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Kolumne der Redaktion

05.06.2016

Das ist ein deutliches Resultat – eine andere Frage ist, ob es auch ein gutes ist

Das leckt keine Geiss weg: Zum zweiten Mal seit dem 1. Mai müssen Stefan Roth und seine CVP eine bittere Niederlage einstecken. Roth bleibt zwar Stadtrat, muss das Stapi-Amt aber abgeben. So klar dieses Resultat ist – es stellt sich jetzt die zentrale die Frage, ob es auch ein gutes ist. Zweifel sind angebracht.


Vorweg dies: die parteipolitische Zusammensetzung der Stadtluzerner Regierung ist in der nächsten Legislatur haargenau genau die gleiche wie seit 2012. Nämlich: je ein Sitz für SP, Grüne, FDP, CVP und GLP. Die einzige «Einwechslung»: Als Stadtrat für die SP ersetzt Beat Züsli Ursula Stämmer-Horst, die am Ende der laufenden Amtsperiode 16 Jahre Stadträtin gewesen sein wird. So ist das – nicht mehr, aber auch nicht weniger. 

Der Sozialdemokrat Beat Züsli löst allerdings den Christdemokraten Stefan Roth als Stadtpräsident ab. Der Stapi ist Primus inter pares, also «Gleicher unter Gleichen». Er hat nicht mehr Stimmkraft als jedes der anderen vier Mitglieder des Stadtrates. So ist das – nicht mehr, aber auch nicht weniger. 

Züsli hat also Roth geschlagen und zwar als Stadtpräsident. Warum aber? Und vor allem: warum so deutlich?

Nach wie vor liegt kein einziger Grund auf dem Tisch, der hinreichend eine Abwahl Stefan Roths als Stapi nachvollziehbar gemacht hätte. Dass Roth so deutlich von Züsli geschlagen worden ist, nährt einen Verdacht: die Wahl Züslis ist primär eine Nicht-Wahl von Roth. Es ist offensichtlich, dass die eifrig beschworene «bürgerliche Allianz» vor dem zweiten Wahlgang mehr ein verzweifelter Hilfeschrei, denn eine strategische Vision war. Die nämlich hätte bereits vor dem ersten Wahlgang vom 1. Mai aufgegleist werden müssen. 

Und nun dies.

O-Ton SVP in ihrer heutigen Medienmitteilung zum Resultat des zweiten Wahlgangs: «Nur wenn die bürgerlichen Stimmen vereint werden können, gelingt es, die bürgerliche Mehrheit in vier Jahren zurück zu erobern.» 

«Zurück zu erobern?» Mit Verlaub: Die parteipolitische Zusammensetzung und damit auch die Verteilung der Stimmkraft ist die gleiche wie seit 2012!

O-Ton FDP in ihrer heutigen Medienmitteilung zum Resultat des zweiten Wahlgangs: «Leider haben wir nun für die nächsten vier Jahre eine links-grüne Mehrheit im Stadtrat». Derselbe Schrott! 

Die Frage stellt sich unvermeidlicherweise: In welchem Film sitzt, wer sowas schreibt? Der so was schreibt in einer offiziellen Reaktion einer Stadtluzerner Partei als Reaktion auf eine Niederlage, an der sie selber massgeblich beteiligt war?

Wie ernst sind Leute zu nehmen, die so was von sich geben?

Die «bürgerliche Allianz» hat nicht funktioniert. Weder bei der Besetzung der beiden noch offenen Stadtratssitze, noch beim Stadtpräsidium. 

Der Stadtluzerner Souverän hat heute Stefan Roth und die CVP sowie die SVP und die FDP gedemütigt. 

CVP, FDP und SVP werden fortan wohl enger zusammenarbeiten; zumindest enger zusammenarbeiten wollen. Dies funktioniert allerdings nur, wenn die CVP nicht mehr wie bisher als Pissoirwand der SVP herhalten muss. Denn was Präsident Peter With und seine SVP in den letzten Jahren über die CVP alles verbreitet haben, geht auf keine Kuhhaut und ist mit diesem Resultat von vielen WählerInnen der CVP, aber auch solchen der FDP – verständlicherweise – deutsch und deutlich sanktioniert worden. 

Es nützt nichts, einen so starken politischen Gegner wie Beat Züsli bloss als Linksextremisten zu verleumden. Das ist schon vor vier Jahren, als Züsli für den Stadtrat kandidiert hatte, so geschehen und es ist auch 2016 wieder geschehen. Wer Züsli eine solche Etikette anzuheften versucht, sagt mehr über seinen eigenen Standort aus, als über den Pragmatiker und Realisten Beat Züsli. Mit anderen Worten: Wer einen so starken Gegner entzaubern will, braucht triftige Argumente, nicht plumpe und durchsichtige Anwürfe und - sorry - solche Ausscheidungen. 

Es wird eine der vorrangigsten Aufgaben des neuen Stadtpräsidenten Beat Züsli sein, subito Brücken zu schlagen. Denn Züsli repräsentiert wohl seine eigene, die rot-grüne-grünliberale Wählerschaft und zudem – freilich vorab bloss bezüglich der Stapi-Wahl – einen Teil des bürgerlichen Elektorats. Aber Luzern ist insgesamt gesehen keine linke Stadt. Darum ist es sehr, sehr fraglich, ob das gut kommt. Vieles liegt also – auch, aber nicht nur! – an ihm.

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch sowie Mitunterzeichner des Wahlaufrufs für die Wiederwahl von Stefan Roth im zweiten Wahlgang als Stadtrat und als Stadtpräsident 


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/