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Kolumne der Redaktion

23.08.2014

Die Causa Patrik Müller ist ein Lehrstück in «Schmieren-Journalismus»

Es braucht mitunter enorme Leidensfähigkeit, wenn nicht gar Masochismus, sich zur berüchtigten Gilde der Medienschaffenden zählen zu müssen; Fakten sind allerdings nun mal Fakten und die Causa Patrik Müller gehört hier tüchtig thematisiert; zumal in einem Medium, das seit seiner Gründung vor dreieinhalb Jahren immer wieder medienethische Themen kommentiert hat.


Das ist er: Chefredaktor Patrik Müller - Erfinder der Causa Patrik Müller - aufge-nommen am Samstag, 30. August 2014 am CVP-Sommerparteitag in Sempach, bevor er mit Bundesrätin Doris Leuthard ein Inter-view für seine «Schweiz am Sonntag» führte. Wohl scheint es ihm in seiner Haut nicht mehr zu sein, sein Gesicht spricht Bände...

Bilder: Herbert Fischer

Es gibt Entwicklungen, die nicht reaktionslos im Raum stehen lassen darf, wer sich seit Jahrzehnten um das Ansehen seines Berufsstandes sorgt und vor allem sehr wohl weiss, wo der himmeltraurige Ruf der «Journis» wurzelt: Es gibt Pleiten, Pech und Pannen zuhauf, die es mitunter unerträglich machen mitansehen zu müssen, wie grundlegendste Regeln des Handwerks – namentlich der Minimalstandards des angelsächsischen Berufverständnisses – mit Füssen getreten werden. Die Causa Geri Müller, die genau genommen eine Causa Patrik Müller (Chefredaktor der Schweiz am Sonntag) ist, ist der vorläufige Höhepunkt dieser unablässigen leidvollen Erfahrungen. 

Vorweg dies: Es kann nicht deutlich genug unterstrichen werden, dass es sich bei den elektronischen Dialogen zwischen Geri Müller und seiner mysteriösen und – dies vor allem – absolut unglaubwürdigen (sagen wir es mal so) SMS-Partnerin um eine absolut private Angelegenheit handelt, welche die Öffentlichkeit einen feuchten Kehricht zu kümmern hat. Selbst sogar, falls sich Geri Müller in irgendwelchen Amtsstuben selber fotografiert haben sollte, begründet dies keinerlei Rechtfertigung, sich darüber Coram publico zu empören, wie dies die «Schweiz am Sonntag» getan hat. Wer sich mit wem, wann, wie und worüber per SMS, telefonisch, per E-Mail oder mittels anderlei elektronischer Mittel ausgetauscht hat, steht genauso unter Persönlichkeitsschutz wie reale, körperliche Kontakte. Es ist völlig egal, ob es sich bei den Beteiligten einerseits um «kleine Leute» wie Kasi Knellwolf und Hildegard Hasenfratz oder andererseits um BundesrätInnen, GemeindepräsidentInnen oder PfarrerInnen oder SchulpflegerInnen handelt. Der Persönlichkeitsschutz ist eine der löblichen Errungenschaften der Aufklärung und eines der Basics eines jeden auch nur halbwegs liberalen Rechtsstaates. Basta!

Nicht mehr reine Privatsache wäre es allerdings, wenn irgendwelche private und berufliche Verhaltensweisen diametral mit politischen Botschaften kontrastierten, welche die Glaubwürdigkeit ihrer Absender erschüttern; wenn sich also beispielsweise ein Politiker in Fragen der Rotlicht-Milieus als Saubermann positioniert, sich aber selber in einem Sexmagazin als Kontaktvermittler anbietet. Oder wenn sich jemand – um ein anderes reales Beispiel zu nehmen – als besonders glaubwürdiger Finanzpolitiker zu profilieren versucht und seiner Stadt unermüdlich Misswirtschaft und Geldverschwendung vorwirft, selber aber wegen finanzieller Unregelmässigkeiten fristlos eine Stelle als Buchhalter verloren hat. 

Von Geri Müller ist allerdings bislang weder erstellt, noch deutet auch nur das Geringste darauf hin, dass er irgendwann, irgendwie, irgendwo die Rolle des Moralapostels gegeben hätte. Das einzige, was in der unerträglichen Geri Müller-Vernichtung durch die «Schweiz am Sonntag» irgendwelches «Fleisch am Knochen» gehabt haben könnte, wäre der Vorwurf der Amtsanmassung gewesen, oder unter welchem Titel auch immer dies gehandabt worden wäre; falls er also mittels seiner politischen Ämter auch nur versucht hätte, Einfluss darauf zu nehmen, was die Polizei zu tun habe, um eines Handys habhaft zu werden, auf dem sich die inkriminierten Botschaften befunden hatten. Die Aargauer Oberstaatsanwaltschaft hat jedoch bereits am Tag nach der «Schweiz am Sonntag»-Sauerei kundgetan, sie werde gegen Müller kein Verfahren eröffnen. Voilà: zurück bleiben «Luft und Bieswind».

Von Belang hingegen sind demgegenüber die Kollateralschäden der Causa Patrik Müller, eines vordem eigentlich ganz beachtenswerten Hauptschriftleiters eines ebenso interessanten sonntäglichen Imprimats.   

Fassen wir zusammen:

. Patrik Müller hat einen Politiker und Menschen zur Schnecke gemacht.

. Von seinem Badener Verleger Peter Wanner – übrigens einem konvertierten «68-er» – ist seit Jahren bekannt, dass er den Badener Geri Müller am liebsten auf den Mond schiessen würde und ihn seit dessen Wahl lieber vorgestern als erst morgen als Stadtammann von Baden absetzen würde.

. Die angeblich 21-jährige Frau, welche mit Geri Müller irgendwelche Fotos und Messages ausgetauscht hat, ist in Tat und Wahrheit eine 33-jährige Gymnasiallehrerin, die eine Stelle sucht.

. Geri Müller ist ein Querkopf: kantig, knorrig, kämpferisch. Er eckt an; vor allem, seit er 2012 erstaunlicherweise die Wahl zum Stadtammann von Baden schaffte. Selbst der Präsident des örtlichen Gewerbeverbandes attestiert ihm inzwischen eine geschickte und glaubwürdige Amtsführung. Das erstaunt darum, weil Gewerbepolitiker und Grüne, wie Geri Müller einer ist, ansonsten etwa zusammen passen wie Schwartenmagen und Schwarzwäldertorte. 

. Geri Müller ist einer der vehementesten Schweizer Kritiker der offiziellen israelischen Politik, namentlich derjenigen gegenüber den Palästinensern. Mehrfach sind diese Woche Rollen von Leuten thematisiert worden, die – sagen wir es vorsichtigerweise so – in dieser Frage auch schon als heftige Gegenspieler Geri Müllers aufgetreten sind und denen nun ganz offensichtlich eine zentrale Rolle bei den «Enthüllungen» der «Schweiz am Sonntag» zumindest zugemutet wird.

. Mehrere Medien haben – völlig berechtigt – Geri Müller als Politiker und Mensch nachgezeichnet. Sie tun aber teilweise so, als würde es sein kantiges Profil rechtfertigten, ihn derart zu bashen. Die Medien haben keinerlei Berechtigung, irgendwelche Vernichtungen irgendwelcher Menschen – womit wir es hier fraglos zu tun haben - mit irgendwelchen «Begründungen» seines aneckenden politischen oder menschlichen Profils zu verknüpfen. Die Würde des Menschen ist unantastbar!

. Mehrere Medien empören sich über «unappetitliche» Messages zwischen Geri Müller und der zwielichtigen Gymnasiallehrerin, die einen Job sucht. Zugleich aber werden sie nicht müde, sich an selbigen «Details» zu erlaben, um hier kein anderes, wohl zutreffenderes Wort zu verwenden; sprich, immer neue «Enthüllungen», die keine sind, zu kolportieren.

Es liessen sich hier problemlos und zuhauf weitere solche Feststellungen auflisten und hinreichend begründen. Doch der Fall ist glasklar. Wir haben es mit einem Schmierenstück zu tun, von dem wir befürchten müssen, dass es uns – wie auch immer – morgen Sonntag irgendwelche kotzüble Weiterungen zumutet.

Herbert Fischer, Journalist BR, Gründer und Redaktor www.lu-wahlen.ch, Luzern 


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/