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Kolumne der Redaktion

26.10.2012

100 Jahre CVP (2): Erster Vertreter im Bundesrat war der Entlebucher Josef Zemp

Wenn jetzt 100 Jahre CVP gefeiert werden, ist unweigerlich auch die Rede vom ersten Konservativen im Bundesrat, vom Entlebucher Josef Zemp, welcher der Landesregierung von 1892 bis 1908 angehört hatte. Vor vier Jahren ist zu seinem Wirken ein Buch erschienen, das unter anderem im «Bund» (Ausgabe vom 30. Dezember 2008) vorgestellt worden ist. Hier folgt dieser Beitrag im Wortlaut.


Der Entlebucher Josef Zemp (1834 bis 1908) war der erste Bundesrat, der nicht den Freisinn, sondern die Konservativen vertrat.

Bundesrat Josef Zemp

Er bahnte der Konkordanz eine Gasse

Was sich in den letzten Wochen rund um die Bundesratwahl abspielte, hat in der Geschichte auffällige Parallelen. Das belegt ein Buch über Josef Zemp, den ersten Bundesrat, der nicht freisinnig war. 

Das Timing hätte besser nicht sein können. Justament, als die Medien im Vorfeld der Bundesratswahl vom 10. Dezember mit der Konkordanz-Debatte landauf, landab überquollen, lag ein Buch vor, das frappante Analogien zur Geschichte herstellt. Herausgegeben hat es eine Gruppe um den Luzerner CVP-Bildungs- und Kulturdirektor Anton Schwingruber. Ihr war es gelungen, bekannte und bewährte Autorinnen und Autoren zu gewinnen, um Wesen, Wege, Wirken und Werk und damit das politische Vermächtnis von Josef Zemp nachzuzeichnen.  

1891 erstmals ein Konservativer

Denn Zemp (1834 bis 1908) rückte vom Sohn eines Krämers und Gerichtsschreibers und als volksverbundener Anwalt in Entlebuch vorerst zum Grossrat und dann zum Luzerner Stände- und Nationalrat auf. Und 1891 zum ersten Bundesrat katholisch-konservativer Prägung. Anlass zur Entstehung des Buches bot der Todestag von Zemp, der sich ausgerechnet zwei Tage vor der jüngsten und heftig umstrittenen Kür eines Mitglieds der Landesregierung zum hundertsten Mal jährte. 

Als Herausgeber des biografischen Lexikons «Die Schweizer Bundesräte» ist der Freiburger Zeitgeschichte-Professor Urs Altermatt zweifelsfrei der derzeit profundeste Kenner der Landesregierung und ihrer Mitglieder. Er würdigt Josef Zemp als einen «Mann des Ausgleichs» und damit als «Wegbereiter der helvetischen Konkordanz». Ähnlich wie 1943 Ernst Nobs für die Sozialdemokratie habe Zemp als Symbolfigur der politischen Integration und Gleichberechtigung im Bundesrat (1892 bis 1908) gewirkt. Bereits 1886 hatte Zemps Wahl zum Nationalratspräsidenten die seit 1848 währende Mauer des Freisinns geknackt. In einer eigenen Partei war diese politische Richtung damals noch nicht vereint, wohl aber in einer eigenen Fraktion.  

Distanz auch zum eigenen Lager

Bundesrat Josef Zemp legte, wie schon zuvor als eidgenössischer Parlamentarier, erst recht als Landesvater grössten Wert auf Unabhängigkeit – auch gegenüber dem eigenen Lager; er blieb dessen Fraktionssitzungen strikte fern. Ebenso enthielt er sich konfessioneller Positionen, die in der Öffentlichkeit provokativ hätten wirken können. In der noch immer vom Sonderbundskrieg her emotionalisierten Stimmung wirkte der Luzerner laut Altermatt «überall auf den helvetischen Kompromiss und die Versöhnung hin, ohne deswegen seine Grundsätze aufzugeben». Für diese Gradlinigkeit und Unermüdlichkeit zollten Zemp alle Seiten Respekt und Dankbarkeit. 

Zu seinen herausragenden Leistungen gehört die Nationalisierung des Eisenbahnwesens, welche der Souverän am 20. Februar 1898 mit 68 Prozent Ja-Stimmen definitiv genehmigte. Bis 1891 als Eisenbahnfachmann selber ein Gegner der Privatbahnen-Verstaatlichung, wurde er als Bundesrat «vom Saulus zum Paulus und stellte sich an die Spitze der Vertreter eines Systemwechsels», wie Professor Christoph Maria Merki von der Uni Bern feststellt. 

Eben erst in neuem Glanz erstrahlt, gründet das Bundeshaus in Zemps Präsidialjahr (1902). Für den Politikwissenschafter Leonhard Neidhart (Zürich) war es sichtbarer Ausdruck der im Laufe der Jahre erstarkten Institutionen des Bundes. Bundespräsident Zemp eröffnete den Palast, indem er dessen Symbolkraft zu würdigen wusste und Parallelen zwischen Land und Leuten zu dessen Anblick und Funktion herstellte. In diesem Haus sollten «für und zu allen Zeiten walten: Gerechtigkeit, Weisheit, Treue und Liebe zum schönen und freien Vaterland». Derlei würdevolle Worten verraten, wie auch andere Stellen des Buches mit ihren detailreichen Schilderungen, die Grundhaltung des katholischen Konservativen ebenso wie sein Selbstverständnis als Staatsmann. 

Schon damals Grundwerte-Debatte 

Wer die Wurzeln heutiger Grundwerte der Demokratie hiesiger Prägung verstehen will, findet in dem Werk wichtige, ja wegweisende Ursprünge. Die Unabhängigkeit des Parlaments etwa, das sich somit auch nicht erpressen lässt; die Idee der Konkordanz, die damals – zaghaft zwar, aber immerhin unaufhaltsam –  zu wachsen und reifen begann; oder der Umgang mit und der Respekt für Andersdenkende; erst recht auch die Fähigkeit des Systems zum Kompromiss zwischen Zentralismus und Föderalismus.

Mit-Herausgeber Alois Hartmann, als ehemaliger Politiker der CVP und Chefredaktor ihres Zentralorgans «Vaterland» ein fundierter Kenner seiner politischen Vorfahren und Vorbilder, sieht das Ziel erreicht, mittels dieses Werkes «die Erinnerung an einen grossen Politiker wachzurufen» und damit geschichtliches Bewusstsein zu wecken und den Sinn für das politische System und dessen Funktionsweise zu schärfen.

Diesen Anspruch erfüllt das Werk fraglos. Es eignet sich gewiss auch als leicht lesbares Lehrmittel, das aus ungewohnten Perspektiven die heutige Zeit zu reflektieren versteht. 

Herbert Fischer, Luzern

(Dieser Beitrag ist am 30. Dezember 2008 in der Berner Tageszeitung Bund erschienen)

Alois Hartmann und Hans Moos (Hrsg.): Josef Zemp. Ein Bundesrat schafft den Ausgleich. Sein Leben und Wirken im Dialog mit der Gegenwart. Druckerei Schüpfheim AG, Schüpfheim 2008. ISBN: 978-3-907821-56-5. Preis: Fr. 32.50.


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/