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Kolumne der Redaktion

12.04.2015

«Rein bürgerliche Regierung» wäre eine Kampfansage

Rechtsbürgerliche Kreise wollen die SP aus der Luzerner Regierung werfen und eine «rein bürgerliche Regierung» installieren. Wovor fürchten sich diese Leute eigentlich genau?


Seit 1959 sind die SP und die Gewerkschaften im Luzerner Regierungsrat vertreten. Damals anerkannte die mächtige Katholisch-konservative Partei, dass auch dieses Segment der Wählerschaft (und damit der Bevölkerung) in die Regierungsverantwortung eingebunden, der «freiwillige Proporz» auch im Kanton Luzern eingeführt werden soll. Sie überliess der SP diesen einen Sitz kampflos; der Regierungsrat hatte damals noch sieben Mitglieder. Die SP und die Gewerkschaften haben dieses Mandat seither immer wieder verteidigt; auch 2003, als erstmals nur noch fünf Regierungsräte zu wählen waren. 

Auch jetzt ist es auf bürgerlicher Seite wieder die CVP (seit 1970 die Nachfolgepartei der Katholisch-Konservativen), die diesen Anspruch anerkennt und die SP-Kandidatur unterstützt, zusammen mit jener der SVP. Und zwar mit der absolut einleuchtenden Argumentation, dass die Konkordanz hergestellt werden soll. 

Es ist daher angesichts der politischen Kräfteverhältnisse nicht mehr als logisch, am 10. Mai Paul Winiker von der SVP und Felicitas Zopfi von der SP in die Regierung zu wählen. Die SVP als klar zweitstärkste Partei und Fraktion beansprucht völlig zurecht einen Regierungssitz und präsentiert mit dem Krienser Gemeindepräsidenten einen «gmögigen», anständigen und gut gebildeten Kandidaten, der mit den Schreihälsen, Radaubrüdern und Scharfmachern seiner Partei nichts am Hut hat. Es ist auch offensichtlich, dass diese Stimmungskanonen von der SVP-Führung rechtzeitig und nachhaltig ruhig gestellt worden sind und seit Monaten keinerlei Ausscheidungen mehr öffentlich abgesondert haben. Dass Winikers Wahlchancen absolut intakt sind ist auch, aber nicht nur, darauf zurückzuführen. 

Völlig unverständlich ist, dass rechtsbürgerliche Kreise (Gewerbeverband, Safranzünfter, die DV der FDP.Die Liberalen vom 1. April) der Konkordanz-Logik nicht folgen und – wie sie sagen – eine «rein bürgerliche Regierung» wollen. CVP-Kantonsrat Raphael Kottmann (Oberkirch) hat in einem Beitrag auf lu-wahlen.ch dazu folgendes geschrieben:

«... Wer meint, dass sich vier bürgerliche Regierungsräte dermassen vor einer linken Frau zu fürchten hätten und dadurch die Politik des Standes Luzern in Schieflage gerät, dem geht entweder die Überzeugung der eigenen Standpunkte ab oder hat grundsätzlich Bammel, sich mit anderen politischen Meinungen zu konfrontieren...»

Voilà: genau darum geht’s! 

Besonders erstaunlich ist, dass ausgerechnet der Gewerbeverband die SP und damit auch die Gewerkschaften von der Regierungsverantwortung ausschliessen will. 

Mit Verlaub: dies ist ein Angriff auf die Sozialpartnerschaft, eine der wichtigsten Säulen des sozialen Friedens in diesem Land. Mit wem wollen denn die im Gewerbeverband vereinten Branchenverbände der Arbeitgeber Gesamtarbeitsverträge abschliessen, wenn nicht mit den Gewerkschaften?

Glauben die Hardliner ernsthaft, eine solche Aussage bleibe ohne «klimatische Folgen» bei der Basis der Gewerkschaften? Dies ist für manche AktivistInnen geradezu eine Aufforderung, die Folterinstrumente der vulgärmarxistischen Klassenkampfrhetorik aus den Mottenkisten hervorzukramen und «Vollgas» zu geben. 

Merkwürdig ist auch, welche Kriterien rechtsbürgerliche Kreise, nicht nur im Kanton Luzern, immer wieder bemühen, wenn eine linke Frau zur Wahl steht. 

. Als die SP-Fraktion der Bundesversammlung 1983 Liliane Uchtenhagen als Bundesratskandidatin nominierte, wurde in Bundesbern kolportiert, sie sei unter anderem nicht wählbar, weil sie in Sitzungen im Zorn mitunter Aschenbecher herumwerfe. 

. Als die SP-Fraktion der Bundesversammlung 1993 Christiane Brunner als Bundesratskandidatin nominierte, hiess es, sie sei nicht wählbar, weil von ihr Nacktfotos existierten.

Beides erwies sich als Lug und Trug, aber – semper aliquid haeret – es schadete beiden Damen, was wohl auch der Sinn dieser Kolportagen war.

. Als 1987 die SP und die Gewerkschaften im Kanton Luzern Paul Huber als Regierungsratskandidat nominierten, verbreiteten Exponenten des «IFU Club für freies Unternehmertum», er sei nicht wählbar, weil er im Konkubinat mit einer geschiedenen Frau und ihren beiden Kindern zusammenlebe. Nochmals: das war 1987, nicht 1887!

. Als die SP-Fraktion der Bundesversammlung 1993 anstelle von Christiane Brunner Ruth Dreifuss als Bundesratskandidatin nominierte, rümpften viele die Nase, weil sie Jüdin ist.

Und jetzt werden über Felicitas Zopfi Schauergeschichten herumgeboten, die in die gleiche Giftklasse gehören. 

Etwa: Sie sei «eine Linke». Ja, das ist sie, wo aber liegt das Problem? Genau deswegen engagiert sie sich in der SP und in der Gewerkschaft VPOD und genau deswegen haben die SP und die Gewerkschaften sie als Regierungsratskandidatin nominiert. 

Etwa: Sie sei «nicht kompromissfähig». Wer sich über ihre Arbeit in der Gewerkschaft VPOD und im Dachverband des städtischen Personals genauer erkundigt, hört – auch von Arbeitgeberseite! – genau das Gegenteil.

Etwa: Sie sei «eine kalte Frau», habe «keinen Charme», wirke «abweisend», «arrogant».

Wer gerne Details hören möchte, welche Vorwürfe denn genau in welchen Ereignissen gründen, bekommt immer zur Antwort, man habe «nur gehört», dass dieses oder jenes «über sie gesagt» werde; selbstredend, ohne dass Leute, die Solches verbreiten, mit Zopfi jemals auch nur ein Wort gewechselt haben, geschweige denn von sich behaupten können, sie persönlich zu kennen. Diese Frau ist allerdings alles andere als abweisend, kalt oder arrogant! Aber sie biedert sich nie an, vertritt klare, argumentativ gut unterfütterte Meinungen und vor allem kann sie sehr gut zuhören. 

Es sind keine Sternstunden der politischen Kultur, die von einem Teil ihrer politischen Gegner geboten werden, wenn die SP und die Gewerkschaften eine Frau nominieren. Erfreulicherweise macht eine überaus deutliche Mehrheit der CVP-Delegierten dieses üble Spiel nicht mit und empfiehlt Zopfi zur Wahl. 

Die SP und die Gewerkschaften täten allerdings gut daran, subito so etwas wie Selbstbewusstsein zu zeigen und endlich ihren Anspruch auf diesen einen Sitz öffentlich tüchtig zu unterstreichen. So etwas wie ein SP-Wahlkampf mit Blick auf den 10. Mai ist bislang nämlich weit und breit nicht zu erkennen.  

Herbert Fischer, Redaktor lu-wahlen.ch, Luzern
Mitunterzeichner der Wahlaufrufe der Unterstützungskomitees für Felicitas Zopfi und Paul Winiker
  


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/