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Kolumne der Redaktion

07.09.2013

Das «Neubad» ist ein Markstein auf dem Weg Luzerns zur Kreativstadt (1)

An der offiziellen Eröffnung des «Neubad» sprach soeben Professor Alex Willener von der Hochschule für Soziale Arbeit, einer der Motoren dieses Projekts. Er stellte lu-wahlen.ch sein Redemanuskript zur Verfügung.


Einer der Motoren des Projekts Neubad: Professor Alex Willener von der Hochschule Soziale Arbeit in Luzern.

Bilder: Herbert Fischer

Adrian Steiger, Geschäftsleiter des «Neubad» (links, und Heinz Imfeld, einer der unzähligen Unterstützer im Hintergrund.

Magalie Marini (in schwarz) und Rozë Berisha vom Gastroteam des «Neubad» wurden bei der Bewirtung der Gäste der offiziellen Eröffnung am Samstag (7. September) tatkräftig unterstützt von Jana Aregger (rechts) und Mario Stübi vom «Neubad»-Vorstand.

Ramona Schneider vom «Neubad»-Vorstand und Beat Bryan.

Im Gespräch mit Alex Willener: Professor Dieter Geissbühler von der Hochschule für Technik & Architektur.

Professorin Angelika Juppien von der Hochschule für Technik & Architektur, Vorstandsmitglied des «Neubad», und Friedrich Heegemann.

Erich Brechbühl (rechts, Vorstand «Neubad») mit Egon Bapst, Präsident des Vereins Luzern Design, und Gemahlin.

Der Quartierverein Obergrund liess sich an der offiziellen Eröffnung des «Neubad» am Samstag (7. September) prominent vertreten: Präsident Bernhard Müller sowie die Vorstandsmitglieder Irma Steinmann und Judit Aregger.

Baudirektorin Manuela Jost (glp, Mitte) und «Neubad»-Architekt Harry van der Meijs. Links: Friederike Pfromm, Leiterin Immobilien in der Stadtverwaltung.

Geschätzte Anwesende und geschätzte Unterstützerinnen und Unterstützer von «Neubad».

Ich habe die ehrenvolle Aufgabe, ein paar Worte zum übergeordneten Thema der kreativen Stadtentwicklung an Sie zu richten.

Ich komme gerade zurück von der Luzerner Partnerstadt Chicago und nach so einem Besuch in einer Grossstadt relativiert man ja immer ein bisschen die Dinge im kleinen Luzern. Aber gleichzeitig weiss man gewisse Dinge hier wieder zu schätzen.

Was Grösse und Kleinheit anbetrifft, so ist mir in Chicago bewusst geworden, dass Grösse kein Garant für eine interessante, lebendige, attraktive Stadt ist. Jemand sagte: «Chicago used to be a vibrant city, it’s not anymore». Und ein Anderer sagte «Geh nach Seattle, das ist punkto Kreativität, Innovation, Lebendigkeit, Ökologie undosweiter in den USA führend.»

Seattle hat aber nur einen Bruchteil der Grösse Chicagos. Grösse heisst auch nicht, dass man in allen Entwicklungen führend ist, dass man an der vordersten Front ist. Chicago ist zum Beispiel seit fünf Jahren daran, aus einem wunderbaren alten Industrieareal mit vier riesigen Backsteingebäuden einen Creative Industries District zu machen. Der Plan ist bis heute nicht umgesetzt worden. Aber der Kontakt zu den dort engagierten Leuten ist schon hergestellt, sodass, wenn sie dann mal soweit sind – wer weiss –, vielleicht eine Partnerschaft mit «Neubad» realisiert werden kann.

Aber zurück zu meinem Thema und zur Schweiz. Luzern – wir wissen es – ist keine Stadt mit einem Finanzplatz, ist kein Pharmaindustriezentrum, ist auch keine Beamtenstadt und ist kein Eldorado für den globalen Rohstoffhandel. Wir sind aber auch nicht simpel eine Wohnstadt oder eine Touristenstadt. Was könnte also Luzern im Wettbewerb der Städte auszeichnen, ausser der sagenhaften Schönheit, die manche ja abschätzig als Disneyland apostrophieren?

Damit komme ich zum Stichwort der kreativen Stadt, das ich als Potenzial und möglichen Weg für Luzern betrachte. Der Begriff Creative City steht in der städtischen Kulturagenda 2020 und dient dort dazu, Zwischennutzungen zu legitimieren, zu positionieren und zu fördern. Die Ausschreibung des entwässerten Hallenbads gehört konsequenterweise zur diesbezüglichen Strategie. Aber eine Creative City umfasst viel mehr als dies.

Was wäre denn das Rezept für eine kreative Stadt und wie könnte Luzern eine kreative Stadt werden? Aus den Erfahrungen von Städten, die Prozesse der kreativen Stadtentwicklung durchlaufen haben, möchte ich acht Zutaten zu diesem Rezept kurz und ganz wertneutral und ortsunabhängig erläutern. Und Sie könnten ja, während Sie dies hören, wie bei einer Einkaufsliste entweder ein Kreuzchen machen – «ja, das haben wir schon» – oder die jeweilige Zutat als noch Einzukaufendes offen lassen. 

Also, man nehme: 

  1. Als Grundvoraussetzung geistige Offenheit und Weltoffenheit in der Stadt – in der Bevölkerung, in der Politik, in der Wirtschaft;
  2. Es braucht eine kreative Stadtverwaltung, die offen ist für Impulse und Experimente und die Lösungen sucht und nicht nur nach den üblichen Routinen handelt.
  3. Kulturelle Vielfalt im doppelten Sinn: einerseits dass man ethnische Vielfalt als Bereicherung und als Ressource statt als Problem betrachtet (in dieser Hinsicht könnte man übrigens viel von Chicago lernen) und andererseits als Vielfalt der kulturellen Ausdrucksformen;
  4. Neben der Vielfalt ist es aber auch wichtig, Cluster zu bilden für bestimmte Kulturformen: Textildesign, Comic, Musik oder was auch immer – dass eine kritische Masse gebildet wird, die dadurch selbstverstärkend wirkt. Natürlich können solche Cluster nicht künstlich erzeugt werden – sie müssen auf etwas aufbauen, dass schon vorhanden ist; 
  5. Es braucht Hochschulen mit ihrer Forschung und mit ihren talentierten und ideenreichen Absolventinnen und Absolventen – die in der Stadt bleiben und nicht alle wegziehen. Das hingegen setzt die anderen Ingredienzen voraus.
  6. Es braucht Netzwerke oder netzwerkartige Strukturen, die dafür sorgen, dass Leute mit ihren Ideen andocken können. Netzwerke machen Lernprozesse möglich und sind eine Voraussetzung für die Durchführung innovativer und riskanter Projekte. Netzwerkartige Strukturen werden als Grundlage für die Innovationsfähigkeit angesehen;
  7. Es braucht sogenannte kreative Milieus und diese bilden sich aus einer kritischen Masse an Leuten heraus, die ein spezifisches Interesse haben – dieses ist interessanterweise meist mit bestimmten geografischen Orten verknüpft;
  8. Es bedarf also entsprechender stimulierender Umgebungen, Orten, welche die Interaktion zwischen den beteiligten kreativen Akteuren ermöglichen und wo Experimente möglich sind. (Interessanterweise führte die Allgegenwart der Social Media bislang nicht zu einem Rückgang des Wunsches nach physischer Begegnung und realem Austausch.) Netzwerke bilden sich tatsächlich oft um interessante Orte herum. Diese Orte sollen unter anderem kostengünstige Arbeitsstätten bieten, die den Austausch und die gegenseitige Inspiration fördern. Solche Orte zeichnen sich unter anderem durch eine hohe Interaktionsdichte, breiten Öffentlichkeitsbezug, Experimentierfreudigkeit, Improvisationsbereitschaft, Ideenreichtum, Durchmischung und viel Bereitschaft zur Freiwilligenarbeit aus.

Sie merken, ich werde allmählich schon ein wenig weniger neutral und objektiv und steigere mich schon in die Vorfreude des Kochs hinein, bei dem sich die Zutaten allmählich zu einem neuen Geschmackserlebnis verbinden.

Aber wie auch immer: Sie haben alle Ihre eigene Einschätzung, wie Luzern in Bezug auf diese acht Zutaten steht. Ich meine, Luzern hat viele dieser Eigenschaften und damit ein echtes Potenzial für eine kreative Stadtentwicklung, auch wenn es vielleicht da und dort noch ein bisschen Effort braucht. Aber mit «Neubad» haben wir gemeinsam vielleicht eine Art Quantensprung auf diesem Weg erreicht. Wir haben einen Ort mit grosser Ausstrahlungskraft, ein fantastisches Netzwerk mit Hunderten von Leuten und Organisationen mit allen möglichen Hintergründen und Ideen, wir haben die Hochschulen mit spannenden Projekten und viele ihrer AbsolventInnen im Boot und wir haben gemeinsam etwas Neues geschaffen, das es in dieser Kombination noch nirgendwo gibt und das eine grosse Ausstrahlungskraft in die Stadt und weit über die Stadt hinaus haben wird. Einen Ort der Inspiration und Befruchtung; einen Ort, wo Kultur, Kreativität, Wissenschaft, Gesellschaft und Stadtentwicklung in einen Dialog treten können. Einen Ort, wo gestaunt und gefreut, gebastelt und gekocht, musiziert und gezeichnet, programmiert und «glismet», vorgeführt und ausgestellt, diskutiert und entwickelt wird.

Ich bin überzeugt, mit «Neubad» als faszinierendem Kristallisationspunkt kommen wir der kreativen Stadtentwicklung Luzerns einen Riesenschritt weiter.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Alex Willener, Luzern


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/