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Leserbrief von Hans-Jörg Weiss

07.08.2012

Beschneidungen: Jetzt müssten eigentlich die Minarett-Gegner aufschreien

Es erstaunt und irritiert mich, dass die sogenannte Beschneidungsdebatte auf lu-wahlen.ch nicht stattfindet.


Was ist geschehen? Ein deutsches Kreisgericht hat vor ein paar Wochen entschieden, dass die Beschneidung von Knaben im Unmündigkeitsalter und somit ohne ihr Einverständnis nicht rechtens ist. Das Urteil wirft in Deutschland hohe Wellen und auch in der Schweiz wird darüber diskutiert. Hierzulande allerdings nicht in jener Grundsätzlichkeit, wie man dies eigentlich erwarten sollen dürfte; jedenfalls, wenn wir uns daran erinnern, dass vor noch nicht allzu langer Zeit die sogenannte Minarett-Initiative debattiert worden war und schliesslich vom Souverän beschlossen wurde.

Auch wenn ein deutsches Gerichtsurteil keine Auswirkungen auf die Praxis in Schweizer Spitälern und Arztpraxen hat, stellen sich ein paar grundsätzliche Fragen. Sie sind es denn auch, die mich beschäftigen und zwar aus mehreren Gründen.

1.: Es geht hier um die meines Erachtens sehr wichtige Frage, was höher zu gewichten sei: Das Rechtsgut der Religionsfreiheit oder das Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit. Vorliegend ist es aus meiner Sicht fraglos die körperliche Integrität, zumal die Betroffenen selber gar nicht in der Lage sind, sich dazu zu äussern. 

2.: Ausser Frage steht für mich allerdings auch das Grundrecht der Religionsfreiheit, eines der Basics einer freiheitlich-liberalen Gesellschaft und ihrer Verfassung.

3.: Leute die sich seinerzeit für das Minarettverbot stark gemacht haben, müssten meines Erachtens jetzt ebenso engagiert ein Beschneidungsverbot fordern. Denn es ist ein Widerspruch, einerseits angesichts von vier oder fünf (damals) real existierenden Minaretten (in der ganzen Schweiz!) den bevorstehenden Untergang der christlich-abendländische Kultur anzukündigen, gleichzeitig aber kein einziges Wort über die Beschneidungen zu «verlieren». 

4.: Ich vermute, viele Leute hätten zwar sehr wohl eine Meinung zu dieser Debatte und finden, «eigentlich» wäre sie nun auch in der Schweiz angezeigt, wenn nicht gar überfällig. Allerdings gehören bekanntlich Beschneidungen von Knaben sowohl zum Judentum wie zum Islam. Und da wollen es so manche Leute offensichtlich gar nicht erst wagen, als Gegner der einen oder anderen Kultur dazustehen.

5.: Weder der Islam, das Judentum noch das Christentum stehen jedoch in einer liberalen Gesellschaft mit freier Meinungsäusserung unter Artenschutz und es muss darum möglich sein, sie und ihre Rituale, so alt sie auch sein mögen, unter dem Aspekt der Rechtsgüterabwägung – beispielsweise eben: Religionsfreiheit versus körperliche Integrität – zu thematisieren. Darf genau dies nicht mehr stattfinden, so tolerieren wir Parallelgesellschaften nicht nur, wir fördern sie geradezu. Das wäre dann allerdings ziemlich genau das Gegenteil von Integration!

Ich wünsche mir, dass auch auf lu-wahlen.ch diese Debatte nun beginnt und ich hoffe, hiermit den (zweiten) «Anfang» gemacht zu haben.

Hans-Jörg Weiss, Luzern


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