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Kolumne von Anton F. Steffen

21.05.2011

KKW Mühleberg abschalten und abbrechen!

Nach «Tschernobyl» beschloss der Luzerner Grosse Rat 1986 auf Antrag der CVP eine Neuorientierung in der Energiepolitik und den Ausstieg aus der Kernenergie vorzubereiten. Seither wurde vor allem geschlafen. Jetzt aber besteht Handlungsbedarf. Der Energiepolitiker Anton F. Steffen blickt zurück, macht eine Lagebeurteilung und schaut in die Zukunft.


Nach dem Kernkraftwerkunglück von Tschernobyl im April 1986 hat der Grosse Rat des Kantons Luzern auf Antrag der damals noch mit absoluter Mehrheit herrschenden CVP gefordert, die eidgenössische und kantonale Politik im Bereich Energie zu überprüfen und den Ausstieg aus der Kernenergie vorzubereiten. Niemand könne garantieren, dass sich in unserem oder irgendeinem anderen Land durch menschliches Versagen oder unvorhersehbare Ereignisse nicht wiederum ein Unglück mit möglicherweise katastrophalen Folgen ereigne. Dies lasse sich auch durch Sicherheitsbeteuerungen von Experten nicht wegdiskutieren, so der Text der Resolution des Grossen Rates. Von diesen energiepolitischen Forderungen wurde bis heute wenig realisiert. 25 Jahre wurden verschlafen. Insbesondere Energieminister Moritz Leuenberger kümmerte sich kaum um die drängenden Energieprobleme und gefiel sich stattdessen in Selbstdarstellungen. Die düsteren Vorahnungen aber haben sich bestätigt: Das KKW-Unglück von Fukushima hat die Politiker aufgeschreckt, die Bevölkerung ist verunsichert, nun muss gehandelt werden.

Die energiepolitische Situation in der Schweiz und die KKW

Der in der Schweiz produzierte elektrische Strom stammt zu etwa 2/3 aus Wasserkraft und zu etwa 1/3 aus Kernkraft. Von den KKW in der Schweiz ist dasjenige von Mühleberg das älteste. Es basiert auf der veralteten Siedewasserreaktortechnik und ist gegen Erdbeben ebenso ungenügend geschützt wie gegen wie gegen Hochwasser. Es befindet sich nur wenige hundert Meter unterhalb des Staudamms Wohlensee und es würde bei einem Dammbruch genauso überflutet wie vor drei Monaten jenes von Fukushima. Ein atomarer GAU hätte unabsehbare Auswirkungen auf die unmittelbare Umgebung, das heisst auf die Stadt Bern und seine Vororte. Auch das Bundeshaus, das nur etwa 13 km vom KKW entfernt ist, müsste evakuiert werden. Wegen des vorherrschenden Westwindwetters wären auch stark bewohnte Gebiete nördlich der Alpen, insbesondere die Zentralschweiz, betroffen. Das Risiko - das Produkt aus Ereigniswahrscheinlichkeit und Ereignisgrösse - liegt deutlich ausserhalb des verantwortbaren Bereichs und kann auch durch teure Nachrüstungen nicht erheblich gesenkt werden. Dieses KKW ist ausser Betrieb zu nehmen. Die dann fehlenden ca. 350 MW aus dem KKW Mühleberg sind zu verkraften, sie stellen keine 10 % der in der Schweiz installierten KKW-Leistung dar, decken also zirka 2,5 % des elektrischen Energiebedarfs der Schweiz ab.

Die übrigen KKW, vor allem Beznau 1 und Beznau 2, sollten in den nächsten Jahren ebenfalls abgestellt und abgebrochen werden, sie sind sicherheitstechnisch zumindest als zweitklassig zu bezeichnen. Da die Endlagerung der radioaktiven Abfälle immer noch nicht gesichert und das Risiko eines GAU untragbar hoch ist, sind mit der Zeit auch die übrigen KKW ausser Betrieb zu nehmen. Damit wird der Druck wachsen, weitere Energiequellen zu erschliessen.

Wenn das KKW-Unglück in Tschernobyl vor 25 Jahren den Politikern die Augen noch nicht geöffnet hat, so hat der GAU Fukushima bewiesen, dass der Mensch die Technik nicht so beherrscht, wie es Experten immer noch behaupten. In gut drei Jahrzehnten haben sich drei GAU in KKW ereignet, die Wahrscheinlichkeit eines weiteren grossen KKW-Unglücks ist weit höher als bisher angenommen.

Ein sofortiges Abschalten aller unserer KKW ist unrealistisch und volkswirtschaftlich auch nicht vertretbar

Bis heute glaubte man, dass alle unsere Energiebedürfnisse tale quale abzudecken sind. Deshalb wurden KKW gebaut und betrieben, ohne das riesige Sparpotenzial ernsthaft auszuschöpfen. Der verunsicherten Bevölkerung wird nun suggeriert, sämtliche Energiebedürfnisse könnten ohne Abstriche durch regenerierbare Energien abgedeckt werden, was bedeutet, dass die durch KKW erzeugte Energie entweder durch Wasserkraft, Wind oder Solarenergie ersetzt werden könne. Es werden auch technisch unsinnige Vorschläge gemacht, wie zum Beispiel der Ersatz von Kernenergie durch Fotovoltaik. Sollte nämlich die von einem einzigen KKW der Grösse Gösgen produzierte Energie durch Solarpanels erzeugt werden, bräuchte das eine Panelfläche, die der Gesamtfläche des Zürichsees entspricht!

Gaskraftwerke für die Übergangszeit

Längerfristig wird die fehlende elektrische Energie durch eine Kombination von einem kleinen Anteil Windkraft und Fotovoltaik, Erdwärmeanlagen und zusätzlichen Wasserkraftwerken (inklusive Höherlegung der Staudämme) abzudecken sein. Vor allem aber muss die Energienachfrage reduziert werden. Dies ist wohl nur mit einer deutlichen Verteuerung der Energie erreichbar. Dabei ist auf die Energiebedürfnisse unserer Industrie angemessen Rücksicht zu nehmen. Für die Übergangszeit sind Gaskraftwerke, die in kurzer Zeit realisierbar sind, zu erstellen und zu betreiben. Dabei sind dezentrale Lösungen anzustreben. Es sind nur jene Gaskraftwerke umwelttechnisch verantwortbar, bei welchen sowohl Elektrizität produziert wird als auch Abwärme für Industrie oder Heizzwecke benutzt werden können. Das bedeutet, dass die Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen in unmittelbarer Nähe von Wohn-und Industriezentren zu platzieren sind. Dabei entsteht CO2, was einem kürzlich formulierten Ziel des Bundes widerspricht. Man überlege dabei, dass CO2 kein Luftschadstoff ist und die These, CO2 sei die Ursache der Erderwärmung, heute auch unter seriösen Wissenschaftern mittlerweile zumindest umstritten ist. Die jährlichen globalen CO2-Emissionen von zirka 800 Gt stammen zum grössten Teil aus dem Meer und der pflanzlichen Respiration. Der durch die zivilisatorischen Tätigkeiten anfallende Anteil von CO2 beträgt zirka 30 Gt, das sind also keine 3,5 %. Seriöse Wissenschafter sind je länger je mehr überzeugt, dass dieser geringe, vom Menschen verursachte CO2-Ausstoss den Klimawandel nicht beeinflussen kann. Der CO2-Ausstoss ist aber zweifelsfrei ein Massstab des Energieverbrauchs, also ist Energiesparen angesagt. 

Energiesparen und die 2000 Watt-Gesellschaft

Mittel- und längerfristig hat das Energiesparen Priorität, auch wenn dies mit einschneidenden Massnahmen, das heisst über das Portemonnaie erzwungen werden muss. Das Sparpotenzial ist gewaltig, energiesparende Anlagen und Apparate sind vorhanden, der Ersatz der energiefressenden Vorgänger muss durch staatliche Rahmenbedingungen gefördert werden. Das Ziel der 2000 Watt-Gesellschaft dagegen wäre es, den Energiekonsum auf einen Drittel des heutigen Standes zu reduzieren. Wenn auch rein theoretisch denkbar, würde dies in praxi bedeuten, dass unsere heutige Lebensweise auf die Verhältnisse der frühen Fünfziger Jahre zurückversetzt werden müsste, etwas das auch politisch vom Souverän nicht goutiert würde. Nur noch ein Zimmer pro Wohnung zu heizen oder etwa die Mobilität um 2/3 zu reduzieren, sind Forderungen, die unsere Gesellschaft niemals akzeptieren würde. Die Idee der 2000 Watt-Gesellschaft entpuppt sich nicht als Vision, sondern als gefährliche Illusion.

Quo vadis CVP?

Die CVP hat schon vor über 20 Jahren das Problem der Kernenergie erkannt und damals schon eine Änderung der Energiepolitik gefordert. Die Nuklearkatastrophen haben ihr Recht gegeben. Auch die Ewiggestrigen in der Energiepolitik kommen offensichtlich zur Besinnung und die CVP tut gut daran, nun klare Signale zu setzen. Der Ausstieg aus der Kernenergie muss auf Bundesebene beschlossen und ein Ausstiegsszenario festgelegt werden, nämlich:

- Ausserbetriebnahme und Abbruch des KKW Mühleberg

- Entwicklung von realistischen Szenarien für den Ausstieg aus der Kernenergie überhaupt. Dabei sind KKW mit zu hohen Risiken wie Beznau 1 und Beznau 2 so rasch wie möglich und wirtschaftlich vertretbar abzustellen und abzubrechen. Die Energieversorgung ist dabei sicherzustellen und die Bedürfnisse der Industrie sind angemessen zu gewichten.

- Zustimmung zu Bau und Betrieb von Gaskraftwerken als Wärmekraftkopplungsanlagen zur Deckung der vorderhand nicht abdeckbaren Energiebedürfnisse.            

-      Förderung der Massnahmen zur Energieeffizienz und erneuerbaren Energien.

Der Weg ist aufgezeigt, Handeln ist nun angesagt. Die Signale auf Kantons- und Bundesebene sind positiv. Es besteht die berechtigte Hoffnung, dass die Energiedebatte in der Junisession der Eidgenössischen Räte positive Resultate zeigt. Die CVP ist auf dem richtigen Weg.

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Anton F. Steffen hat diesen Beitrag auf Einladung von lu.wahlen.ch geschrieben und ihn exklusiv und ohne Honorar zur Verfügung gestellt; aus Sympathie für dieses Projekt und aufgrund seiner 40-jährigen Bekanntschaft mit lu-wahlen.ch-Gründer Herbert Fischer. Die «Zentralschweiz am Sonntag» hat in ihrer Ausgabe am Tag nach der Veröffentlichung (22. Mai 2011) daraus ausführlich zitiert, ohne ein einziges Mal auf die Quelle hinzuweisen.

Damit hat diese Zeitung gegen die - möglicherweise auch ihr bekannte - Haltung des Schweizerischen Presserates, des Berufs-Ethik-Gremiums der Medienbranche, verstossen, wonach solche Zitierungen ohne Quellenangabe unstatthaft sind. Wer in der Schweizer Medienbranche von den Berufsverbänden akzeptiert und bei ihnen akkredidiert ist, hat die Standarts dieses Gremiums anerkannt und sich verpflichtet, sie zu anerkennen und umzusetzen («Journalist BR» / «Redaktor BR»).

Herbert Fischer, Redaktor BR, Gründer von lu-wahlen.ch


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Über Anton F. Steffen:

Anton F. Steffen (*1939) ist dipl. Bauingenieur ETH und Teilhaber eines Ingenieurbüros sowie des Instituts für Umwelttechnik und Ökologie Luzern (unter anderem Projektierung und Bauleitung verschiedener grösserer Fotovoltaik-Anlagen). Er war viele Jahre CVP-Vertreter im Luzerner Grossen Rat, den er auch präsidierte.