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Kolumne von Hermann Suter

03.05.2011

Als langjähriger Praktiker gegen dieses Schulgesetz

Er war selber Lehrer und leitete von 1977 bis 1993 das Lehrerseminar der Stadt Luzern. Der Freisinnige Hermann Suter bekämpft die Teilrevision des Volksschul-Bildungsgesetzes vehement.


Kinder sollen noch Kinder sein dürfen: Das ist eines der Argumente der Gegner des Volksschul-Bildungsgesetzes.<br><br>Bild: Herbert Fischer

Kinder sollen noch Kinder sein dürfen: Das ist eines der Argumente der Gegner des Volksschul-Bildungsgesetzes.

Bild: Herbert Fischer

In der letzten Ausgabe der «Wochenzeitung» (Nr. 17, 29. April 2011, Seite 23, erscheinend in Vitznau und nicht zu verwechseln mit der «WOZ») preist uns Frau Kantonsrätin und Gemeindeamtsfrau Irene Keller (FDP/Vitznau) diese Gesetzes-änderung als «gut schweizerischen Kompromiss». Und weiter: «…für mich ist die vorliegende Revision des VBG nicht das Gelbe vom Ei, aber ein gut „schweize-rischer“ Kompromiss, dem ich zustimmen werde. Trotz Zustimmen wird es wichtig sein, dem Bildungsdepartement auf die Finger zu schauen, damit Freiwilligkeiten nicht unterlaufen werden!»

Genau dieses «auf die Finger zu schauen» hat in den letzten 10 bis 20 Jahren weder im Kantonsrat, noch in den zahlreichen «Bildungs-Aufsichtsbehörden» je stattgefunden. Im Gegenteil! Die zuständigen Kontrollorgane haben es sträflich versäumt, das seit den 1970er-Jahren andauernde und sich mittlerweile immer schneller drehende Bildungsreformen-Karusell zu stoppen oder wenigstens zu verlangsamen. Das hat nicht einmal der seinerzeitige Bildungsdirektor und FDP-Regierungrat Dr. Ueli Fässler (Oberst aD) zusammen mit seinem Departements-sekretär Dr. Hanspeter Burri (Oberst i Gst aD) fertiggebracht – obwohl die beiden Herren klar und deutlich einen «Marschhalt» im Reformenbereich gefordert hatten.

Als hätte es nie eine Volksabstimmung mit 61,2% NEIN zu «HarmoS»  gegeben!

Es ist noch keine zwei Jahre her, da hat das Luzerner Volk die HarmoS-Vorlage wuchtig bachab geschickt. Unterdessen haben die zuständigen Behörden weiter am Reformenkarussell gedreht, wie wenn es dieses klare NEIN gar nie gegeben hätte. Das irritiert und enttäuscht. Viele Eltern, Lehrkräfte, Bürgerinnen und Bürger stellen sich mit Recht die Frage, weshalb sie sich eigentlich noch an die Urne bemühen – «die da oben machen ja doch, was sie wollen!». In Bezug auf die Abstimmung vom 15. Mai gewinnt man in der Tat den Eindruck, dass dem so ist. 

Mit dem NEIN zu «HarmoS» wollten zwei Drittel des Volkes weder zwei obligatorische Kindergartenjahre, noch wollten sie den Kindergarten in eine Basis-Stufe umfunktionieren lassen. Jetzt kommen die Behörden und unterlaufen diesen klaren Entscheid mit zwei einfachen Tricks (man kann es fast nicht anders bezeichnen). Erstens wird eines von zwei Kindergartenjahren als «freiwillig» erklärt – die Gemeinden aber werden gezwungen, dieses doch anzubieten. Zweitens wird die Basis-Stufe gezielt vorangetrieben. Im Abstimmungsbüchlein steht dazu unter anderem: «Die Basis-Stufe hat sich im Testbetrieb in zahlreichen Luzerner Gemeinden bewährt: Bezüglich Sachkompetenzen, Wohlbefinden in der Klasse und Selbstvertrauen der Kinder beim Übertritt in die 3. Primarklasse sind sich Basisstufe und zweijähriger Kindergarten ebenbürtig. Die Gemeinden entscheiden selbst, welche der beiden Schuleingangsreformen sie führen wollen. Alle Gemeinden, welche die Basisstufe bereits eingeführt haben, möchten daran festhalten, weil sie damit gute Erfahrungen gemacht haben.»

Es ist klar, worauf die Dinge aus der Sicht der Behörden letztlich hinauslaufen sollen und müssen: Es gibt nur noch die Basis-Stufe und ein unwiderrufliches Ende des bisherigen Kindergartens, in welchem die Kinder noch Kinder sein durften. Dass sich die Gemeinden mit einem (bescheidenen) finanziellen Zustupf für die exponentiell gestiegenen Bildungskosten (was letztlich eine Folge der schleichenden Umsetzung der verfehlten HarmoS-Ideologie ist) haben ködern lassen, gibt zu denken.

«HarmoS» – Basisstufe – Sprachensalat?

Jene Stimmen nehmen deutlich zu, die sich gegenüber der obligatorischen Einführung von allerhand Fremdsprachen auf der Stufe der Primarschulen skeptisch bis ablehnend äussern. Neben den Gymnasien und Sekundarschulen beginnen inzwischen sogar Hochschulen, den Glauben an den Erfolg dieser «Übungen» zu verlieren. «Früh-Französisch“», «Früh-Englisch», «Früh-Italienisch» – das hören wir seit Jahren. Von ehrlichen Erfolgskontrollen hört man selten etwas. 

Und jetzt kommt der zweijährige Kindergarten (pardon: die Basis-Stufe) und was passiert? Jetzt sollen die Kinder auch noch in «Früh-Hochdeutsch» trainiert werden. Und dies unter anderem mit der mehr als fragwürdigen Begründung, damit leiste man auch einen wichtigen Beitrag zur besseren Integration von fremdsprachigen Kindern? Das ist  eine bedauerliche Entwicklung. Diese «Früh-Sprachen-Politik» ist meines Erachtens falsch und geht in die falsche Richtung. Im Verbund mit der ebenso fragwürdigen «IF» (integrierte Förderung) werden die Kinder, die Schüler, die Lehrkräfte und letztlich auch die Aufsichtsbehörden völlig überfordert. Es grenzt schon fast an ein Wunder, dass sich in diesen Tagen 43 (dreiundvierzig!) Lehrkräfte der Krienser Schulen gegen die geplante Einführung der «IF» wehren und sich vehement für die Beibehaltung des typengetrennten Modells auf der Sekundarstufe I aussprechen. Die Antwort aus dem BKD (Bildungs- und Kulturdepartement des Kantons Luzern) kam postwendend: «Die Krienser Lehrer laufen mit dem Brief wohl ins Leere. Laut Katrin Birchler, stellvertretende Leiterin der kantonalen Dienststelle Volksschulbildung, ist die Integrative Förderung beschlossene Sache; auch auf der Sekundarstufe I.» («Neue LZ» vom 3. Mai 2011, siehe auf dieser Seite unten unter «Dateien»).

Die Kanadier machen es uns Schweizern vor!

Kanada gehört nicht nur zu den weltbesten Eishockey-Nationen der Welt, Kanada ist auch eines der wichtigsten Einwanderungsländer. Und was läuft dort bei einem Einwanderungsantrag an den Staat Kanada ab? Bevor die Einwanderungswilligen die englische Sprache gehörig beherrschen (und diese auf eigene Kosten gut gelernt haben und dies auch 1:1 nachweisen können), dürfen sie gar nicht erst ein Antragsformular ausfüllen! Und wir Schweizerinnen und Schweizer? Wir wollen unsere Kinder zum «Früh-Hochdeutsch» im Kindergarten trimmen, auf dass den Eingewanderten das Leben leichter falle? Besser wäre es doch, die Kinder und deren Eltern, die in unserem Lande eine neue Existenz aufbauen wollen, zuerst in der Sprache zu schulen und zwar so, dass sie die hier anwesenden «Gschpänli» und Mitmenschen im täglichen Leben besser verstehen. 

Ich gebe zu, ich verstehe den Gang der heutigen Bildungspolitik je länger je weniger. Aber vielleicht bin ich wirklich zu alt dafür und sollte wohl endlich die Klappe halten? Heul Dir, Helvetia!

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Eine Übersicht mit allen Beiträgen zu dieser Abstimmung und weiterführenden Links und Dateien finden Sie unter:

http://www.lu-wahlen.ch/ueber-uns/kolumne-der-redaktion/news/2011/04/17/428-am-15-mai-geht-es-auch-um-das-volksschul-bildungsgesetz/


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Über Hermann Suter:

Dr. phil. Hermann Suter (Greppen) ist Historiker, war Rektor des Lehrerseminars der Stadt Luzern, Zivilschutzchef des Kantons Luzern, städtischer FDP-Präsident und -Grossrat.

Er kommandierte eine Fallschirmgrenadierkompanie und war in seiner aktiven Dienstzeit zuletzt als Oberstleutnant Chef des Truppeninformationsdienstes der Felddivision 8. Hermann Suter präsidiert die «Widerstandsgruppe GIARDINO»: http://gruppe-giardino.ch