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Kolumne der Redaktion

19.10.2012

Warum das Ende des «Volkshauses» ein «Waterloo» für Luzerns Linke ist

Wieder spielt sich Luzern ein politisches Drama ab, wieder versagt die Linke jämmerlich: Sie verliert am nächsten Montag (22. Oktober) für immer ihr «Volkshaus». Der Journalist Herbert Fischer (61) - Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch und daselbst als einstiger Sozialdemokrat (1970 bis 1981) selber Stammgast - über den Verlust eines Teils seiner eigenen Biografie und jener der Luzerner Arbeiterbewegung.


Wenn sie den unablässig verfemten Klassenfeind – oder besser noch – den «Raubtier-», den «Casino-» oder den «Dschungel-Kapitalismus», je nach Zielpublikum halt, gehörig geisseln können, kennen viele, sehr viele Sozis keine Gnade. Erst recht gilt dies für die Gewerkschaften und ihre – zumindest meist – lautstarken Schreihals-Funktionäre.

Geht da «eine Bude hops», floppt dort ein CEO mit Millionengehalt und obszönen Boni: Sozis und Gewerkschaften wissen stets, wie «es» richtig hätte laufen müssen, was «alles falsch» war, was «keinesfalls akzeptiert werden» kann. Meist kennt man die Liesel am Geläut: Wenn Sozis und all ihre Seitenwagen hüsteln, erwarten sie ultimativ, dass Land und Leute unter einer Lungenentzündung leiden. So geht das und zwar geht das seit Jahren so.

Derlei Ouvertüren sind hier vonnöten, um ein Ereignis zu verorten, dessen Unglaublichkeit allein anhand der vordergründigen Fakten wohl kaum wirkliches Empörungspotential hätte, steckten nicht genau selbige Sozis und Gewerkschaftsleute dahinter. Pfuiteufel!

Fakt ist: Gegründet 100 Jahren wird die Volkshausgenossenschaft Luzern binnen Tagen ein Fall für den Konkursrichter, falls sie nicht subito in der Lage ist, flüssige Mittel aufzutreiben. Am nächsten Montag (22. Oktober) tagt diesbezüglich das Jüngste Gericht, nämlich eine ausserordentliche Generalversammlung.

Rückblende: Vor dem Ersten Weltkrieg gründeten BüezerInnen selbige Volkshausgenossenschaft, um die eigene Bewegung physisch in eine politische Heimat zu betten. Die damals mehr und mehr erstarkende Arbeiterbewegung hatte nämlich zunehmend Mühe, in Gasthäusern des Bürgertums Lokale für ihre Veranstaltungen zu finden. 

Die Geschichte des Luzerner Volkshauses, das seit 1974, historisch und damit äusserlich völlig unverdächtig, als «Anker» firmiert, ist ein aussagekräftiges Abbild der Geschichte der Luzerner Linken: der takt- und trittfest organisierten und agierenden Arbeiterbewegung (SP, Gewerkschaften, Arbeiterkultur- und -sportvereine) ebenso wie ihrer mehr oder weniger tolerierten Nebengeräusche. Denn justament, als es darum ging, den «68-ern» Lokale zwecks Beschwörung eines angeblich vor-revolutionären Klimas zur Verfügung zu stellen, verhielt sich die Volkshausgenossenschaft gegenüber diesen «jungen Wilden» haargenau so, wie sich bürgerliche Wirte weiland gegenüber ihren eigenen politischen Urahnen gebärdet hatten, als sie ihnen also Säle und Sitzungszimmer verweigerten. Belege dafür gibt’s zuhauf.

Auch daran zeigt sich, wie widersprüchlich, um nicht zu sagen unglaubwürdig sich SP, Gewerkschaften und zugewandte Orte gegenüber ihrer eigenen Geschichte benehmen; wie – echte ebenso wie vermeintliche – Macht korrumpiert; wie Abhängigkeiten die eigene Vergangenheit auszublenden vermögen; dieses Thema wäre hier übrigens allein ein Opus magnum wert. Dabei wäre doch der Respekt vor den Urahnen und ihren historischen Leistungen Grund genug, ihre Verdienste zu ehren und – dies vor allem – zu mehren, sprich: zukunftsfähig zu machen.

In den letzten Tagen nun aber offenbarten sich Ungeheuerlichkeiten, die sämtliche Irrungen und Wirrungen dieses einst so stolzen Hauses und seiner um das Gedeihen dieses Staatswesens so hoch verdienten EignerInnen übertreffen. Denn es ist und bleibt doch wohl unbestritten: Der soziale Frieden dieses Landes wurzelt in einer starken und somit tragfähigen Sozialpartnerschaft, vorab im sogenannten Friedensabkommen aus dem Jahre 1937 zwischen dem Arbeitgeberverband der Schweizerischen Maschinenindustrie und der Gewerkschaft SMUV. Und bereits mit ihren allerersten Bundesräten Ernst Nobs, Max Weber, Hanspeter Tschudi und Willy Spühler und ihren unbestrittenen Leistungausweisen hat sich die Arbeiterbewegung definitiv in die Geschichte dieses Landes eingetragen; mit Leistungsausweise, die getragen und geprägt sind vom erfolgreichen Bemühen und den sozialen Ausgleich, um eine demokratische Pluralität, die diesen ehrenwerten Namen wirklich verdient.

Herbert Fischer, Gründer und Redaktor lu-wahlen.ch - das ganze meinungsspektrum

Schauen Sie hier bitte bald wieder rein: Dieser Beitrag konnte aus Gründen der bescheidenen redaktionellen Ressourcen von lu-wahlen.ch nicht wie vorgesehen am letzten Samstag (20. Oktober) ergänzt werden. Seine Fortsetzung folgt deshalb morgen Dienstag (23. Oktober) oder am Mittwoch. (red.)


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/