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Kolumne der Redaktion

13.09.2012

Was FDP-Nationalrat Peter Schilliger an der Gedenkfeier für den grossen Liberalen Jakob Robert Steiger in Beromünster sagte

An der gestrigen Steiger-Gedenkfeier sprach auch der Präsident der FDP.Die Liberalen des Kantons Luzern, Nationalrat Peter Schilliger. Hier folgt das Manuskript seiner Rede. Veranstaltet hatte den Gedenkanlass das Blumenhaus Steiger, Beromünster, und zwar aus Anlass seines 75-jährigen Bestehens.


Auch Nationalrat Peter Schilliger, Präsident FDP.Die Liberalen des Kantons Luzern, würdigte Jakob Robert Steiger als herausragende Figur in der Geschichte des Bundesstaates und der Liberalen.

Bilder Herbert Fischer

Unter den vielen BesucherInnen des Anlasses und kämpferisch wie eh und je: das liberale Ur-Gestein Alexander Wili aus Kriens, der letzten November an vorderster Front mithalf, Fusionsabklärungen zwischen Kriens und Luzern zu bodigen.

Was bedeutet für uns Jakob Robert Steiger? Wenn Sie, geschätzte Besucherinnen und Besucher, noch Mühe haben mit der Beantwortung dieser Frage, soll dies Sie nicht zur Sorge verleiten. Denn auch ich hätte mich vor einem Jahr nicht getraut, darüber eine Ansprache zu halten. Und gäbe es nicht umtriebige Zeitgenossen, wie der den meisten Anwesenden bestens bekannte Pirmin Meier (Gymnasiallehrer und historischer Schriftsteller), würden Geschichten oder das heutige Jubiläum kaum in dieser Tiefe gepflegt. Das breite Volkswissen würde sicherlich ebenso darunter leiden.

Wenn Sie sich jedoch zu Beginn meines Referates bewusst sind, dass bei der Trauerfeier des heute gewürdigten 150 jährigen Todestag unter anderem der ehemalige Nationalratspräsident und Industriekönig Alfred Escher aus Zürich oder der erste - und auch als erster abgewählte - Bundesrat Ulrich Ochsenbein teilgenommen haben, kommt das Wirken der Person Jakob Robert Steiger in ein ganz anderes Licht.

Am Tag des 164. Geburtstages unserer Bundesverfassung ehren wir heute also eine spezielle und für unsere Schweiz grosse Person: den Luzerner Arzt, Politiker und Blumenfreund Jakob Robert Steiger. Diese Gedenkfeier ist auch ein schönes Beispiel dafür, was die Schweiz, den Kanton Luzern und auch unsere Gemeinden stark gemacht hat. Es ist die Verknüpfung von traditionellen Werten der Beständigkeit und der unternehmerischen Eigeninitiative.  Denn ich kann mich nicht erinnern, dass ein KMU-Betrieb ein vergleichbares historisches Jubiläum veranstaltet hat. Auch das Dolderhaus, eine eigenständige Stiftung für Kultur, ist dafür ein Beispiel. Es verdankt seine Gründung der Stiftung eines Arztes, Dr. Edmund Müller, der wie Robert Steiger auf dem Land gewirkt hat und wie Robert Steiger Gynäkologe gewesen war. Gynäkologie hat auch etwas mit Geburtshilfe zu tun. Jakob Robert Steiger hat aber nicht nur als Arzt Geburtshilfe geleistet. Er war einer der grössten liberalen Pioniere überhaupt und in dieser Form auch ein Geburtshelfer der heutigen Schweiz.

Einige Beispiele:

• 1831 leistete er als Verfassungsrat Geburtshilfe für die Demokratie im Kanton Luzern. Dass wir, in Gemeinde und Kanton, unsere Behörden wählen und abwählen können, ist nicht selbstverständlich. Auch nicht die Gewaltentrennung. Noch viel weniger die Meinungsfreiheit. Dafür hat der junge Arzt Jakob Robert Steiger schon im Alter von 30 Jahren Pionierdienste geleistet.

• Steiger war Gründer von mehreren Zeitungen. Meinungsfreiheit ist Pressefreiheit. Die «Surseer Woche» hat letzte Woche darauf hingewiesen, dass es Steiger gewesen ist, der die erste Zeitung in Sursee gegründet hat, den «Eidgenossen». Dieser ist später in Luzern herausgekommen. Mit der damaligen konservativen «Luzerner Zeitung» wurden regelmässig leidenschaftliche Meinungsverschiedenheiten ausgetragen. Die meisten von uns erinnern sich noch an die Zeit, als im Kanton Luzern noch eine echte Pressevielfalt herrschte mit drei eigenständigen Tageszeitungen mit unterschiedlichen Haltungen. Heute ist es im Kanton Luzern nicht nur für Liberale, sondern auch für die ehemaligen Konservativen und für die Linke schwieriger geworden, ihre Meinungen zu verbreiten. Zwar gibt es das Internet. Ich beurteile es aber als einen wesentlichen Mehrwert, dass auf dem Lande, wo ja Steiger herkommt, immer noch eine gute Pressevielfalt herrscht. Aber wirklich mutige Artikel, wie Steiger sie schrieb, liest man nur noch selten. Steiger gilt zwar als liberaler Parteimann. In Wirklichkeit hat er aber immer eigenständig seine eigene Meinung gesagt, oft auch zum Ärger von Parteifreunden, die weniger mutig waren: Die gut begründete persönliche Meinung mit Grundsätzen - das ist eben liberal!

• Steiger hat als einer der ersten gewusst, wie wichtig Bildungspolitik ist. Im Erziehungsrat war er nicht nur Beisitzer. Er hat Nägel mit Köpfen eingeschlagen. Gerade, weil er sozial von unten kam, setzte er sich für eine Bildung für alle ein. Zu einer Zeit, wo noch viele sogar bei den Unterschriften gegen seine Erschiessung nur mit drei Kreuzen unterschreiben konnten. Für ihn war aber Bildung Staatsaufgabe. Dies zu einer Zeit, wo die ersten Schulpflegepräsidenten und alle wichtigen Bildungspolitiker ausschliesslich Geistliche waren. Der Erziehungsrat sollte die Richtlinien der Bildungspolitik formulieren. Auch aus diesem Grunde war er gegen die Jesuiten, die eine Aufsicht über ihre Schulen für überflüssig fanden. Mit dem Beromünsterer Philosophen Troxler war Steiger auch für eine schweizerische Universität. Das ist ihm nicht gelungen. Dafür gründete er die ETH Zürich 1855 mit - auch das eine Pionierleistung. Als Mitglied des Eidgenössischen Schulrates ist Steiger einer der ersten gewesen, die eine eidgenössische Bildungspolitik betrieben haben.

• Steiger war eidgenössischer Tagsatzungsgesandter. Zusammen mit Ulrich Ochsenbein und Jonas Furrer hat er der Verfassung von 1848 den Stempel aufgedrückt. Das genügte aber nicht. Wie kein zweiter konnte er (gemäss mir zugestellter Informationen) diese Verfassung auch dem Volk erklären. Und er hat auch bereits ein Beispiel gegeben, wie man in der Schweiz Politik machen muss. Mit einer klaren Haltung - Steiger verstand sich als «radikal» und hat auch radikale Haltungen vertreten. Aber auch er wusste: Am Schluss muss man auch fähig sein, einen Kompromiss zu vertreten. Denn die Interessen des Landes, des Kantons, sind wichtiger als die Interessen einer Partei. Auch in dieser Beziehung hat Steiger Massstäbe gesetzt.

• Steiger hat in seiner politischen Laufbahn sehr viel riskiert. Sogar sein Leben. In der Opposition gegen die konservative Regierung schreckte er auch vor ungesetzlichen Aktionen nicht zurück. Er war also ein Revolutionär. Aber eines bleibt wichtig: Nach der Revolution galt strenge Gesetzlichkeit, strengste Rechtstaatlichkeit. Steiger war aber folgender Meinung: Der Staat existiert nicht von Natur aus. Der Staat existiert aus Vertrag. Dieser Vertrag kann gekündigt werden. Was bedeutet das heute? Es ist kein Aufruf zu ungesetzlichem Handeln. Aber etwas dürfen wir trotzdem nicht vergessen: Es ist freiwillig, dass es die Schweiz gibt. Die Schweiz ist eine Willensnation. Wenn wir in Recht und Freiheit und Föderalismus keinen Wert mehr sehen, können wir die Schweiz aufgeben. Aber wollen wir das wirklich? Gibt es ein anderes Modell, das für uns besser ist? Wir leben nicht in der bestmöglichen Republik, aber wir kennen trotzdem keine bessere. Das ist das Resultat der liberalen Grundhaltung unserer Schweiz.

• Heute haben wir keine Parteiveranstaltung. Aber als Präsident der FDP.Die Liberalen des Kantons Luzern darf ich mir eine Bemerkung erlauben. Wir sind heute nicht mehr ganz so stark wie früher, als wir sogar 1848 in Beromünster die Mehrheit gehabt hatten. Wir sind aber nicht deswegen schwächer geworden, weil wir grosse Fehler gemacht haben. Wir sind schwächer geworden, weil alle anderen auch liberal sein wollen. Die CVP behauptet heute, «liberal-sozial» zu sein. Wenn die Linken auf Meinungsfreiheit pochen, nennen sie sich auch liberal. Die Grünen haben nicht mehr ganz so viel Erfolg, also kommen die «Grünliberalen». Und selbst die SVP behauptet ab und zu, sie sei «liberal-konservativ». Die Anzahl der Parteien wurde grösser, der Fokus wurde thematisch aufgeteilt und KEINE verkauft sich heute mehr ohne das Etikett «liberal».

• Dass der heutige Anlass aber von einer Firma des Gartengewerbes - von Blumen-Steiger, Beromünster - durchgeführt wird, freut mich nicht nur, weil die KMU immer noch das Rückgrat der luzernischen, der Schweizerischen Wirtschaft sind und es auch bleiben sollen. Es freut mich vor allem, weil das Gärtnereigewerbe im Sinne von Jakob Robert Steiger Natur und Kultur verbindet. Bei Steiger ist es interessant, dass er für Neuerungen in der Landwirtschaft, beim Gartenbau, undsoweiter absolut aufgeschlossen war, zugleich aber wie kein zweiter Politiker auf die Schönheit der einheimischen Flora aufmerksam gemacht hat. Steiger war kein Fundamentalist. Sein Blick auf die Politik, die Bildung und die Natur war realistisch und vernünftig. Dass er aber viel mehr Mut gehabt hat als wir alle, das wollen wir nicht vergessen. Das ist eine Herausforderung, besonders auch für alle, die meinen, auch noch etwas liberal zu sein. 

Nach dieser langen, in Anbetracht des umfangreichen Wirkens von Jakob Robert Steiger jedoch trotzdem kurzen Würdigung, erlaube ich mir, einen kurzen Vergleich zur heutigen liberalen (radikalen) Politik zu machen. Ich stelle fest, dass die Zielsetzung die gleiche blieb. Ein wesentlicher Eckpunkt unseres Gefüges ist die klare Gewaltentrennung. Kaum ein anderes Volk kann mittels direkter Demokratie in die Ausgestaltung von Verfassung und Gesetzen einen so grossen Einfluss nehmen. Es ist der Wille des Volkes, diesen Bund, Kantone und Gemeinden laufend weiter zu entwickeln und die eigens zusammengestellte Regierung zu bestimmen. Führungsleute der FDP wissen, dass die Politik nicht nur aus Budget und Steuern besteht. Die Ressourcenpflege - Bildung, Gesundheit, Soziales oder eben die Energie- und Umweltpolitik - gehören klar dazu. Als Unternehmer weiss ich dies doppelt, aber die nicht sehr breite Medienpalette versucht uns laufend nur auf der Finanz- und Wirtschaftsschiene zu präsentieren. Querdenker gibt es auch heute in der FDP, Otto Ineichen war auch ein solcher. Bequem sein kann keine liberale Eigenschaft sein. Nur mit radikalen Denkansätzen lassen sich neue Ideen formulieren. Das Ergebnis wird dann im Kompromiss, im Konsens gefunden – und zu Kompromissen gilt es dann ebenso klar JA zu sagen. Ein politisch reifes Volk braucht die harte Diskussion, jedoch auch den Willen, einen Lösungsweg zu finden, denn die kleine Korrektur in die richtige Richtung ist besser als keine Veränderung! Die Freidenker habe ich positiv hervorgehoben, als Partei-Präsident bin ich allerdings dankbar, wenn sich diese in eine übersehbaren Menge halten…..

Zum Schluss komme ich zur Gratulation und zum Dank: Ich gratuliere allen Beteiligten zu diesem Anlass und wünsche der Firma Blumen-Steiger heute schon zu ihrem nächstjährigen 75. Jubiläumsjahr viel Glück. Ich hoffe, dass dieses Jubiläumsfest Tradition wird, zusammen mit einer KMU-Darstellung macht dies doppelt Freude! Herzlichen Dank allen Beteiligten und ihnen vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

Nationalrat Peter Schilliger, Präsident FDP.Die Liberalen des Kantons Luzern, Udligenswil


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Über Herbert Fischer:

Herbert Fischer (1951) arbeitet seit 1969 als Journalist und Pressefotograf. Er war unter anderem Redaktor der «LNN», der «Berner Zeitung» und Chefredaktor der «Zuger Presse». Seine Kernthemen sind Medien (Medienwirkung, Medienethik, Medienpolitik), direkte Demokratie, Sicherheitspolitik, soziale Fragen und gesellschaftliche Entwicklungen. Heute berät und unterstützt er Firmen, Organisationen und Persönlichkeiten in der Öffentlichkeitsarbeit. Fischer war von 1971 bis 1981 Mitglied der SP der Stadt Luzern, seither ist er parteilos. Er ist in Sursee geboren und Bürger von Triengen und Luzern, wo er seit 1953 lebt. Herbert Fischer ist Gründer und Redaktor von lu-wahlen.ch.


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1. Dezember 2021: Hanns Fuchs schreibt über Herbert Fischer:
http://www.luzern60plus.ch/aktuell/artikel/ein-strurbock-im-medienzirkus

Interview von Radio 3fach am 27. August 2012 mit Herbert Fischer:
www.3fach.ch/main-story/lu-wahlen/