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Kolumne der Redaktion

09.11.2016

Blitzgescheit, couragiert, schlagfertig, humorvoll und hartnäckig – Hommage an Josi J. Meier

Seit heute Mittwochabend (9. November) hat Luzern einen Platz, der den Namen von Josi J. Meier trägt. Er liegt im «Zöpfli» vor dem Haus, in dem die hochgeachtete CVP-Politikerin lange gelebt hatte und vor zehn Jahren gestorben ist. Neben Stadtpräsident Beat Züsli (SP) würdigte auch die frühere CVP-Kantonsrätin Erna Müller-Kleeb aus Rickenbach diese grosse Frau. Sie hat lu-wahlen.ch ihren Redetext zur Verfügung gestellt.


Die frühere CVP-Kantonsrätin Erna Müller-Kleeb (Rickenbach) hielt heute Mittwochabend (9. November) eine Rede über Josi J. Meier.

Bild: Herbert Fischer

Rosmarie Dormann aus Rothenburg (rechts) war CVP-Nationalrätin, als Josi J. Meier Ständerätin war.

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Franz Wicki (Sursee) folgte Josi J. Meier als CVP-Ständerat, dem er von 1995 bis 2007 angehörte. Seither ist Konrad Graber aus Kriens CVP-Ständerat.

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Franz Kurzmeyer (FDP.Die Liberalen) sass in den Siebziger Jahren mit Josi J. Meier im damaligen Grossen Rat. Auch er erwies der berühmten Politikerin die Ehre, als heute der Platz ihren Namen erhielt. Von 1984 bis 1996 war er Stadtpräsident von Luzern.

Es ist für mich eine ganz und gar ungewohnte Ehre, dass ich heute die Gelegenheit erhalte, stellvertretend für Josi J. Meier, dir Judith Stamm, dir Marta Bauer, dir Hildegard Bitzi und Ihnen, Marlies Geser, sehr herzlich zu danken. 

Ihr habt die Initiative ergriffen und am 8. Juli 2016 beim Stadtrat von Luzern den Antrag gestellt, diesen Platz vor dem «Zöpfli», diesen Platz vor dem Haus, in dem Josi Meier bis zu ihrem Tode so gerne wohnte, als Josi J. Meier Platz zu benennen und – der Stadtrat hat Ja gesagt. Mein Dank geht demnach auch an den Stadtrat Luzern.

«Eine ganz und gar ungewohnte Ehre», diese sehr schöne Formulierung ist nicht von mir.

Das hat Josi J. Meier gesagt, als sie 1991 zur ersten Ständeratspräsidentin gewählt wurde und dabei, typisch für sie, in ihrer Antrittsrede feststellte, dass diese Ehre auf all jene zurückfalle, die für sie den Weg öffneten: 

Auf ihren Heimatkanton, auf das Luzerner Volk, das ihr, seit Frauen wählbar sind, unverbrüchlich die Treue hielt, auf all die Menschen – Eltern, Lehrer, Kollegen, Freunde und Freundinnen –, die sie Verantwortung und Gemeinsinn und Toleranz lehrten, aber auch auf die CVP-Ratsfraktion die nach dem Nationalrat auch im Ständerat gewagt hatte, die erste Präsidentin zu stellen und damit erneut Ja sagte zur gleichberechtigten Mitarbeit der Frau. Dies wäre nicht möglich geworden ohne den Mut eines Kollegen. Er hatte das Anciennitätsprinzip einem Anliegen der Gerechtigkeit untergeordnet. Die Frauen freuten sich, dass ausgerechnet der Innerrhoder Ständeherr, diesen Mut hatte.

Diesen Zeitungsbericht vom 26. November 1991, mit ihrer Rede, habe ich, wie so viele weitere Berichte von und über Josi aufbewahrt . 

Warum?

Weil mich die Echtheit dieser Frau fasziniert hat. Blitzgescheit, vielseitig interessiert, couragiert, schlagfertig, humorvoll, abenteuerlustig und hartnäckig – ganz im Sinne des Sprichwortes: «Ned logg lo gwünnt», oder: «Draa bliibe» – war sie mir immer wieder Vorbild.

Sie sei auch von ihrem Philosophieprofessor geprägt worden, der ihr die Überzeugung vermittelte, es genüge nicht zu beten «dein Reich komme». Wir müssen damit anfangen, dieses Reich auf dieser Welt zu errichten. Deshalb wahrscheinlich ihr unermüdlicher Einsatz, ihr dringendes Bedürfnis nach Unabhängigkeit und der Drang, sich immer eine eigene Meinung zu leisten. 

Es gibt aber auch noch einen anderen Grund, warum mich Josis Leben interessiert und mit Stolz erfüllt hat. Das ist die Verwandtschaft. Ihr Vater, Niklaus Meier war mir zwar nicht verwandt, aber er war mein Götti. Ihre Mutter, eine geborene Kumschick, war meine Grosstante. So quasi als Ersatzenkelkind war ich schon im Alter von fünf Jahren in Luzern in den Ferien. Habe im «Vögeligärtli» gespielt, die Schönheiten der Stadt Luzern mit den Eltern von Josi entdecken dürfen und in der Wohnung von Meier-Kumschick`s, damals noch in der alten Luzerner Kantonalbank, bald mitbekommen, dass es eine rund 30 Jahre ältere Josi  gibt, die Grossartiges und Mutiges leistet. 

Später, an der Gesegnetmattstrasse 1, wurde es mucksmäuschenstill, wenn Tochter Josi am Radio zu wichtigen politischen Themen gesprochen hatte. Nach dem Tod ihrer Eltern war Josi regelmässig zu unseren Familienfesten eingeladen. Und sie kam. 

Kam gerne, wie mir schien und sie hatte es sich nie nehmen lassen, ihre familiären und politischen Botschaften an die Frau und an den Mann zu bringen. Mit ihrer klaren und verständlichen Sprache konnte sie, trotz ihrer «schwachen» Stimme, auch die Katholisch-Konservativen aus dem Luzerner Hinterland und dem Seetal vollkommen begeistern.

Eigentlich hätte man ihr nach dem Rücktritt aus dem Ständerat und schon seit längerer Zeit weniger Arbeit, dafür mehr Ruhe gewünscht. Doch das war nicht ihre Vorstellung vom Leben. «Weisst du, die Zeit läuft mir davon», verriet sie mir in den inzwischen regelmässigen Telefongesprächen. «Ich hoffe nur, dass mir genügend Zeit bleibt, z`ordne, z`ruume ond diversi Sache abzschliesse.» Wie viel Zeit einem auf dieser Erde bleibt, spielt zwar weniger eine Rolle als das, was man daraus macht. Und so liess sie sich immer wieder verführen von Neuem und Interessantem.

Sie war komplett aus dem Häuschen, als Marcel Hänggi, Historiker und Journalist sie eines Tages kontaktierte und ihr die Geschichte ihres Urgrossvaters Johann Kumschick, geboren 1822, aufzeigte. Er soll ein Querulant gewesen sein. Er ist über Jahre im Konflikt mit den Behörden gestanden. 

Und das hatte seine Gründe gehabt. Als mausarmer Heimwerker wurde ihm, und nicht nur ihm in der damaligen Zeit, die Heirat verboten. Er könnte ja «armegnössig» werden. 

Doch er konnte es nicht sein lassen und als bereits fünf uneheliche Kinder da waren ist es ihm endlich gelungen, eine Heiratsbewilligung zu erhalten, allerdings nicht von der Gemeindebehörde seines Wohnortes, sondern von der Luzerner Regierung. Das aber nur, weil er lange und ganz hartnäckig und immer wieder Rekurs eingelegt hatte. Josy meinte dazu: «Ech has Gfühl, ech verstöig de Grossvater und Urgrossvater erscht jetzt. Ich erkenne mich in ihnen. Bin einverstanden, Ungerechtigkeiten sind zu bekämpfen, und man muss nicht alles „fressen“ und soll sich wehren, damit Gerechtigkeit hergestellt werden kann.»

Was diese Familien-Geschichte betrifft, da hatte sie nicht mehr die Kraft das auszuführen, was sie sich wünschte, nämlich die sehr spannenden Nachforschungen unter die «Kumschickerei» zu bringen. Aber sie war eine Weltmeisterin darin, sich so zu formulieren, dass wir Nahestehenden sofort wussten, was wir zu tun hatten. 

Als Josi Meier im Jahr 2006 80 Jahre alt wurde, wurde sie in den Zentralschweizer Medien als «Jubilarin der Woche» gebührend gewürdigt. Als Frauenpolitikerin der ersten Stunde durfte sie stolz auf das christlich-sozial ausgerichtete Lebenswerk zurückblicken. Damals war sie von ihrer Krankheit schwer gezeichnet. Doch sie liess es sich nicht nehmen etappenweise Verwandte, Bekannte, Weggefährtinnen zu sich ins «Zöpfli», in den herrlichen Rokokosaal  einzuladen, um Abschied zu nehmen. Und sie meinte es ernst mit dem Abschiednehmen. Trotzdem: Ihr Humor hatte sie nicht verlassen. Es war erstaunlich, wie ihr vifer Geist die Funktionen des todkranken Körpers auf Trab hielt und wie sie jeden einzelnen Gast sehr persönlich vorgestellt hatte.

Irgendwann sagte sie: «Weisst du, an meiner Beerdigung muss dann noch etwas gehen.» Das ist gelungen.

Der Engelschor zu Beginn der Abschiedsfeier, der von der Orgel gespielte Totentanz und das darauf folgende Gewitter mit den späteren Urklängen aus dem Kuhhorn eines Heinz della Torre, sowie die Volkslieder aus der ganzen Schweiz und Louis Armstrongs «What a wonderful world», haben uns besinnlich, traurig, fröhlich und  gar glücklich gestimmt. Der Abschiedsgottesdienst wurde zum Fest.

Dass seither und auch zehn Jahre nach ihrem Tode «immer no öppis gohd» und sie bei uns allen in voller Erinnerung ist, das hätte sie sich wohl gewünscht, aber sicher nicht erwartet. 

Sie hatte auf die richtigen Freundschaften gesetzt als sie in ihrem Neujahrsbrief 2002 schrieb: «Bei alledem könnte ich ohne Freundschaften nicht leben. Auf den inneren Kreis kommt es an, nur da können wir selber Lichter anzünden und ihre Wärme spüren.»

Danke Marta Bauer, Judith Stamm, Hildegard Bitzi und Marlis Geeser, danke Ihnen allen, die Sie heute hier sind und Josi Johanna Meier immer wieder die Aufmerksamkeit schenken, die sie verdient. Dieser Platz wird künftig ein Platz ihrer Freundinnen und Freunde und ein Platz der Begegnung sein. 

Erna Müller-Kleeb, alt CVP-Kantonsrätin, Rickenbach


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/