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Kolumne der Redaktion

14.06.2013

Buch verarbeitet die Geschichte des Luzerner Heimwesens

Die Stadt Luzern hat ein Buch herausgegeben, das die enormen Veränderungen in der Heimerziehung der letzten 200 Jahre behandelt. In einer Ausstellung in der «Kornschütte» wird dieser Prozess am früheren Waisenhaus an der Baselstrasse und der heutigen Jugendsiedlung sichtbar. Die Ausstellung ist nur bis Sonntag (16. Juni, 17h) offen.


Das einstige Waisenhaus an der Baselstras-se. Nach der Eröffnung der Jugendsiedlung Utenberg (1971) wurde es zur Spreuer-brücke verschoben, wo es heute das Natur-historische Museum beheimatet. Das Haus am rechten Bildrand steht immer noch und ist eine Bar an der Ecke, wo die Bruchstras-se beginnt.

Sitzungszimmer der Leitung des Waisenhau-ses an der Baselstrasse.

Esssaal.

Schlafsaal.

Das Ferienheim im Lehn im Sommer...

... und im Winter mit dem Pilatus.

Schlafsaal im Lehn.

Bilder: Stadtarchiv

Stadtarchivarin Daniela Walker ist die Auto-rin des Buches. Rechts: Markus Furrer von der PHZ Luzern, der den «Bericht Kinderhei-me im Kanton Luzern im Zeitraum von 1930 bis 1970» geleitet hat. Links Valentin Beck von der Uni Luzern, Co-Autor von «Hinter Mauern - Fürsorge und Gewalt in kirchlich geführten Erziehungsanstalten im Kanton Luzern» (siehe unter «In Verbindung stehen-de Artikel«).

Bild: Herbert Fischer

Mit der Eröffnung des Waisenhauses an der Baselstrasse durch die Bürgergemeinde nahm die stationäre Kindererziehung in Luzern 1811 ihren Anfang. Daniela Walker beleuchtet im jüngsten Band der städtischen Reihe «Luzern im Wandel der Zeiten» das Luzerner Heimwesen im Verlauf der Geschichte. Wissenschaftlich fundiert und mit eindrücklichen Beispielen und Zitaten zeigt sie die grossen Veränderungen in der Heimerziehung seit ihrem Ursprung vor rund 200 Jahren auf.

Das Waisenhaus als Teil des Armenwesens wird ebenso erörtert wie der Bau und die institutionelle Entwicklung des Luzerner Waisenhauses. Die Autorin beschreibt die stetige Weiterentwicklung und Veränderung der erzieherischen Konzepte und bettet sie in den gesellschaftspolitischen Kontext ein. 

Ein Augenmerk wird dabei auf die Welt der Heimkinder und ihr Leben mit streng geordnetem Alltag und festen Ritualen gelegt. Mit Blick auf die in den letzten Monaten erschienenen Untersuchungen über die Zustände in Luzerner Heimen hat dieses Kapitel besondere Brisanz. Siehe dazu auf dieser Seite weiter unten unter «In Verbindung stehende Artikel».

Das abschliessende Kapitel widmet sich schliesslich der heutigen Kinder- und Jugendsiedlung Utenberg, die das Waisenhaus an der Baselstrasse 1971 abgelöst hat.

Die Ausstellung ist wie folgt geöffnet: Freitag, 14. Juni von 14 bis 20h, Samstag, 15. Juni / Sonntag, 16. Juni:  jeweils von 10 bis 17h.

Das Buch «Vom Waisenhaus zur Kinder- und Jugendsiedlung Utenberg» ist im Buchhandel für 25 Franken erhältlich. Es kann auch bestellt werden (Porto: 7 Franken) beim Stadtarchiv (041 208 81 11, stadtarchiv@stadtluzern.ch). Zudem wird es in der Ausstellung in der «Kornschütte» verkauft.

Das Buch umfasst auch ein Geleitwort von Ruedi Meier (Grüne), der vor dem jetzigen Sozialdirektor Martin Merki (FDP, seit 2012) diese Funktion während zwölf Jahre ausgeübt hatte.

(red)

Geleitwort von Altstadtrat Ruedi Meier (Sozialdirektor 2000 bis 2012)

Die Stadt Luzern hat früh schon Verantwortung für die Unterstützung ihrer schwächeren Bürgerinnen und Bürger übernommen, namentlich auch mit der Gründung des ortsbürgerlichen Waisenhauses 1811. Nicht immer aber war die Hilfe für die Betroffenen ungetrübte Wohltat. 

So sah sich auch die Stadt Luzern mit Vorwürfen konfrontiert, die das ortsbürgerliche Waisenhaus beziehungsweise Kinderheim betrafen. 

In meiner Funktion als Sozialdirektor der Stadt Luzern bis 2012 habe ich selber mit ehemaligen Heimkindern Gespräche geführt und war Mitglied in der Begleitkommission der kantonalen Forschungsgruppe für die Aufarbeitung der Verhältnisse in den Heimen im Kanton Luzern in den Jahren von 1930 bis 1970. 

Für die heute politisch und institutionell Verantwortlichen mag die öffentliche Debatte um das Schicksal und die Erfahrungen der ehemaligen Heim- und Verdingkinder oftmals schwierig sein, doch ist sie unabdingbar. Denn sie gibt den Betroffenen eine Stimme, trägt den häufig traumatisierenden Erlebnissen und Erfahrungen Rechnung und versucht ein Mindestmass an Wiedergutmachung. Die aufrichtig empfundene Bitte um Entschuldigung ist dabei ein selbstverständliches Minimum. Damit verbunden muss ein Angebot zur therapeutischen Unterstützung sein, ebenso wie eine seriöse Auseinandersetzung mit der Frage finanzieller Genugtuungsleistungen. 

Aber zuhören, ernst nehmen, entschuldigen und Unterstützung leisten alleine genügen nicht. Wichtig und wertvoll ist auch, dass das individuell Erlebte dokumentiert und in der historischen Forschung und der Geschichtsschreibung abgebildet wird. 

Die vorliegende Publikation tut eben dies, bettet das Erfahrene, die traurigen Schicksale vieler Kinder in politische und gesellschaftliche Zusammenhänge ein. Sie zeigt die Auswirkungen rigoroser Einstellungen und ungenügender Ressourcen, aber auch die Einsicht mancher Verantwortlichen in früherer Zeit über mögliche negative Folgen nicht kind- und jugendgerechter Zustände. 

Die historische Aufarbeitung dient nicht nur der Bewältigung einer unschönen Vergangenheit, sondern auch aktuellem und künftigem Handeln in der Kinder-, Jugend- und Familienpolitik. Das Geschehen von gestern soll für heute und morgen positiv nutzbar gemacht werden. Lassen wir uns von den Ausführungen dieses Buches berühren und legen damit einen kritischen und sensiblen Boden für die persönlichen und gesellschaftlichen Einstellungen, die politischen Leitlinien und die konkreten Konzepte und Lösungen von heute und morgen. Dies im Interesse unserer Kinder, Jugendlichen und Familien – auch für kommende Generationen.

Ruedi Meier, Mai 2013


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/