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Kolumne der Redaktion

20.06.2017

Dieser SP-Vorstoss ist zwar gut gemeint, aber schlecht durchdacht

Die SP-Grossstadträte Yannick Gauch und Claudio Soldati wollen die Gastro-Vorschriften im öffentlichen Raum lockern. Dagegen werden sich nicht allein die traditionellen Gastgewerbler, sondern auch die Gewerkschafter stemmen. Und das ist gut so.


13. Mai 2017. Grossstadtrat Yannick Gauch von den JUSO (links) und Grossstadtrat Claudio Soldati (SP) am Fest zur Eröffnung des «Freigleis».

Bild: Herbert Fischer

Das Postulat Gauch und Soldati hat folgenden Wortlaut:

Luzern verfügt über eine innovative und kreative Gastronomieszene. Immer mehr kleine Unternehmen spriessen aus dem Boden und ergänzen das Gastronomieangebot der traditionellen Betriebe. Die Konzepte der aufstrebenden GastrounternehmerInnen sehen oft nicht fix eingemietete Standorte, sondern vielmehr Verkaufsstandorte auf dem öffentlichen Grund vor. 

Aktuell behindern jedoch die gesetzlichen Grundlagen zur Nutzung des öffentlichen Grundes die Weiterentwicklung dieser Start-Ups. Die Bewilligungspraxis für Verkaufsstandorte im öffentlichen Raum wird strikt gehandhabt, respektive gesetzliche Grundlagen fehlen. 

Der Stadtrat wird gebeten, eine Anpassung des Reglements zur Nutzung des öffentlichen Grundes, hinsichtlich einer sanften Liberalisierung der Bewilligungsvergabe für Klein- und Kleinstunternehmen im Gastrobereich, zu prüfen. Dabei soll eine übermässige Kommerzialisierung des öffentlichen Grundes vermieden werden.  

Denkbar wäre, bestimmte Abschnitte von Strassen, Plätzen oder Quartieren (zum Beispiel Quai, Bahnhofstrasse, Neustadt, linkes Seeufer oder Tribschen–Langensand) zur kommerziellen Nutzung freizugeben. Insgesamt sollen rund fünf Standorte definiert werden, vorzugsweise an Orten, wo aktuell in unmittelbarer Nähe wenig gastronomische Angebote bestehen. 

Die zahlungspflichtigen Bewilligungen für die Verkaufsstände könnten jährlich durch ein Wettbewerbsverfahren (in Anlehnung an die neue Praxis der Marktstand-Vergabe) vergeben werden. Die Stadt definiert dabei transparente Kriterien und achtet auf eine möglichst schlanke und unbürokratische Durchführung des Prozesses. 

Grossstadträte Claudio Soldati und Yannick Gauch (namens SP-/JUSO-Fraktion)

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Dieser SP-Vorstoss wirkt auf den ersten Blick nachvollziehbar und sympathisch. Fraglos können solche Angebote den öffentlichen Raum bereichern und Bedürfnisse der Bevölkerung, vor allem auch der Gäste aus nah und fern erfüllen. Am Quai ist das Angebot tatsächlich dünn und dürr, zumal viele Leute die Schwellenangst daran hindert, die Nobelhäuser Palace oder National zu betreten, was allerdings absolut unberechtigt ist.

Das traditionelle und ortsfeste Gastgewerbe wird an diesem SP-Postulat keine Freude haben und das ist nicht nur verständlich, sondern auch gut so. Und zwar aus mehreren Gründen. Es hat – zum Beispiel - endlose Listen von Vorschriften einzuhalten, was nicht nur Zeit und Nerven, sondern letztlich auch Geld kostet.

Oder: Will - zum Beispiel - ein Wirt vor seiner «Beiz» im Freien ein paar Tische aufstellen, um bei schönem Wetter auch dort Einnahmen zu generieren, so wird er von den Behörden mitunter behandelt, als sei er der letzte «Löölibueb»; Beispiele gibts zuhauf! 

Demgegenüber sollen nun plötzlich Rosinenpicker ihre ambulanten Angebote mit möglichst wenig administrativem und anderem Behördenkram installieren können? Sorry, aber das geht nicht, ist unfair gegenüber den bestehenden Betrieben.

Nicht wenige von ihnen kämpfen eh schon ums nackte Überleben. Denn es gibt in Luzern weiss Gott nicht zuwenig gastronomische Angebote!

Die allermeisten WirtInnen und Hoteliers sind anständige Geschäftsleute, die Wert auf eine funktionierende Sozialpartnerschaft legen und höchst korrekt und sozial mit ihren Mitarbeitenden umgehen. Sie bezahlen anstandslos Löhne, die den Gesamtarbeitsverträgen (GAV) mit den Gewerkschaften entsprechen und auch das ist gut so. 

Wer aber garantiert, dass dies auch bei den nun von der SP herbeigesehnten, nomadisierenden Newcomern der Fall ist? 

Halten sie sich nämlich nicht an die GAV-Löhne, so erreichen sie damit einen Wettbewerbsvorteil, dies zum Nachteil der GAV-treuen Arbeitgeber. Pardon, aber das kanns nicht sein.

Nicht nur das Gastgewerbe wird an diesem SP-Vorstoss keine Freude haben. Die Gewerkschaften als traditionelle Verbündete der SP werden ebenfalls staunen, dass ihresgleichen auf solche unausgegorene Ideen kommt.

Mit anderen Worten: Dieser SP-Vorstoss ist gut gemeint, aber schlecht durchdacht.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern

Siehe auch unter «Links».


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Kommentare:
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Claudio Soldati aus Luzern

Dienstag, 20.06.2017, 22:26 · Mail

Lieber Herbert

Der Vorstoss bedroht auf keine Art und Weise die Existenz der traditionellen Gastrobetriebe und die Arbeitsbedingungen der Angestellten. Verkaufsstände im öffentlichen Raum bedienen ganz andere KonsumentInnen als fix eingemietete Betriebe.

Dazu zwei Beispiele. 1.: Wenn jemand auf dem Weg auf den Zug einen Kaffee von einem Stand auf der Strasse mitnimmt, so entgeht dem konventionellen Gastrobetrieb kein Franken - die Person wäre für den Kaffe nicht ins Restaurant gesessen.

2.: Wenn jemand im Sommer in einem Park essen will, so kann er oder sie etwas vom Strassenstand oder von einem Grossdetaillisten kaufen.

Wenn nicht dem Grossisten der Vorzug gegeben wird, so kann er das ohne weiteres verkraften und die lokale Gastrowirtschaft wird gefördert, das freut Gaumen wie Fiskus!

Claudio Soldati, SP-Grossstadtrat, Luzern

 
 
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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/