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Kolumne der Redaktion

30.04.2014

Auch mit 88 ist Hans Kreis aus Wikon am 1. Mai dabei

Wegen Leuten wie dem pensionierten Zimmermann ist die SP seit Jahrzehnten im Gemeinderat Wikon vertreten, seit 2012 sogar mit zwei von fünf Sitzen.


Wie immer am 1. Mai wird Hans Kreis auch morgen Donnerstag mit dem Velo von Wikon nach Zofingen strampeln, um dort die Feier zum Tag der Arbeit in der Markthalle zu besuchen.

Bild: Herbert Fischer

Wenn morgen die Linken in der Zofinger Markthalle den Tag der Arbeit feiern, ist auch Hans Kreis aus Wikon dabei. Wie immer am 1. Mai. Denn schon unmittelbar nach Abschluss der Lehre trat er 1946 als Zwanzigjähriger dem damaligen Bau- und Holzarbeiterverband (SHBV) bei, der heutigen Gewerkschaft Unia. Und 1959 überzeugte ihn «der Bühlmannhans», sein Vermieter, der diese Partei in Wikon acht Jahre zuvor gegründet hatte, dort auch Genosse zu werden. Weit über Wikon hinaus ist «Kreishans» unter den «Sozis» inzwischen ein Begriff. «Ohne Leute wie ihn hätten wir es auf dem Land noch viel schwerer, Sektionen zu gründen, am Leben zu erhalten und in die Gemeinderäte gewählt zu werden», sagt der Luzerner SP-Kantonalsekretär Sebastian Dissler über den 60 Jahre älteren Parteifreund voller Hochachtung. «Leute wie Hans Kreis sind in der klar bürgerlichen dominierten Landschaft wahre Säulen unserer Bewegung: aufrecht, geradlinig, unermüdlich», so Dissler weiter.

In der Begegnung mit «Kreishans» bestätigt sich das Bild vom Sozialdemokraten alten Schrot und Korns. Er kommt mit dem Velo; ist wach im Kopf; spricht kurze, klare Sätze; erinnert sich gerne der alten Zeiten, die er zwar rekapituliert, aber nicht verherrlicht

Geprägt von seinem Engagement auch in der reformierten Kirche waren stets der Schutz der Schwachen, der soziale Ausgleich, eine starke Sozialpartnerschaft und «gute Schulen für alle, unabhängig vom Bankkonto der Eltern» - Chancengleichheit halt - seine Herzensanliegen; kein klassenkämpferischer Schreihals, sondern Pragmatiker durch und durch; stets auf Anstand und Respekt auch vor Andersdenkenden bedacht – «auch wenn uns die Arbeitgeber und die Bürgerlichen nie etwas geschenkt haben, alles musste stets hart erkämpft werden». Aber so sei nun mal die Politik: «Alles braucht Zeit, man darf einfach nie aufgeben. Zum Beispiel anständige Gesamtarbeitsverträge haben wir erreicht. Sie sind Ausdruck der Sozialpartnerschaft. Ohne sie hätten wir keinen sozialen Frieden in diesem Land», erinnert sich Hans Kreis.

Das tönt, als wären derlei Errungenschaften zwar nur langsam, aber letztlich eben dann doch mehr oder weniger geradlinig erreicht worden. Das war aber weiss Gott nicht immer so. Hans Kreis weiss noch genau, wie beispielsweise Ende der Sechziger Jahre viel Überzeugungsarbeit geleistet werden musste, bis 1971 das Frauenstimmrecht endlich vor Volk und Ständen bestand: «In der Partei war die Stimmung absolut dafür, aber in den Gewerkschaften und unter den Arbeitern war das bei weitem nicht unumstritten. Wir führten deswegen unzählige Gespräche.» 

Hans Kreis, man erahnt es, ist ein Verfechter der sozialdemokratischen Regierungsbeteiligung. Und zwar auf allen Stufen. Justament 1959, als er ihr beitrat, schaffte die SP mit Anton Muheim erstmals die Wahl in die Luzerner Regierung, der sie seither ununterbrochen angehört; während 40 Jahren mit einem von sieben Sitzen, seit 1999 mit einem von fünf.

«Muheimtoni war ein glaubwürdiger Vertreter unserer Sache, ein hervorragender Mann, geachtet und respektiert auch von den Gegnern», rühmt Hans Kreis. Und unterstreicht: «Genau wie Hans-Ernst nach ihm»; meint Hans-Ernst Balsiger, der Muheim 1978 als Regierungsrat folgte. 

Wenn auch in einer anderen Zeit und vor dem Hintergrund eines anderen, nämlich weniger unanständigen politischen Umgangstons zwischen den Parteien als heute: Für die SP Wikon waren in jenen Jahren Leute wie Balsiger und Muheim wirkungsvolle Botschafter und Aushängeschilder. Beide zeigten in Wikon immer wieder Präsenz und halfen so mit, den SP-Sitz im Gemeinderat zu verteidigen. Denn Majorwahlen sind bekanntlich Persönlichkeitswahlen. Also müssen Kandidaturen auch für Leute anderer politischer Richtungen wählbar sein. Wie Esther Ammann, im Gemeinderat seit 2012 zusammen mit Roger Wymann (im Gemeinderat seit 2006): «Es liegt ganz eindeutig an diesen beiden überzeugenden Kandidaturen, dass wir seit 2012 gleich zwei von fünf Gemeinderatssitzen haben. Davon hätte ich niemals geträumt», sagt Hans Kreis, bescheiden, wie er ist.

Aber es liegt auch an ihm, der bei aller Grundsatztreue zugleich immer sich selbst, also authentisch geblieben ist. Der es wagt, Sätze zu sagen, die nicht allen der anderen neun Wikoner SP-Mitglieder gefallen werden.

Und schon gar nicht jenen, die zwar SP-Leute in den Gemeinderat wählen, sie aber - im Vergleich mit bürgerlichen Kandidaturen - bloss als «kleinere Übel» sehen und ihnen nur deshalb die Stimme geben. Hans Kreis sagt nämlich auch: «Wir müssen die Integration der Ausländerinnen und Ausländer verbessern. Und mit der Zuwanderung kann es so nicht weitergehen. Die Stimmung ist nicht gut.» Gefragt, welche Themen denn aus seiner politischen Optik derzeit am meisten brennen, nennt er diese Frage, ohne auch nur eine Sekunde zu studieren. Und ärgert sich weiter, dass im Bildungswesen Reform auf Reform folge, «ständig ist Unruhe». Noch unentschlossen ist Hans Kreis, der als gelernter Zimmermann bei den Genietruppen als Sappeur den Militärdienst geleistet hat, bei der Abstimmung über den «Gripen». Eigentlich, meint er, «müssen wir unter Umständen militärisch rasch und richtig reagieren können, auch aus der Luft». Zum anderen freilich glaubt er nicht so recht, «ob das wirklich auch all die versprochenen Gegengeschäfte aus Schweden brächte». Über die Kosten freilich mag er gar nicht reden – «eigentlich viel zu teuer für die Schweiz; vor allem, wenn man bedenkt, wo das Geld sonst überall fehlt».

Sicher aber ist er sich in einem Punkt: «Bei einem Krieg gibt es am Schluss immer nur Verlierer – ausser in der Rüstungsindustrie». Mit diesem Satz allerdings dürfte er in seiner Partei wieder punkten. 

Sagts und steigt aufs Velo. Und das mit 88 Jahren. 

Herbert Fischer

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Dieser Beitrag ist am 30. April 2014 in den «Luzerner Nachrichten» und im «Zofinger Tagblatt» erschienen.


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/