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Kolumne von Herbert Widmer

11.11.2012

Freiraum statt Bauland – das Vögeligärtli ist für die Menschen da!

Nach Wahlen und Abstimmungen sollen die Stimmbürger nicht kritisiert werden, das sollte jedem Politiker klar sein. Ein Parlament darf aber nach seinen Entscheidungen ohne weiteres beanstandet oder zerpflückt werden. Dieses Risiko geht jeder Parlamentarier mit seiner Wahlannahme ein. Die Kommentare in den Medien über den «Vögeligärtli-Entscheid» des Luzerner Kantonsrates vom 6. November 2012 sind denn auch durchs Band negativ.


Der Kantonsrat will – entgegen dem Willen der Stadt Luzern –, dass das Kantonsgericht in einem Neubau der Zentral- und Hochschulbibliothek integriert wird. In einer Abstimmung mit Namensaufruf standen zuerst 54 Ja ebenso vielen Nein gegenüber. Nachdem man noch «Pause machende Kantonsräte» in den Saal geholt hatte, überwog das Ja mit 56 zu 55 Stimmen, was die Annahme der entsprechenden Motion von Andrea Gmür bedeutete. 

Die aus der Stadt Luzern stammenden Kantonsrätinnen und Kantonsräte hatten mehrheitlich Nein gestimmt. Aus dem Einzugsgebiet des «Willisauer Boten» hatten 20 Parlamentarier mit Ja, nur deren 4 mit Nein gestimmt. Dies bewog zum Beispiel den Verfasser des Leitartikels dieser Zeitung, Stefan Calivers, die Entscheidung des Kantonsrates als «nicht mehr glaubwürdig» zu bezeichnen. Gerade mit seinen «Rotsherre und –froue» ging er sehr hart ins Gericht. 

Sie mussten sich von ihm fragen lassen, wie sie denn reagieren würden, wenn der Kanton im Areal des Klosters St. Urban ein Hochhaus erstellen oder die Gebäude der Strafanstalt Wauwilermoos um zwei Stockwerke erhöhen würde. Die gleichen Ja-Stimmenden würden dieses Affronts wegen mit einem klagenden Aufschrei reagieren. Auch die Kommentarin der Neuen LZ nannte das Vorgehen «völlig unrealistisch», der Titel des entsprechenden Artikels lautete: «Kantonsrat brüskiert die Stadt». 


Die Folgen des sehr knappen Entscheides können verheerend sein. Die Renovation – oder Umnutzung – der Zentral- und Hochschulbibliothek lässt viele Jahre auf sich warten, die Schäden am Gebäude werden massiv zunehmen. Die möglichen Standorte für das Kantonsgericht werden anderweitig genutzt werden und nicht mehr zur Verfügung stehen. Der Regierungsrat wird darüber entscheiden müssen, ob er das Gebäude unter Schutz stellen will. Soll er nun der Mehrheit der Stadt und Agglomerationsparlamentariern folgen oder denjenigen aus dem Gebiete von Willisau und Sursee?

Zum Teil waren die Argumente der Ja-Sager «hanebüchen»: Ein so zentral gelegenes Stück Land müsse in der heutigen Zeit besser genutzt werden, so die Motionärin, Andrea Gmür. Das KKL sei anfänglich auch auf Widerstand gestossen, heute seien alle begeistert. 

Eine Sempacher Kantonsrätin fand, das Vögeligärtli würde durch den grösseren und höheren Neubau sogar aufgewertet. Ein eher abstruses Argument war die Feststellung, dass der auf Wiese und Kinderspielplatz vermehrt zu erwartende Schattenwurf den heutigen Massnahmen zum Schutz vor der Sonne entgegenkomme. Viele begriffen auch nicht, dass zwar nicht eine Umzonung, aber eine Änderung des Bauzonenplans – welcher dem fakultativen Referendum unterliegt – notwendig sein würde. Dass ein solches Referendum in kürzester Zeit in der Stadt Luzern zustande kommen und anschliessend haushoch angenommen würde, dürfte doch selbstverständlich sein.

Seit bald 33 Jahren arbeite ich am Rande des Vögeligärtlis. Ich habe diesen Park auch als Drogentreffpunkt erlebt. Seit circa fünf Jahren ist er aber zu einem wunderbaren Freiraum für Viele geworden. Auf den Bänklein vor der ZHB sitzen eher die Älteren, auf der dahinter liegenden Wiese die Jungen. Auf dem neu erstellten Kinderspielplatz spielen Dutzende von Kindern, begleitet von ihren Müttern (und Vätern), ein idealer Treffpunkt. Auch wenn das Kindergeschrei manchmal die Herztöne bei der Untersuchung übertönt, halte ich die Fenster offen, denn wo erlebt man das «Menschsein» näher als hier.

Erlauben Sie mir abschliessend eine sehr persönliche Bemerkung: Ein Teil des Parlaments ist kalt geworden, der materielle Nutzen steht mehr im Vordergrund als der Nutzen für die Bevölkerung. Das «verdichtete Bauen» mag richtig sein, doch es kann auch zu weit gehen (in meinem Beruf als Arzt ist das Patienten-Arzt-Verhältnis das höchste Gut: 84 Prozent der kürzlich befragten Schweizerinnen und Schweizer wollen ein gutes Vertrauensverhältnis zu ihrem Arzt. Doch auch in diesem Bereich spielt die Oekonomie eine immer grössere Rolle). 

Diesen Entwicklungen müssen wir Einhalt gebieten!

Dr. med. Herbert Widmer, Kantonsrat FDP, Luzern


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Über Herbert Widmer:

Dr. med. Herbert Widmer (*1946) führt in Luzern eine Praxis für Innere Medizin und ist FDP-Kantonsrat.

http://www.herbert-widmer.ch