch Gelenkfahrzeuge ersetzt. Heute Samstag (9. September) wurden sie in Luzern verabschiedet.


In Erinnerung an den Trambetrieb der Linie 2 (umgestellt auf Trolleybus am 14. / 15. November 1959) verkehrte der Anhänger-Trolleybuszug heute Samstag (9. September 2017) auf der Linie 2.

Bei der alten Wendeschleife Emmenbrücke-Gerliswil (heute Central) vor dem legendären «Tramhüsli» gab es selbstverständlich auch einen Fotohalt.

Das letzte Wendemanöver auf dem Bahnhofplatz in Luzern.

Bilder: Mario Gavazzi

Möglich, dass sie vereinzelt in den kommenden Wochen noch zum Einsatz kommen, bis die letzten Ersatzfahrzeuge in Gestalt der Doppelgelenk-Trolleybusse eintreffen.

Zur Zeit der Strassenbahnen gehörten sie zum Alltag, auch bei den VBL-Autobuslinien waren sie bis 1974 in kleinen Stückzahlen unterwegs: Anhänger im Personenverkehr. Dann machten ansteigende Fahrgastzahlen Gelenkfahrzeuge notwendig und heute prägen immer mehr Doppelgelenkbusse das Strassenbild des öffentlichen Verkehrs. Umso erstaunlicher, haben die VBL nach einer kurzen Vorlaufphase ab August 1998 die ersten sieben Anhänger den Betrieb vorerst auf der Linie 1 in den Hauptverkehrszeiten Montag bis Freitag aufgenommen. Sie ergänzten die Gelenkfahrzeuge auf dieser immer stärker benützten Linie (Obernau-Kriens-Maihof). 2002 und 2005 kamen zwei weitere Serien dazu, insgesamt verkehrten 16 Anhänger mit den Betriebsnummern 301 bis 316. Sie verkehrten im Laufe der Zeit ganztägig und am Schluss ihrer Betriebszeit traf man sie auf den Linien 8 (Hirtenhof-Würzenbach) und teilweise sogar auf der Linie 6 nach Büttenenhalde an.

Komfortmässig gehörten sie sicher nicht «der obersten Liga» an, aber ihr Einsatz war dringend notwendig zur Erhöhung der Kapazitäten dank steigender Nachfrage.

Luzern wächst längst über die Grenzen hinaus das ist für den öffentlichen Verkehr insgesamt eine Herausforderung. Das und die technische Entwicklung ganz allgemein verlangte auch von den Luzerner Verkehrsbetrieben stets eine Anpassung des Fahrparks.

Und genau hier liegt ein Grund für die vergleichsweise späte Beschaffung der nun abtretenden Generation von Anhängern: Die Beschaffung einer grossen Trolleybus-Serie in den Jahren 1987 bis 1991. In einer ersten Phase ersetzten 16 Gelenk- und 30 Zweiachsfahrzeuge die alten Trolleybusse aus der Umstellungszeit Tram-Bus und die erste Serie Gelenktrolleybusse von 1965/66. Schon kurz nach der Ablieferung dieser Busse zeigte sich, dass man mehr Gelenkwaren anstelle der Zweiachser hätte anschaffen müssen. Das löste 1991 eine Zusatzbeschaffung von weiteren sechs Gelenkwagen gleichen Typs aus. Der zunehmende Druck steigender Frequenzen und auch der politische Wille, dem öffentlichen Verkehr zunehmend den Vorzug zu geben, trugen zur kreativen Übergangslösung mit den Anhängern bei.

Anfang der 1980-er-Jahre zeichnete sich sowohl beim Autobus- wie beim Trolleybusbetrieb ein umfassender Fahrzeugersatzbedarf ab. Ab Herbst 1983 beschafften die VBL moderne Gelenk- und Zweiachsautobusse. Sie verfügten noch über keine Niederflureinstiege, ihr Komfort übertraf aber alles Bisherige.

Dieser Qualitätsfortschritt zeigte sich noch mehr bei der schrittweisen Inbetriebnahme der Gelenk- und Zweiachstrolleybusse ab Dezember 1987.

Bei der Einweihung des ersten Fahrzeuges kurz vor Weihnachten vor 30 Jahren freute sich der damalige Direktor Kurt Frei nicht zu Unrecht über die Tatsache, dass die VBL-Fahrgäste künftig „nur noch in Erster Klasse in Luzern unterwegs sein dürfen“. Das Verdienst dazu konnten sich sowohl die Industrie wie auch die Abteilung Technik der VBL unter dem damaligen Chef, Ingenieur Walter Sennrich, auf die Fahnen schreiben.

Auch technisch waren sie eine Neuerung: Erstmals überhaupt verfügte ein Trolleybustyp die Möglichkeit der so genannten Rekuperation: Wie schon bei der Eisenbahn kann seither aus Trolleybussen die frei werdende elektrische Energie beim Bremsvorgang wieder in das Netz zurückgespiesen werden. Die Laufruhe der Busse überzeugte ebenso und wer Gelegenheit hat, die letzten Fahrten in diesen Tagen zu geniessen, spürt das geräuscharme Reisen der Busse auch nach fast 30 Jahren! Qualität pur und insofern auch nachhaltig. 

Dank dieser Qualität können einige Zugwagen und Anhänger weiter existieren. Einige Anhänger fahren beim Postautobetrieb (!) oder finden in Deutschland Verwendung. Ein Teil der Zugwagen verkehrt bereits in der chilenischen Stadt Valparaiso, die restlichen in Luzern verbliebenen Busse werden im Herbst auf dem Seeweg nach Südamerika verbracht.

Mit einer Ausnahme: Wagen 280 bleibt im Bestand des Vereins vbl historic erhalten. Die Gelenktrolleybusse hingegen wurden mit einer Ausnahme verschrottet. Der Verein Rétrobus Léman hat sowohl einen Gelenk- wie einen Zweiachstrolleybus aus Luzern in den Bestand der historischen Fahrzeuge aufgenommen.

Und wer noch Anhängerbetrieb bei Bussen erleben will, hat Gelegenheit dazu in Zug, wo auf den beiden Berglinien 1 (Oberägeri) und 2 (Menzingen-Kreuzegg) regelmässig Autobus-Anhängerzüge im Einsatz stehen. Und in Lausanne stehen bis auf weiteres noch ähnliche Anhängertrolley-Buszüge wie in Luzern fahrplanmässig in Dienst.

Mario Gavazzi, Luzern

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Quelle: Jubiläumsschrift 75 Jahre Trolleybus in Luzern, verfasst von Roman Zai und Sandro Flückiger iim Auftrag der VBL (2016, erhältlich bei den VBL). 


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/