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Kolumne von Paul Winiker

01.02.2019

General Henri Dufour war ein Humanist

Von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt, bildet die Armee auf der Luzerner Allmend in der Zentralschule Offiziere für Kommando- und Stabsfunktionen aus. Diese Schule gibt es seit 200 Jahren, allerdings erst seit wenigen Jahren in Luzern. Zu diesem Jubiläum hielt Sicherheitsdirektor und SVP-Regierungsrat Paul Winiker gestern Donnerstag ein Rede, die hier im Wortlaut zu lesen ist.


Als Militärdirektor des Kantons Luzern auch «Hüttenwart» auf der Luzerner Allmend: Regierungsrat Paul Winiker besuchte zu deren 200-jährigem Bestehen zusammen mit Standesweibel Anita-Imfeld-Müller die Zentralschule in der Kaserne. Links von Winiker: Brigadier Peter Baumgartner, Kommandant der Zentralschule; ganz rechts Divisionär Daniel Keller, Kommandant der Höheren Kaderschulen der Armee (HKA).

Winiker vor einer Büste von Guillaume Henri Dufour, dem ersten Direktor der Zentralschule im Jahr 1819 und später auch General der Eidgenössischen Truppen im Sonderbundskrieg.

Unter den Gästen: der frühere Armeechef André Blattmann (links), hier im Gespräch mit Korpskommandant Daniel Baumgartner, Ausbildungschef der Armee.

Beim Abspielen des Schweizerpsalms standen die Offiziere stramm und salutierten.

Bilder: Peter Soland

Es ist für uns Luzernerinnen und Luzerner eine grosse Ehre, in unserem Kanton, in unserer Stadt das Jubiläum 200 Jahre Zentralschule der Schweizer Armee feiern zu dürfen. Im Namen von Parlament und Regierung darf ich Ihnen die herzlichsten Gratulationen überbringen.

Als Vorsteher des Justiz- und Sicherheitsdepartementes und als Militärdirektor faktischer Hüttenwart auf der Luzerner Allmend, erachte ich es als einen grossen Vertrauensbeweis der Armee gegenüber dem Kanton Luzern, dass Sie die traditionsreiche Schule hier bei uns angesiedelt haben.

Für Luzern, aber auch für die gesamte Zentralschweiz, ist der Standort der Zentralschule von grosser Bedeutung. Denn Frauen und Männer aus der ganzen Schweiz kommen hier zusammen, um sich umfassend aus- und weiterbilden zu lassen. Sie lernen dabei nicht nur Führung, militärische Taktik und qualifizierte Stabsarbeit, sie lernen auch die Zentralschweiz und Luzern kennen.

Ein Jubiläum sollte jedoch nicht nur Festfreude vermitteln, es sollte auch zum Nachdenken anregen. Gerade dann, wenn es sich um ein ganz besonderes Jubiläum wie jenes der Zentralschule handelt. Ich habe mir daher zwei grundsätzliche Gedanken aufgeschrieben, welche sich genau genommen an die Absolventen der Zentralschule richten – heute und in der Zukunft. 

Mein erster Gedanke: Die Zentralschule stellt ein Stück Schweiz dar. Sie ist ein klassisches Bild «Schweiz». Damals vor 200 Jahren und auch heute – und ich hoffe auch in Zukunft.

Als die Schule vor 200 Jahren gegründet wurde, existierte der Bundesstaat Schweiz in seiner heutigen Form noch nicht. Sie wurde 49 Jahre vor der Inkraftsetzung der Bundesverfassung initiiert. Warum? Welche Idee steckte dahinter? Was können wir für die Zukunft daraus ableiten?

Ich meine, dass nebst der Ausbildung im militärischen Handwerk, besonders bei der Artillerie und der Genie, bei der Gründung der Schule die Idee dahinterstand, den noch losen, oftmals zerstrittenen Staatenbund von souveränen Kantonen zu festigen, besonders bei der Verteidigung gegen aussen.

Denn die politische Lage in Europa war zu jener Zeit alles andere als stabil. Wohl versuchte man vier Jahre zuvor beim Wiener Kongress eine gewisse Ordnung zu schaffen. Doch die Friedenslage war sehr fragil. Einerseits war Napoleon noch an der Macht (mit seiner Niederlage in Waterloo noch im selben Jahr), andererseits versuchten verschiedene Königshäuser mit Allianzen ihre Macht zu festigen und auszubauen.

Wäre es wiederum zu einer Gebietsbesetzung innerhalb des noch losen eidgenössischen Bundes gekommen, so wären die einzelnen kantonalen Truppen kaum in der Lage gewesen, eine entsprechende Gegenwehr aufzubauen. Eine nationale Armee gab es nicht, jeder Kanton hatte eigene Truppen, eigene Ausbildung, eigene Ausrüstung und Uniformen. Nur die Armbinden mit dem Schweizerkreuz zeigte, dass die Wehrmänner diesem Staatenbund angehörten.

Mit der Gründung der zentralen Militärschule in Thun versuchte man eine gewisse Einheit in die Ausbildung zu bringen. Jedoch ohne dabei die Souveränität der Kantone zu untergraben. Kurz: Man bildete zentral aus, man brachte gemeinsam Wissen und Erfahrungen aus den Kantonen ein, ohne aber eine zentralistische Befehlsgebung aufzubauen. Die Idee war klar, man begann national zu koordinieren und zu leiten, damit die damaligen Absolventen zurück bei ihren kantonalen Truppen regional und auch lokal führen konnten. Und genau hier kommt der Geist unserer Nation sehr stark zum Ausdruck – damals wie auch heute:

Der Respekt vor der Eigenverantwortung der Regionen und das Gewähren des selbstständigen Handelns.

Was können wir für die Zukunft daraus lernen? Wohl ist die Armee heute Bundesangelegenheit, wird also zentral geführt. Doch bei genauer Betrachtung wird die Armee gerade auf Stufe Kompanien nach wie vor regional geführt und auch geprägt; von Bürgerinnen und Bürgern in Uniform.

Für die Zentralschule heisst das, dass sie auch in Zukunft Frauen und Männer dahingehend ausbilden muss, dass sie befähigt sind, selbstständig und verantwortungsbewusst zu handeln. Menschen heranzubilden, welche eigene Lösungen für anstehende Aufgaben entwickeln und umsetzen können. Menschen, die mit beiden Füssen fest auf dem Boden stehen und nicht als Windfahne gleich umschwenken, wenn kurzfristige Trends in eine andere Richtung zeigen. Das heisst aber auch, dass Vorgesetzte, beispielsweise Bataillons-, Brigade- und Divisionskommandanten, den unterstellten Chefinnen und Chefs Räume für eigenes, verantwortungsvolles Handeln bei Entschlussfassungen bieten.

Denken in Varianten heisst auch, andere Varianten zu akzeptieren. Wir brauchen Menschen, welche den Mut haben, eigene Ideen zu entwickeln und umzusetzen. Nicht nur in der Armee, sondern auch in der Wirtschaft und der Politik.

Der Zentralschule kommt daher die äusserst wichtige Aufgabe zu, Menschen zu formen und zu bilden, welche auch ausserhalb der Armee in der Lage sind zu führen und Aufgaben zu lösen. Also den Menschen die Freude zu vermitteln, mit Engagement Verantwortung zu übernehmen.

Mein zweiter Gedanke: Luzern hat mit der Armee auch historisch betrachtet eine bemerkenswert enge Beziehung. Denn unweit von hier, in Dierikon und Meierskappel, fand der allerletzte aktive Kampfeinsatz der Schweizer Armee statt. Danach war Frieden in unserem Land, bis heute. Ich spreche vom Sonderbundskrieg, der 1847 nach bloss 26 Tagen beigelegt wurde. Die wichtigste Rolle dabei spielte der damalige «Spiritus Rector» der Zentralschule, General Henri Dufour, welcher die Eidgenössischen Truppen gegen die Truppen des Sonderbundes angeführt hatte.

Wäre anstelle von Henri Dufour ein Befehlshaber mit preussischem Einschlag gestanden, dann hätte – davon bin ich fest überzeugt – der Krieg wesentlich länger angedauert. Vor allem aber hätte der Bruderkrieg zu einem tiefen Zerwürfnis, gar zu einer Spaltung des Landes geführt. Unser Land wäre anders als heute, falls es unsere Nation überhaupt noch gebe. 

Meine Überzeugung fusst auf dem berühmten Tagesbefehl von Henri Dufour, in dem er unter anderem klar schrieb: «Wir müssen aus diesem Kampf nicht nur siegreich, sondern auch ohne Vorwurf hervorgehen.» Eine schwierige Vorgabe im Krieg.

Dufour befahl auch, dass Zivilpersonen, Frauen, Männer und Kinder, wie auch Kulturgüter gleich welcher Art, verschont werden müssen.

Aufgrund seiner Erfahrungen aus früheren Militärdiensten war ihm bewusst, dass, wenn Zivilpersonen wie auch kulturelle Einrichtungen in Mitleidenschaft gezogen werden, tiefe Verletzungen in der Gesellschaft entstehen, deren Narben über Jahre, gar Jahrzehnte nicht verheilen. 

Wir kennen dies aus aktuellen Beispielen. Siehe Jugoslawienkrieg. Tausende Menschen kamen gezielt zu Schaden, religiöse Stätten wurden bewusst zerstört. Die Konsequenz: Nach über 20 Jahren sind noch viele Gebiete und Städte gespalten. Denken Sie an Mostar oder an Mitrovica. Aus einst befreundenden Nachbarn wurden Feinde.

Humanist Dufour hatte trotz der Übermacht seiner Truppen nicht einen eigentlichen Angriffskrieg geführt. Vielmehr versuchte er zu deeskalieren.

Und das ist ihm auch gelungen.

Die Beachtung der Verhältnismässigkeit, ein gesetzmässiges Gebot bei der Polizeiarbeit, ist auch in der militärischen Taktik vermehrt gefordert. Vor allem wenn man an die neuen, mehr wahrscheinlichen Einsatzformen denkt.

Was lernen wir daraus für die heutige Zentralschule: Die Schule muss ihre Absolventen nicht nur in Militärtaktik ausbilden, sondern auch zu verantwortungsvollen Bürgerinnen und Bürgern in Uniform heranbilden. Zu Menschen, welche motivieren können und als Vorbilder auftreten. Viele Absolventen verdienen danach ihren Grad als angehende Kompaniekommandanten in einer Rekrutenschule ab. Sie sind somit die ersten höheren Chefs von jungen Frauen und Männern, welche in die Armee eintreten. Mit ihrem Verhalten prägen sie damit stark das Bild der Armee gegen aussen.

So wie Dufour müssen die angehenden Hauptleute ihre zugeteilten Offiziere und Unteroffiziere mit klarer Führung dazu anhalten, die ihnen anvertrauten Rekruten zu fördern und zu fordern. Und sie zum respektvollen Umgang innerhalb der Züge und Gruppen verpflichten. Denn sie führen Mitbürgerinnen und Mitbürger in Uniform, welche ihre Meinung auch zu Armeefragen an der Urne bekunden können.

Dass wir Bürgerinnen und Bürger brauchen, welche zur Armee stehen, muss ich an dieser Stelle kaum ausführen. Bekanntlich zeichnet sich mit den neuen Kampfflugzeugen in den kommenden Jahren ein wichtiges Abstimmungsgeschäft mit nachhaltiger Wirkung ab. Die Zentralschule zählt somit zu den wichtigsten Führungsausbildungen unseres Landes. Als Militärdirektor empfinde ich grossen Respekt vor dieser Einrichtung. 

Und gleichwohl habe ich auch eine grosse Erwartungshaltung, wie Sie nun aus meiner Betrachtung erfahren haben. Doch nicht nur die Schule, wir alle sollten uns vermehrt nach den Gedanken von General Dufour richten. Heute und morgen. Im Interesse der Zentralschule, im Interesse der Armee, im Interesse unseres Landes.

Ich danke Ihnen.

Regierungsrat Paul Winiker (SVP), Luzern 

Siehe auch unter «Dateien».


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Paul Winiker (SVP) war Finanzchef und Gemeindepräsident von Kriens sowie Kantonsrat. Am 10. Mai 2015 ist er in den Regierungsrat gewählt worden, wo er als Justiz. und Sicherheitsdirektor amtet.

paulwiniker.ch