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Kolumne der Redaktion

30.08.2017

So argumentiert das Komitee für die «Fremdsprachen-Initiative»

Heute Mittwoch (30. September) hat im Hotel Ibis in Luzern das Komitee für die «Fremdsprachen-Initiative» seine Argumente präsentiert. Hier sind sie im Wortlaut zu lesen.


Der Flyer der Initianten (siehe auch unter «Dateien»).

Die schlechten Ergebnisse bei der Fremdsprachenevaluation, welche die Innerschweizer Bildungsdirektorenkonferenz in Auftrag gegeben hat, rufen nach Korrektur der geltenden Fremdsprachenstrategie. Die erste Fremdsprache wird nach der dritten Primarklasse und die zweite Fremdsprache nach der fünften Primarklasse eingeführt. 

Die Erziehungsdirektoren-Konferenz (EDK)hat in dieser Frage 2004 einen politischen Entscheid gefällt, der den Kindern nicht entspricht. 

Die entwicklungspsychologische Situation der Primarschüler lässt den erwarteten Erfolg im Fremdsprachenlernen gar nicht zu. In diesem Alter müsste die Sprache in der entsprechenden Fremdsprachenumgebung und in täglichen Lektionen erteilt werden können. Diese Gelingensbedingungen wurden immer gefordert, sie sind aber nicht umsetzbar.

Frust, Misserfolgserlebnisse und Lernschwierigkeiten bei der Mehrheit der Lernenden brechen definitiv aus, wenn in der fünften Primarklasse eine zweite Fremdsprache dazu kommt. Die Initiative will diese zweite Fremdsprache in die Zeit verschieben, wo die Hirnentwicklung im Oberstufenalter dazu bereit ist. In der Primarschule wird dadurch Platz frei für mehr Deutschunterricht und für MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik). 

Die Lernziele können bis Ende der Volksschulzeit ohne zusätzliche Lektionen erreicht werden, weil das analytische und abstrakte Denken entsprechend entwickelt ist. 

Die Volksschule ist und bleibt Kantonsangelegenheit. Die Ausgestaltung des Fremdsprachenunterrichts und auch des Lehrplanes 21 geschieht weiterhin föderalistisch und bietet keine unüberwindbaren Schwierigkeiten.

Das Abstimmungskomitee ist davon überzeugt, dass im Fremdsprachenlernen ein grosses Problem aufgetaucht ist und jetzt auch erkannt wird. Es wehrt sich gegen kostspielige Anpasssungen, welche dem entwicklungspsychologischen Aspekt dennoch nicht Rechnung tragen. Das ist nur durch die Verschiebung einer Fremdsprache auf die Oberstufe möglich. Das will die Initiative.

Wenn die Initiative angenommen wird, was das Komitee hofft, tritt in der Volksschule im Fremdsprachenlernen dringend Ruhe ein. Die Kinder können gemäss ihren Entwicklungsvoraussetzungen Sprachen lernen und die Eltern werden entlastet. Sie sind jetzt gefordert, die Kinder in ganz schwierigen Situationen begleiten zu müssen, die durch diese Fremdsprachenstrategie grosse Sorgen und Frust bereiten.

Das Komitee sagt JA zu zwei Fremdsprachen auf der Volksschule. Es sagt JA zu den Lernzielen, die einen guten Einstieg ins Berufsleben oder in einen Sprachaufenthalt oder weiterführende Schulen ermöglichen.

Es spricht sich für ein erfolgreiches und kindergerechtes Sprachenlernen auf der Volksschule aus. Schliesslich entstehen so keine Kosten mehr für Dispensen und für weitere Massnahmen, um die jetzt erkannte Misserfolgssituation kostspielig zu verändern. 

Das Komitee geht von keinen grossen Mehrkosten für eine Umstellung vom 3/5- auf das 2/7-Modell aus. 

Xaver Vogel, Leiter der Abstimmungskampagne JA zur Fremdspracheninitiative, Menzberg

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Vor kurzem ist aufgezeigt worden, dass eine Verschiebung des Lateinunterrichtes am «Gymi»˛ nach oben kostenneutral leistbar sei. Das müsste auf der Volksschule auch zutreffen. Die Misere mit dem jetzigen Modell führt immer mehr zu Dispensen in einer Sprache. Die Dispensierten werden alternativ unterrichtet. Das generiert unnötige Mehrkosten. Nach den unerwartet schlechten Evaluationsresultaten will die Politik jetzt Massnahmen zur Verbesserung ins Spiel bringen. Das ist nicht kostenlos zu haben, ist völlig unnötig und wird die Defizite nur marginal korrigieren. 

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass das heutige Model Mehrkosten generiert und nicht unsere Initiative. 

Jakob Lütolf, Altkantonsrat CVP, Präsident Luzerner Bauernverband, Wauwil

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Es gilt, von einem politischen Fremdsprachen-Konstrukt von zwei Fremdsprachen in der Primarschule (Modell 3/5) Abschied zu nehmen. Eine zweite Fremdsprache soll auf die Oberstufe verschoben werden: Modell 3/7. Das ist in der Entstehung von vielen Kräften favorisiert worden, damals auch von der CVP Kanton Luzern. Das 3/7-Modell trägt den entwicklungspsychologischen Erkenntnissen Rechnung. 

Bis zum fünften Lebensjahr geht die Sprachentwicklung mit der Hirnentwicklung einher. Zwei Sprachen etablieren sich in diesem Alter als kleinkindliche Sprachentwicklung problemlos und führen zu mehrsprachigen Kindern.

Eine weitere Hirnentwicklung folgt erst in der Pubertät (zirka ab elf Jahren) und ermöglicht im Spracherwerb abstraktes und analytisches Sprachenlernen. 

In der Zwischenzeit müsste Sprachenlernen täglich in der entsprechenden Fremdsprachenumgebung erfolgen können und nicht in zwei bis Lektionen. Alle Fachleute haben seit zehn Jahren von Gelingensbedingungen gesprochen, welche nie da waren und die man sich auch nicht leisten kann. Es wäre wie in den erfolgreichen Ländern mit zwei Fremdsprachen in der Primar: täglich Fremdsprachenunterricht und Unterricht in Kleingruppen und ein mehrsprachiges Umfeld. Eine zweite kurz vor der Pubertät ist mit Misserfolg gekrönt. Wie die katastrophalen Resultate der Innerschweizer BKZ - Studie bestätigen.  (???)

Das führt bei den meisten Kindern fast zu einer Explosion mit Frust, Misserfolg und Lernproblemen. Es passiert vergleichbar das, was geschehen würde, wollte man in der vierten oder fünften Primarklasse den Pythagoras oder den Thaleskreis einführen. 

Annamarie Bürkli, Präsidentin Luzerner Lehrerinnen- und Lehrerverband (llv) Menzberg

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Schülerinnen und Schüler der Primarstufe sollen eine ganzheitliche Bildung erleben und in allen Bereichen gleichwertig gefördert werden. Sie müssen nicht nur in Sprachen, sondern auch in Mathematik, Naturlehre und Technik, in Gestaltung, Musik und Bewegung sowie in Medien-, Sozial- und Selbstkompetenz erforderliches Grundwissen und entsprechende Kompetenzen erwerben. 

Für die Ausbildung auf der Primarstufe wünschen wir uns das Prinzip «weniger ist mehr». Das Erlernen einer ersten Fremdsprache in der dritten Klasse erleben die allermeisten Kinder als spannend und sie sind entsprechend motiviert.

Diese erste Fremdsprache soll jedoch zuerst unter guten Rahmenbedingungen und mit genügend Ressourcen gefestigt werden, bevor dann auf der Sekundarstufe I eine weitere Fremdsprache in Angriff genommen wird.Die Initiative richtet sich nicht gegen die Mehrsprachigkeit. Unsere Kinder sollen während der Volksschule zwei Fremdsprachen lernen und nach neun Schuljahren beide Sprachen in gleicher Kompetenz beherrschen. Genau wie es das Bundessprachengesetz von den Kantonen verlangt. Allerdings ist es uns wichtig, dass dies fundiert, unter guten Bedingungen und basierend auf einer soliden Kenntnis der Muttersprache Deutsch geschieht. Nur sind die Deutschkenntnisse der Primarschulkinder alles andere als gesichert. Denn im Zuge der Einführung zweier Fremdsprachen bereits auf der Primarstufe wurden neben anderen Fächern auch die Deutsch-Lektionen reduziert.

Trotz grossem personellem und finanziellem Aufwand wurden die Ziele des Fremdsprachenunterrichts auf der Primarstufe bei weitem nicht erreicht. Das zeigen kürzlich durchgeführte Erhebungen ganz klar. Die Resultate sind vernichtend, nicht nur im Kanton Luzern. Und das beweist deutlicher als alles andere: Das System ist falsch, Aufwand und Ertrag stehen in keinem Verhältnis, es braucht eine Korrektur.

Der Sprachenkompromiss der Erziehungsdirektorenkonferenz aus dem Jahre 2004 war ein fauler Kompromiss, ein Fehler auf Kosten der Primarschulkinder. Dieser Fehler kann mit der Annahme der Initiative "eine Fremdsprache auf der Primarstufe" korrigiert werden. Hier könnte der Kanton Luzern eine Vorreiterrolle einnehmen, denn was alle tun, muss nicht zwingend richtig sein. Und eines ist ganz sicher: Kinder sind wichtiger als politische Kompromisse.

Trix Dettling, Primarlehrerin, Buchrain

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Die Globalisierung schreitet voran. Die Wirtschaft braucht deshalb zunehmend Mitarbeitende mit guten Französisch- und Englischkenntnissen. Das heisst, dass die Fremdsprachen für unsere Jugend wichtiger werden. Wenn ich mit Unternehmern spreche, so sind sie zuerst immer klar für das bestehende System. Englisch ab der dritten Klasse und ∞Franz˛ ab der fünften Klasse, das klingt toll. Wenn man das mit seiner eigenen Volksschulzeit vergleicht, sieht man hier einen Fortschritt. Mir ging es anfänglich gleich.

Wenn man sich aber dann mit der Erreichung der Lernziele auseinandersetzt, so wechselt schrittweise die Meinung. 70 Prozent der Schüler erreichen im Kanton Luzern Ende Schulzeit die Lernziele nicht. 70 Prozent - und dies seit Jahren! Das zeigt eine Studie, welche notabene von den Erziehungsdirektoren selber in Auftrag gegeben wurde. Nüchtern betrachtet besteht grosser Handlungsbedarf. Zu bestimmen, was genau geändert werden muss, ist letztlich nicht Sache der Wirtschaft. Diese ist einfach darauf angewiesen, dass das System funktioniert und die Lernziele erreicht werden. Das heutige System wäre eigentlich aus Sicht der Wirtschaft wünschbar, aber offensichtlich ist es nicht machbar.

Das System wurde damals als sogenannter «Sprachenkompromiss» eingeführt. Weil man sich nicht für eine Sprache entscheiden konnte, nahm man beide. Heute ist offensichtlich, dass der Kompromiss gut gemeint, aber leider untauglich war. Man muss also korrigierend eingreifen. Das ist mühsam und ärgerlich, aber nötig. Es hat sich gezeigt, dass solide Kenntnisse in der Erstsprache Deutsch die Voraussetzung für den Erwerb einer Fremdsprache im schulischen Umfeld sind. Um dies zu erreichen, muss die zweite Fremdsprache auf die Oberstufe verschoben und dafür dort die Stundenzahl erhöht werden. Es ist davon auszugehen, dass damit bessere Erfolge erzielt werden. Die Schüler verlassen dann hoffentlich endlich die Volksschule mit den so wichtigen Fremdsprachenkenntnissen. Nur damit ist sichergestellt, dass sie dann wiederum in der Berufsbildung oder in den weiterführenden Schulen ihre Ziele erreichen.

Die Wirtschaft ist grundsätzlich an überkantonalen Lösungen interessiert: sei dies bei der Mobilität, im Baurecht oder beim Energiegesetz. Eine Insellösung ist nicht anzustreben. Bei den Fremdsprachen scheint aber eine schweizweite Lösung schlecht möglich zu sein.

Die Ausgangslage ist einfach völlig anders, ob man in Bern, Basel-Stadt, Uri oder Graubünden wohnt. Deshalb ist die Volksschulbildung gemäss Verfassung Sache der Kantone. Gleichzeitig haben wir eine Vorgabe bezüglich einer Harmonisierung in der Verfassung. Diese bezieht sich aber auf die groben Linien: Anzahl Jahre in der Primar- und Sekundarstufe, die Lernziele nach Abschluss der Volksschule usw. Es gibt hier also bei dieser Initiative keinen Widerspruch zur Verfassung. Eine Insellösung ist explizit möglich, wenn sie Sinn macht. Das ist hier der Fall. 

Abschliessend eine Bemerkung zur Frage, welche Sprache in die Sekundarstufe verschoben werden sollte. Die Initiative hat diese Frage ganz bewusst ausgeklammert. Sie will zuerst klären, was quantitativ machbar ist. Die Regierung hat nun aber kommuniziert, dass Englisch in der Primarstufe abgeschafft würde. Das ist nur kampagnentaktisch motiviert. Mit dieser Aussage geht die Regierung zudem weit über ihre Kompetenz hinaus. Der Entscheid ist allein Sache des Kantonsrates. Da es dazu eine Gesetzesänderung braucht, gibt es zusätzlich ein fakultatives Referendum. Dann hätte also sogar das Volk das letzte Wort. Der Entscheid wäre ein sehr umstrittener. Aber diesen anspruchsvollen Prozess muss man in Anbetracht der miserablen Lernzielerreichung in Kauf nehmen. Der politisch bequeme Weg ist man mit dem Sprachenkompromiss bisher gegangen. Er ist aber gescheitert. Es braucht eine neue Lösung. Und diese Lösung wird so oder so besser sein als der Status quo. 

Gaudenz Zemp, Direktor Gewerbeverband Kanton Luzern, FDP-Kantonsrat, Horw 


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/