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Kolumne von Roger Sonderegger

21.12.2016

«Das war der denkbar dümmste Zeitpunkt für einen Abbruch des Projekts Musegg-Parking»

CVP-Grossstadtrat und -Verkehrspolitiker Dr. Roger Sonderegger zum Beschluss des Grossen Stadtrates, den Stadtrat aus der Projektierung des Musegg-Parkings abzuziehen.


Würde das Musegg-Parking gebaut, könnte das Car-Problem am Schwanenplatz gelöst werden.

Bild: Herbert Fischer

Herbert Fischer: Eine rot-grün-grünliberale Allianz hat am letzten Donnerstag (15. Dezember) ein von ihr stammendes Postulat überwiesen, das einen sofortigen Ausstieg der Stadt aus dem Projekt Musegg-Parking verlangt. Sie und ihre Partei, die CVP, wie auch FDP und SVP waren gegen dieses Postulat, warum?

Roger Sonderegger: Es ist der denkbar dümmste Zeitpunkt für einen Abbruch der Planung. Die Fakten sind erarbeitet worden, ein Vorprojekt der Initianten liegt beim Stadtrat auf dem Tisch. Die Antworten für bautechnische, verkehrstechnische und städtebauliche Fragen liegen jetzt vor. Es fehlt im Wesentlichen noch die Publikation der Untersuchungen. Ausserdem besteht eine Vereinbarung zwischen dem Stadtrat und den Projektinitianten. Diese haben sich darauf verlassen und sehr viel Zeit, Energie und Geld auf das Projekt investiert. Nun kommt ein neu zusammengesetztes Parlament und zieht den Stecker. Das ist ein fatales Signal für die Initianten des Parkings Musegg und alle anderen Personen, die für das Wohl der Stadt Luzern Vorinvestitionen wagen.

Man muss kein Gegner dieses Projekts sein um zu erkennen, dass die Postulanten in mehreren Punkten einleuchtend argumentierten. Zum Beispiel sagten sie, dass es keinen Beschluss des Parlaments gibt, das den Stadtrat zur Mitarbeit im Projekt mandatiert hat. Bisher seien allerdings seitens der Stadt Leistungen im Wert von rund 150 000 Franken erbracht worden. Was sagen sie dazu?

Der Stadtrat braucht nicht für alle seine Aktivitäten einen Beschluss durch das Parlament, er funktioniert innerhalb der definierten Leitplanken als selbständige Behörde. Finanziell gesehen liegt diese Leitplanke nicht bei 150 000 Franken, sondern bei 750 000. Diesen Vorwurf kann man dem Stadtrat also wirklich nicht machen.

Aus bürgerlicher Sicht ist handkehrum der Vorwurf an die «Öko-Allianz» verständlich, mit der Überweisung ihres Postulats habe sie ein Projekt beerdigt, das erst im Entstehen sei und von dem noch gar nicht wisse, wie es wirklich aussehen würde.

Als Raumplaner widerstrebt mir dieses Argumentieren im faktenfreien Raum zutiefst. Politiker, die schon vor Kenntnis der Sachlage entscheiden, müssen sich die Bezeichnung dogmatisch wohl oder übel gefallen lassen. Auch ich habe mich noch nicht definitiv für das Parkhaus entschieden. Wie auch? Ich weiss schlicht und einfach die Antworten auf wichtige Fragen noch gar nicht.

Waren CVP, FDP und SVP naiv, dass sie nicht längst eine eigene Gegenstrategie erarbeiteten: es war ja seit den Grossstadtratswahlen vom 1. Mai 2016 klar, dass in verkehrspolitischen Fragen eine rot-grün-grünliberale Mehrheit  von 25 Stimmen, also das absolute Mehr, entstanden ist.

Sie waren vielleicht zu passiv. Wir hatten uns schon im Sommer auf Initiative von Grossstadrat Peter With (SVP) mit dem Gedanken beschäftigt, eine Volksinitiative zu lancieren. Ich war damals dagegen, weil eine Volksinitiative parallel zu einem gut aufgegleisten Prozess nicht wirklich zielführend ist. Diese Meinung habe ich auch heute noch. Naiv war vielleicht die Vorstellung, dass die «Öko-Allianz» es nicht wagen würde, mit einem Zweihänder im Parlament die bestehende Vereinbarung zwischen Stadtrat und Projektinitianten zu versenken.

Von aussen gesehen besteht der Eindruck, die bürgerlichen Fraktionen und ihre Parteien seien wie geschockt über den Entscheid vom Donnerstag. Und das, obschon er absehbar war. Die Stimmung ist offensichtlich schlechter als die Lage. Denn «gestorben» ist das Projekt ja noch keineswegs.

Einverstanden, die Stimmung ist schlechter als die Lage. Ich denke, die bürgerlichen Fraktionen müssen sich erst einmal mit ihrer neuen Rolle als Minderheit abfinden.

Nach der verweigerten Übergabe des Baulandes an der Eichwaldstrasse (unheilige Allianz aus SP, FDP und Grünen) waren mindestens die SVP und wir vom doppelten Paukenschlag ziemlich geschockt. Die Ohrfeige schmerzt eben nicht wenig, wenn man sie kommen sieht…

Ihre Partei hat eine Initiative angekündigt, welche den Stadtrat mandatieren soll, die Stadt beim Projekt wieder mitmachen zu lassen. Wie wird diese Initiative genau aussehen?

Die Initiative ist noch am Entstehen, wir wollen uns die Zeit nehmen, sie mit den Projektinitianten und den bürgerlichen Kollegen sorgfältig zu besprechen. Grundsätzlich stehen uns drei Varianten zur Verfügung: eine Änderung der Gemeindeordnung, eine Änderung eines bestehenden Reglements oder eine Volksinitiative in Form einer allgemeinen Anregung.

800 Unterschriften für eine städtische Initiative aufzubringen, wird problemlos möglich sein. Damit ist es aber nicht getan. Bevor die Initiative zur Abstimmung kommt, muss eine Diskussion stattfinden und zwar darüber, ob und – falls ja – warum sich die Stadt wieder in das Projekt einklinken soll. Welche Argumente können sie diesbezüglich schon heute liefern?

Ein wichtiger Punkt ist sicher die Aufwertung der Innenstadt. Zunächst einmal kommen die Cars vom Schwanenplatz weg – ein Anliegen, das viele Bürgerinnen und Bürger der Stadt Luzern seit langem und zu Recht haben. Die Situation ist heute total unbefriedigend. Ausserdem erhoffe ich mir auch einiges von der gezielten Aufhebung von Parkplätzen in der Innenstadt.

Nun zum Projekt: Welches ist ihre Haltung wo sehen sie Chancen, wo Risiken?

Die Museggmauer ist sicher nicht gefährdet, wie das gewisse Gegner sehen. Die Mauer ist sehr massiv gebaut und auch ziemlich duktil (d.h. beweglich). An der Museggstrasse wurde ja für die Strasse ein grosses Tor hineingebaut. Die Mauer neigte sich vor einigen Jahren ziemlich stark und konnte im Rahmen der Sanierung einfach zurückgedrückt werden, ohne Schaden zu nehmen. Die Sprengtechnik ist auch soweit ausgereift, dass mit Mikrosprengungen die Erschütterungen kaum spürbar sein werden. Schwachpunkt des Projektes ist sicher der Mehrverkehr bei der Geissmattbrücke, den können wir nicht weglügen. Dafür gibt’s andernorts weniger Verkehr.

Nachvollziehbar ist das Argument der Parkhaus-Gegner, attraktive Parkierungsmöglichkeiten zögen mehr Verkehr an. Da sind wir bei Ihrem Kernthema.

Stimmt, Parkplätze sind Verkehrsgeneratoren. Wir brauchen sicher nicht mehrere hundert neue Parkplätze, sondern nur den Ersatz von solchen an der Oberfläche. Wichtig ist dabei, dass man sich nicht auf die Zahl der Parkplätze versteift, sondern den damit verursachten Verkehr anschaut. Ein Parkplatz im Untergrund generiert deutlich weniger Fahrten als einer an der Oberfläche. Der Grund dafür ist, dass diejenigen Besucher, die länger bleiben wollen, eher in ein Parkhaus gehen. Will man nur kurz etwas abholen, fährt man gerne möglichst nahe zum Geschäft.

Was sagen Sie Leuten, die in unmittelbarer Nähe des Nölliturms leben, wo die Ein- und Ausfahrt gebaut würde. Es ist doch nachvollziehbar, dass sich diese Leute wehren.

Ja, das ist sehr gut nachvollziehbar. Hier liegt auch wie gesagt der grösste Problempunkt des Projektes. Es ist wie bei den Natelantennen: alle wollen telefonieren, aber die Antenne darf natürlich nicht neben meinem Haus stehen.

Ich finde es etwas unfair, von einem grossen Verkehrsprojekt zu verlangen, dass es nur Vorteile für alle generiert. Es gibt immer Vor- und Nachteile und auch die Möglichkeit, diese in der weiteren Planung noch zu stärken bzw. zu mildern. Am Schluss muss man doch die Summe aller Vor- und Nachteile anschauen, diese einander gegenüber stellen und dann für die ganze Stadt entscheiden.

Hätten Sie selber gerne die Ein- und die Ausfahrt zu einem solchen Mega-Parking vor ihrer Haustüre?

Natürlich nicht. Ich glaube, das möchte niemand. Aber ich würde mich wohl trotzdem die Mühe machen, das ganze Projekt anzuschauen und nicht nur meine persönliche Situation.

Auch die finanziellen Risiken sind ein Argument der Gegner. Was, wenn das Parkhaus floppt?

Ich vertraue den Kalkulationen der Projektinitianten. Aber grundsätzlich besteht bei einem neuen Unternehmen natürlich immer ein finanzielles Risiko. Der Schaden wäre überblickbar: ein Loch im Berg, von dem nur zwei Eingänge sichtbar sind.

Eine undramatische Bauruine im Vergleich zu anderen Vorhaben, und die Stadtkasse wäre kaum betroffen. Ein Käufer würde das Parking aus der Konkursmasse übernehmen und könnte relativ schnell ein relativ sicheres Geschäft betreiben.

Interview: Herbert Fischer 


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Über Roger Sonderegger:

Am 1. Mai 2016 ist Roger Sonderegger wieder in den Grossen Stadtrat gewählt worden. Er ist Mitglied der Baukommission und Präsident der Verkehrskommission der Stadt Luzern.

Sonderegger arbeitet an der Hochschule Luzern – Wirtschaft im Bereich Mobilität, wo er seit 2005 im Bereich Mobilität und Verkehr forscht und unterrichtet. Er ist promovierter Geograph (Thema seiner Dissertation: Zweitwohnungen im Alpenraum), Raumplaner und Unternehmer. Nebenamtlich ist er engagiert als Verwaltungsrat der Wärmeverbund Littau AG und als Vorstandsmitglied der Baugenossenschaft Matt.

Roger Sonderegger ist verheiratet, Vater von zwei Kindern (*2011, *2013) und wohnt im Stadtteil Littau.