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Kolumne der Redaktion

15.04.2016

Sein Enkel Noah erklärt, warum sein Grossvater Hans Erni an dieser Ehrung seine helle Freude gehabt hätte

Bei Ehrung von Hans Erni durch die Stadt Luzern am gestrigen Donnerstag (siehe unter «In Verbindung stehende Artikel») hielt auch sein 22-jähriger Enkel Noah Erni eine Rede. Hier ist sie zu lesen. Noah Erni ist 22-jährig und studiert Soziologie in Zürich, wo er auch lebt. Er hat lu-wahlen.ch das Manuskript seiner Rede zur Verfügung gestellt.


Noah Erni mit seiner Schwester Arielle.

Bild: Herbert Fischer

Sehr geehrter Herr Stadtpräsident Roth, sehr geehrter Stadtrat der Stadt Luzern, sehr geehrte Hans Erni-Stiftung, liebe Doris, liebe Familie, liebe Freunde und Bekannte, liebe Damen, liebe Herren

Für jene, die mich nicht kennen, darf ich mich vielleicht zuerst kurz vorstellen: mein Name ist Noah und ich bin neben meiner Schwester Arielle und meinem Cousin Franco eines der drei Enkelkinder von Hans und Doris Erni. 

Mir wurde die schöne Aufgabe zugesprochen, heute im Namen von Doris und unserer Familie der Stadt Luzern unseren besten Dank auszusprechen für diese außerordentliche Ehre, an der wir heute teilhaben dürfen. Die Ehre, welche mit der Umbenennung dieses Ortes in «Hans-Erni-Quai» verbunden ist.  

Zuallererst möchte ich mich aber hierbei bei meiner Großmutter Doris und meiner Familie für die Möglichkeit bedanken, an diesem Ort einige Worte  als Danksagung vortragen zu dürfen. Denn dieser Ort ist für Doris, meinen Onkel Felix und meine Mutter Sibylle weit mehr als irgendein x-beliebiger Ort in Luzern, sondern alle von ihnen verbinden mit ihm spezielle und schöne Erinnerungen an meinen Großvater Hans, die über ein halbes Jahrhundert zurückreichen. 

Erinnerungen, die soweit zurück liegen, dass ich selber kaum dabei gewesen sein konnte, habe ich doch meinen Grossvater erst vor etwas mehr als zwanzig Jahren kennengelernt. Jedoch konnte meine Grossmutter in Gesprächen einige dieser Erinnerungen mit mir teilen. Diese möchte ich nun auch hier mit ihnen teilen um ihnen zu zeigen, was diesen Platz hier für meine Grossmutter Doris und unsere Familie so besonders macht. 

Doch nun zu den Anfängen.

Doris erzählte mir von der Zeit, als sie und Hans noch ein junges Paar waren. Damals, im Luzern der 1950-er-Jahre, wohnten Doris und Hans noch nicht im grossen weißen Haus oberhalb der Oberseeburg, wo meine Grossmutter auch heute noch lebt, sondern die beiden teilten sich eine Wohnung in der Luzerner Altstadt. 

Damals, wenn es ein warmer Sommertag war, trieb es die beiden hinaus an den kühlen See, so, wie es auch heute noch alle Luzerner und Luzernerinnen bei gutem Wetter hinaus treibt. An solchen Tagen fuhren dann Doris und Hans mit ihren Velos von ihrer Stadtwohnung hinaus zum Lido, wo sie sich im Vierwaldstättersee bei einem kühlen Bad erfrischten, am Lidostrand in der Sonne lagen und in der milden Abendsonne ihre Zeit bei einem Volleyballspiel vertrieben. Ihr Weg dorthin führte sie an diesem Platz hier vorbei und meine Grossmutter kann sich noch heute lebhaft an diese Tage erinnern, als sie an diesem Ort zusammen mit Hans Richtung Lido hinaus fuhr. 

In dieser Zeit hätte wohl kaum einer der beiden auf diesen Velofahrten jemals den Gedanken gehabt, dass dieser Quai einmal den Namen Hans Erni tragen würde. Gerade in der Zeit der 50-er-Jahre mochte wahrscheinlich dieser Gedanke den Beiden ferner denn je gelegen haben. In einer Zeit, in der Hans und Doris eher ein zwiespältiges Verhältnis zur Stadt Luzern und der Schweizer Eidgenossenschaft hatten – wie wir alle wissen.

Doch wie wir auch alle wissen, ging die Geschichte schlussendlich gut aus. Die Beziehung zwischen dem Ehepaar Erni und der Stadt Luzern hat sich in den folgenden Jahren wesentlich verbessert. Das schönste Zeugnis dafür ist wohl das Hans Erni-Museum, welches  im Jahr 1979 eröffnet wurde. Es hätte wohl kaum an einer schöneren Lage, direkt am See, und wie wir hörten, an einem für Hans und Doris so erinnerungsvollen Ort eröffnet werden können. Über diese schöne Lage freut sich Doris auch heute noch, wie sie mir im Gespräch erzählte. Umso mehr freut sie sich nun, unweit des Museums gleich noch einen zweiten Ort der Erinnerung an ihren Hans zu erhalten. 

Der letzte Höhepunkt vor dem heutigen Tag in der Beziehung zwischen Luzern und meinen Großeltern war aber wahrscheinlich dann die Verleihung der Luzerner Ehrenbürgerschaft an meinen Grossvater im Jahr 2004. An diesem Anlass war ich sogar persönlich dabei und ich mag mich noch gut daran erinnern. Damals habe ich zwar als Kind noch nicht die wirkliche Bedeutung dieser Würdigung für meine Großeltern verstanden, sondern mich noch viel mehr für das leckere Buffet und den Apéro im Anschluss an diesen Anlass interessiert. Doch heute erkenne ich die Bedeutung, welche diese Würdigung für Hans und Doris hatte. 

Heute freuen sich daher meine Familie und ich uns umso mehr über diese, sozusagen finale Anerkennung, die das Schaffen meines Großvaters Hans wie auch das Schaffen meiner Großmutter Doris seitens der Stadt Luzern durch die heutige Umbenennung dieses Platzes in Hans-Erni-Quai erfährt. Für meinen Großvater hätte es wahrscheinlich wenig weitere Würdigungen gegeben, welche ihn mehr mit Stolz erfüllten. 

Denn auch für Hans selbst blieb dieser Ort Zeit seines Lebens von Bedeutung. So erzählte mir meine Mutter Sibylle, dass auch später, als die Familie von der Stadt hinauf nach Eggen, nahe der Grenze zu Meggen, gezogen ist und als sie und mein Onkel Felix noch kleine Kinder waren, Hans und Doris an den Sonntagen regelmäßig hierhin spazierten, um mit den Kleinen Enten zu beobachten und den an- und ablegenden Dampfschiffe zuzuschauen. Dieselben Dampfschiffe, auf denen zu Beginn des letzten Jahrhunderts der Vater von Hans, mein Urgrossvater Gotthard Erni, als Maschinist mitgefahren war.

Diese Tradition behielt Hans noch bis ins hohe Alter aufrecht und kam so auch in den späten Jahren seines Lebens noch an diesen Ort zurück.  So hatte mein Grossvater Zeit seines Lebens eine sehr enge Verbindung zu diesem Ort, wie auch zur Stadt Luzern im allgemeinen, trotz oder aber auch gerade wegen der verschiedenen Hochs und Tiefs in dieser Beziehung. 

Denn wenn mein Grossvater auch viele Orte dieser Welt bereiste und Teile seines Lebens im Ausland verbrachte: seine Heimat blieb immer Luzern und daher bin ich überzeugt, dass es ihn – wäre er hier – mit besonderer Freude erfüllte, auch nach seinem Tod noch Teil unserer Stadt zu bleiben.

Hierzu ist mir dann, als ich mir diesen Ort auf einer Karte genauer angesehen habe, noch eine lustige Koinzidenz (oder aber vielleicht auch vielmehr eine kluge Setzung?) aufgefallen. Auf die Gefahr hin, etwas abzuschweifen, lassen Sie mich kurz darauf eingehen. 

Vielleicht wissen es einige von ihnen nicht – zumindest ich wusste es nicht vorher – aber der Weg, der zu unserer Rechten und Linken dem See entlang verläuft, dieser Weg trägt den Namen General Guisan-Quai. So benannt nach dem großen Schweizer General im Zweiten Weltkrieg, dem General, der den Begriff des Reduits und den Begriff der Neutralität geprägt hat. Gewiss ein großer Mensch in der Schweizer Geschichte, aber witzigerweise auch ein Mensch, dessen Rolle für die Geschichte der Schweiz und Luzern kaum konträrer zu der Rolle meines Grossvaters sein könnte.

Denn wie Guisan, so war auch mein Grossvater Hans im selben Krieg wie als Soldat beteiligt gewesen. Doch im Gegensatz zum General war mein Grossvater nur «Hilfsdegradierter», wie Hans mir einmal selbst erzählte. Er trug weder eine Waffe noch bekam er eine neue Uniform, sondern als überzeugter Pazifist musste er sich in eine Uniform des vorhergehenden Weltkrieges zwängen und die unliebsamen, niederen Aufgaben erfüllen, die in einem Krieg eben auch gemacht werden müssen.

So hatte er die nicht ganz ungefährliche Aufgabe, explosive Munitionsladungen mit einem Laster über die engen und unwegsamen Bergstraßen zu transportieren – einen Pazifisten könnte man schließlich in einem solchen Krieg entbehren. Dies tat er dann solange, bis er schlussendlich durch freundschaftliche Beziehungen von dieser ungesunden Aufgabe befreit und zum «Tarnmaler» umgeteilt wurde. Woraufhin er den Rest des Krieges damit verbrachte, die Eingänge von Bunkern zu bemalen, von denen, so viel ich weiss, einige noch heute irgendwo in der Schweiz anzutreffen sind. Wenn man sie denn auch findet.

Und wie sieht es heute aus?

Heute teilen sich der General und der Pazifist Erni einen Teil des Weges am See. Für mich persönlich ist dies eine Freude, die für ein Luzern und eine Schweiz steht, in der es nicht den Muster Schweizer oder die Muster Schweizerin oder die Muster Luzernerin oder den Muster Luzerner gibt. Sondern einen Ort und ein Land, welches so gegensätzlich Rollen in sich vereint und diese Vielfalt zu schätzen weiß. Ein Luzern für alle Menschen – so denke ich hätte es auch mein Großvater gesehen.  

Doch nun genug Geschichte und kommen wir zum Schluss.

Denn als Dank für diese große Geste der Stadt Luzern wollte meine Großmutter Doris diesem Platz zwei Skulpturen meines Großvaters Hans schenken, damit nicht nur ein Namensschild an Hans erinnert, sondern auch das, was sein Werk ausmachte – das Figürliche, das Dekorative, das, was die Menschen anregt sich mit ihrer Umgebung auseinander zusetzen. Damit die Luzerner und Luzernerinnen und Touristen und Touristinnen, welche in Zukunft hier vorbei spazieren, sich neugierig diesem Liebespaar zuwenden und sich hoffentlich an diesem Ort genauso erfreuen. wie einst Hans und Doris sich erfreuten. 

Das Liebespaar – wie wir wissen – zeigt Atalante und Hippomenes im Wettlauf, in welchem Atalante die goldenen Äpfel des Hippomenes aufliest, während Hippomenes voran läuft und durch diese List das Rennen gewinnt.  Doch ganz abgesehen von der mythologischen Auslegung dieses Bildnisses, glaube ich vielmehr, mich dadurch an meine Großeltern Hans und Doris erinnert. Umso schöner finde ich es, dass die Wahl der Skulptur für diesen Platz auf dieses Paar fiel. 

Denn im Leben von Hans und Doris war es doch auch meist so, dass Hans voranging, den Ruhm und die Aufmerksamkeit auf sich konzentrierte und Doris leise im Hintergrund seine goldenen Äpfel ihm nachtrug und so vergassen wir oft, im Überschwang für Hans, dass Hans nicht ohne Doris zu denken ist. 

Denn Doris war es, die Zeit seines Lebens hinter ihm gestanden ist und Hans den Rücken frei hielt. Denn nie hätte mein Grossvater dieses beachtliche Lebenswerk zustande gebracht, für welches er heute diese Ehrung erhält, wenn nicht meine Grossmutter ihm den Kopf freigehalten hätte von all den anderen Sorgen und Problemen, welche das Leben eines Kunstmalers mit sich bringt. Wenn wir also heute und hier von dem Werk Hans Ernis sprechen, dann dürfen wir uns dieses Werk auch als das Werk eines Paares denken und so diesen Ort als eine Würdigung des Schaffens von Hans und Doris als Paar sehen. 

Zum  Schluss möchte ich mich jetzt aber noch einmal bei allen Beteiligten für den heutigen Tag bedanken und für die Mühen Seitens der Stadt Luzern und der Hans Erni Stiftung, wie auch bei meiner Grossmutter und meiner Familie. Sowie bei allen Anwesenden, die heute erschienen sind, um mit uns die Eröffnung des Hans Erni Quais zu feiern. Vielen Dank. 

Noah Erni, Enkel von Hans Erni, Zürich 


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/