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Leserbrief von Michael Töngi

12.06.2011

Yvette Estermann: «Erfrischend anders»

Nachdem der «Tagesanzeiger» letzten Freitag (10. Juni 2011) Ungereimtheiten bei der «Yvette-Estermann-Stiftung» aufgedeckt hatte, legt der grüne Kantonsrat Michael Töngi nun Medienberichte vor, welche erst recht Fragen rund um die SVP-Nationalrätin aufwerfen.


Immer schön lächeln und gegen Kritik die Ohren verstopfen: SVP-Nationalrätin Yvette Estermann am 7. Mai 2011 in Sempach bei einem Salutschiessen für Verteidigungsminister und Parteifreund Ueli Maurer.<br><br>Bild: Herbert Fischer

SVP-Nationalrätin Yvette Estermann am 7. Mai 2011 in Sempach bei einem Salutschiessen für Verteidigungsminister und Parteifreund Ueli Maurer.

Bild: Herbert Fischer

Yvette Estermann trat im Wahlherbst 2007 mit dem Slogan «Erfrischend anders» zu den Nationalratswahlen an. Von ihrer Andersartigkeit überzeugte sie die Stimmbevölkerung via ganzseitige Zeitungsinserate, mit Flyern, die in mehreren Wellen in der Region verteilt wurden, und durch Plakate. Das Ganze wird eine schöne Stange Geld gekostet haben, wahrscheinlich eher mehrere hunderttausend Franken als nur einige Zehntausende. Dank der hiesigen Nicht-Regelung bezüglich der Deklaration, also Transparenz von Wahlkampfgeldern werden wir die Summe nie erfahren – Yvette Estermann hatte auf meine Nachfrage damals nicht reagiert. 

Wie die Estermanns reich wurden

Geld ist im Haushalt der Familie Estermann keine Mangelware. Kein Wunder, hat man dieses doch mit einer durchaus kreativen Geschäftsidee verdient: Mit dem Verkauf von Doktortiteln. Yvette Estermanns Ehemann Richard besass die «Freie Universität Teufen», an der ohne ärgerliche Vorleistungen wie Matura und dem Besuch eines Grundstudiums sowie dem mühsamen Lernen für eine Lizentiatsprüfung mit genügend Geld ein Doktortitel erworben werden konnte. «Titelmühlen» nennt man solche Fantasie-Universitäten. Möglich sind sie, weil sich in den meisten Kantonen auch Institutionen Universität nennen dürfen, die nicht durch die Schweizerische Universitätskonferenz anerkannt sind. 

Yvette Estermann war eine Zeitlang Verwaltungsratsmitglied dieser lukrativen Firma. Wer die «Freie Universität Teufen» heute auf dem Web sucht, wird zu einer «Europaakademie» Euraca geführt, über die im Netz ihrerseits bereits wieder Diskussionen hinsichtlich ihres Zwecks, respektive ihrer Doktormühlenähnlichkeit geführt werden.

Für Estermanns war die Sache sicher einträglich, nicht aber für alle Absolventen: In Deutschland sind einige Politiker über ihre Doktortitel gestolpert, die sie sich käuflich erworben hatten. Und auch der Luzerner Ex-SVP-Grossstadtrat Urs Wollemann hatte seinen Titel («lic. rer. pol.») von der Freien Universität Teufen erhalten, weil er Yvette Estermann beim Texten und in ihrem Wahlkampf geholfen hatte – so zu lesen im letzten «Kulturmagazin». 

«Da ging das Theater los»

Yvette Estermanns Gatte Richard versteht den Wirbel um diese Titel nicht ganz und hat zum Fall eines wegen des FUT-Titels gestrauchelten «Doktors» im «Blick» gesagt: Einige der FUT-Absolventen hätten sich «sogar bei staatlichen deutschen Universitäten für Professuren beworben. Mit einem Titel von uns! Stellen Sie sich das mal vor! Da ging das Theater natürlich los.» Im «Spiegel» dagegen beschwerte sich SVP-Nationalrätin Yvette Estermann, dass das Verbot in Deutschland, Titel von nicht anerkannten Universitäten zu tragen, «auf ein Gesetz Hitlers» zurückgehe. Und jetzt verbiete die EU, missliebige Schweizer Doktortitel zu tragen. Selbst in diesem abstrusen Fall wird also die EU noch als Ursache des Bösen abgestempelt…

Yvette Estermann hat ihre Kreativität auch im Parlament mit einer Reihe von Vorstössen untermauert, so mit der Forderung nach dem Singen der Landeshymne im Parlament oder der Abschaffung der Sommerzeit. Sie hat aber mit ihrem Mann auch weiter an kreativen Lösungen für das eigene finanzielle Wohlbefinden gesucht. So hat das Ehepaar eine Stiftung gegründet mit dem – immerhin ehrlichen – Namen «Yvette Estermann Stiftung», die es sich zum Ziel setzt, die Schweiz als unabhängiges, neutrales und souveränes Land in der Staatsform der direkten Demokratie zu erhalten. Die Stiftung ist uns LuzernerInnen bisher zum ersten und letzten Mal vor den letzten Weihnachten aufgefallen, als sie in der ganzen Agglo Plakate mit den Festtagswünschen von Yvette Estermann aufstellen liess. 

Zwei von drei Stiftungsräten heissen Estermann

Was diese Wünsche genau mit dem Stiftungsinhalt zu tun haben, ist unsereins nicht so ganz klar. Überdeutlich dagegen war, dass die Stiftung den Wahlkampf einer Politikerin für die Nationalratswahlen eingeläutet hatte. Die Materialschlacht begann also dieses Mal bereits zehn Monate vor den Wahlen. Yvette Estermann sammelt nämlich laut «Tagesanzeiger» vom 10. Juni 2011 via Stiftung Gelder und braucht diese dann für ihren Wahlkampf. Das ist anrüchig. Eine Stiftung macht den Anschein, überparteilich zu sein und gemeinnützig – was auch ihre Stiftung gemäss Homepage sein will («Wir sind eine gemeinnützige Stiftung und für jede Unterstützung dankbar»). Gemeinnützig hiesse auch, steuerbefreit zu sein, was Yvette Estermann gemäss Tagi-Artikel auch anstrebt. Das wäre besonders gäbig: Das Ehepaar Estermann könnte dann wohl noch eigenes Vermögen, das es für den Wahlkampf aufwirft, steuerlich optimieren.

Die Stiftung ist aber mitnichten gemeinnützig. Sie dient im Gegenteil eigennützigen Zielen, sprich der politischen Karriere eines seiner drei Stiftungsratsmitgliedern (Mitglieder sind das Ehepaar Estermann und Manuel Brandenberger). 

Man kann diesen Kniffen der Estermanns eine gewisse Originalität nicht absprechen, besser werden sie aber deswegen nicht. Und man fragt sich letztlich: Hat sie seinerzeit ihre Titelverkäufe und die krude Stiftung im Kopf gehabt, als sie den Slogan «Erfrischend anders» kreierte?

Michael Töngi, Kantonsrat (Grüne), Kriens

www.michael-toengi.ch

michael.toengi@gruene-luzern.ch


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