12.03.2012

Vorsicht, Satire (18): Der Mutterkuchengraben

Peter Schneider in der «Sonntagszeitung» vom 11. März 2012 über die 66jährige Pfarrerin, die Zwillinge gebar.

© SonntagsZeitung; 11.03.2012; Seite 1

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Der Mutterkuchengraben

Es stand im «Blick»: «Mit ihrer Zwillingsgeburt im Alter von 66 Jahren spaltet die ehemalige Pfarrerin aus Grüsch GR die Schweiz: «Ihr gutes Recht», sagen die einen, «purer Egoismus», schimpfen die anderen.

Wahrlich, wahrlich, ich aber frage euch: Warum soll man nicht auch mit 66 noch die Schweiz spalten dürfen, solange alle damit einverstanden sind? Doch was, «wenn unerwartet eine Krankheit eintritt und die Mutter mit 72 ins Altersheim muss? Ihre Zwillinge», hat «Blick» ausgerechnet, «sind dann gerade sechsjährig.» Wenn sie mit 71 ins Heim muss, sind die Zwillinge sogar erst fünf. Beide! Der Leiter der Alterssiedlung Kantengut sieht logistische Probleme: «Wir haben nur Einzelzimmer.» Man kann sich unschwer ausmalen, was passiert, wenn die Zwillinge auch noch schwanger werden.

Die Experten wurden vorsichtshalber schon mal alarmiert. Unterdessen bricht die Taxifahrerin ihr Schweigen: «Ich fuhr die schwangere Pfarrerin ins Spital.» Sie hat nur ihren Job gemacht, sagen die einen; man sollte sie wegen Beihilfe lebenslänglich im Heim verwahren, schimpfen andere. Alle zusammen werden jetzt von Fachpersonen psychopathisch betreut.

Peter Schneider