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11.10.2015

Franz Grüter über gefährliche Umfrageresultate, fehlende Debatten und den neuen Stil seiner Partei

SVP-Kantonalpräsident Franz Grüter (Eich) gilt als Favorit, falls seine Partei am 18. Oktober ihren dritten Sitz zurückholt. Hier äussert er sich über seine Kandidatur, zum Wahlkampf und sagt, welches die Kehrseiten guter Umfragewerte für seine Partei sind.


Franz Grüter im Wahlkampf vor den Luzerner Kantonsratswahlen 2015 an einem Anlass in Sursee zusammen mit Bundesrat Ueli Maurer.

Nächster Markstein im SVP-Wahlkampf: Christoph Blocher, Christoph Mörgeli und Roger Köppel treten am Mittwoch, 7. Oktober im «Gersag» auf.

Siehe auch unter «Dateien».

Sie haben gestern Samstag beim Kurpavillon in Luzern einen Wahlkampf-Event mit Bundesrat Ueli Maurer veranstaltet. Wie sind Sie zufrieden?

Franz Grüter: Das war ein tolles Fest, ein letzter Mobilisierungsanlass: gute Leute, gute Stimmung, guter Ort.

Was gibt es denn jetzt noch zu mobilisieren, die Wahl ist in zwei Wochen bereits vorbei, «der Mist ist geführt».

Tatsächlich ist vieles «gelaufen», wie man so sagt. Viele Leute haben ihre Wahlzettel abgegeben. Entscheidend kann aber wirklich jede Stimme sein: die SVP hat 2011 wegen 300 Listen ihr drittes Nationalratsmandat verloren. Das Problem ist: viele Leute wollen nicht wählen und wir wollen auch sie erreichen, aufrütteln.

Was wissen Sie über die Nichtwählerinnen und -wähler?

Ich kenne diesbezüglich keine wissenschaftliche Analyse. Aber das Bauchgefühl sagt mir: es gibt Leute, die zufrieden sind, wie es ist und die nichts verändern wollen. Dann kennen wir aber auch die Frustrierten, die sagen, «die in Bärn obe» würden «eh machen, was sie wollen», also bringe die Teilnahme an der Wahl rein gar nichts. Ich antworte dann jeweils: Dann müsst Ihr halt jene wählen, von denen Ihr sicher sein könnt, dass sie machen, was auch Ihr wollt. Ich erkenne also viel Frust, aber auch viel Zufriedenheit.

Einer von denen, die diese Leute wählen sollen, ist offenbar Franz Grüter aus Eich. Warum sollen sie ihn wählen?

Ich bin zwar ein Quereinsteiger. Aber ich bringe viel Erfahrung aus der Wirtschaft mit, habe Firmen im Sektor Internet und Telekommunikation gegründet und weise mich über entsprechende Führungserfahrung aus. Für Politik habe ich mich allerdings immer interessiert, schon bevor ich vor vier Jahren das Präsidium der SVP des Kantons Luzern übernommen habe.

Ich bringe Kompetenzen mit, die im Parlament zum Teil fehlen. Wir haben in Bern ja immer mehr Berufspolitiker. Eine wohltuende Ausnahme war in diesem Zusammenhang sicherlich der Unternehmer Peter Spuhler.

Das ist Ihnen offenbar viel Geld wert: die «NLZ» hat kürzlich vermutet, Sie würden für Ihre Kampagne einen sechsstelligen Betrag investieren. Ist das wahr?

Nein, das trifft nicht zu. Das ist ein Gerücht, das auch die «NLZ» als das deklariert hat. Es bleibt mir nichts anderes übrig, als diese Zahl zu dementieren, sie ist absurd. Selbstverständlich gebe ich Geld aus – ein Wahlkampf kostet nun einmal Geld. Wenn man auf sich aufmerksam machen will, führt kein Weg daran vorbei, Inserate zu schalten und Plakat aufzuhängen, beides ist nun mal sehr teuer. Ich gebe einen hohen fünfstelligen Betrag aus.

Das zahlen Sie selber?

Ja, das zahle ich selber, ich habe nicht irgendwelche Geldgeber im Hintergrund.

Warum ist Ihnen das so viel Geld wert? Das ist ja kein Investment, kommt nicht zurück, jedenfalls nicht direkt und auch nicht «auf sicher». 

Ich glaube, wer Politiker werden – und bleiben – will, sollte dies eben nicht des Geldes wegen machen. Mir geht es darum, das politische Gedankengut meiner Partei, das auch mein Gedankengut ist, in Bern zu vertreten und so zu Lösungen beizutragen. Wenn ich mich schon bereit erklärt habe zu kandidieren, dann muss ich auch bereit sein, einen Wahlkampf zu führen und die entsprechenden finanziellen Mittel in die Hand zu nehmen. 

Allerdings ohne Erfolgsgarantie.

Logisch, dieses Risiko gehen alle Kandidierenden ein. Mit dem Effekt, dass Kandidaten, die einen besonders intensiven Wahlkampf geführt haben, sehr frustriert sein können, wenn sie ihr Ziel nicht erreicht haben. Auch ich habe keine Erfolgsgarantie. Aber ich habe dieses Geld nun eingesetzt und wenn es nicht klappt, dann hat es eben nicht geklappt. Aber ich hab es immerhin versucht.

Sie sind allerdings gut aufgestellt. Gesamtschweizerisch scheint Ihre Partei mit Sitzgewinnen rechnen zu können und im Kanton Luzern gilt es als wahrscheinlich, dass der GLP-Sitz dorthin zurückgeht, wo er 2011 abgeholt worden ist, dass ihn also die SVP erbt. Dabei gelten Sie als Favorit. Was sagen sie zu diesen Umfragen, die allerdings bekanntlich immer Momentaufnahmen und keine Prognosen sind? Überhaupt: Was halten Sie von diesen Wasserstandsmeldungen?

Persönlich wäre es mir lieber, wenn die Umfragen für die SVP nicht so gut wären. Ich mache die Erfahrung, dass schlechte Umfragewerte viel mehr mobilisieren, als gute. Ich bin also vorsichtig, nehme solche Umfrageresultate entsprechend vorsichtig auf.Unter anderem, weil kaum jemand bei einer Befragung zugibt, gar nicht zu wählen. Ich habe auch Zweifel an der Methodik von Umfragen.  

Ich «geniesse» solche Meldungen also mit grösster Vorsicht und sage unseren Leuten in der SVP immer wieder: «Lehnt euch nicht zurück». So gesehen wäre es mir sogar lieber, wenn wir nicht so positive Umfrageresultate hätten, die eben – das kann gar nicht genug betont werden – keine Prognosen sind.

Und selbst, wenn sie Prognosen wären, dürften wir nicht nachlassen und siegessicher werden. 

Wenn das Mandat von Roland Fischer (GLP) an die SVP zurück geht, sind die Chancen gross, dass Sie Nationalrat werden. Was glauben Sie: warum gelten Sie als Favorit?

Es gibt auch andere «Favoriten», wir haben sehr valable Kandidaten auf unserer Liste. Es gibt viele Konstellationen, zum Beispiel auch bezüglich des Entlebuchs, wo der Sitz von CVP-Nationalrat Ruedi Lustenberger frei wird. 

Seit ich politisch aktiv bin versuche ich, meinen jeweiligen Job zu machen, das ist im Moment das Parteipräsidium. Aber ich studiere nicht jeden Tag irgendwelchen Karrierezielen nach. Vielmehr überlege ich mir, was für diese Partei das Richtige ist. Ich setze mich entsprechend überzeugt ein und offensichtlich nimmt man das wahr. Wenn nun ein Nationalratsmandat die Frucht dieser Arbeit sein wird, freut mich das. Und wenn es nicht klappt, mache ich aus Überzeugung genauso weiter wie jetzt. 

Sie scheinen ein wahres Energiebündel zu sein.

Wie alle anderen SVP-Kandidatinnen und Kandidaten arbeite auch ich hart, habe wegen dieser Kandidatur fast keine Freizeit. Seit dem 1. August, als wir auf dem Brienzer Rothorn – dem höchsten Punkt des Kantons Luzern –  morgens um 5.30h gestartet sind, besuchen wir gemeinsam alle 83 Luzerner Gemeinden. Das ist eine Ochsentour, die teils an die Substanz geht. 

Was sagt Ihre Frau dazu?

Wenn ich nicht stabile Verhältnisse hätte – familiär, beruflich, in der Partei, gesundheitlich – könnte ich das gar nicht durchstehen. 

Es stehen sich in der Parteienlandschaft im Kanton Luzern zurzeit drei Blöcke gegenüber: erstens FDP und CVP mit ihren Jungparteien sowie BDP und EVP, die miteinander Listenverbindungen eingegangen sind; zweitens SP, Grüne und Grünliberale mit ihren Jungparteien, ebenfalls über Listenverbindungen miteinander verknüpft. Die SVP hingegen – drittens – marschiert alleine. Warum?

Als die Grünliberalen ihre Listenverbindung mit der SP und den Grünen ankündigten, habe ich mit dem FDP-Kantonalpräsidenten Peter Schilliger telefoniert und ihm gesagt, es würde absolut Sinn machen, wenn die FDP und die SVP ihre Listen verbinden würden, um das bürgerliche Lager zu stärken. Kurze Zeit später gaben dann aber CVP und FDP bekannt, dass sie eine Listenverbindung eingehen werden und zwar womöglich zusätzlich mit der BDP und der EVP, was sie dann ja auch tatsächlich machten. 

Ich brauche das Wort «historisch» nicht so gerne, aber als gebürtiger Ruswiler weiss ich, wie historisch belastet das Verhältnis der CVP und der FDP ist.

Man muss schon sehen: Es ist nun 175 Jahre her, dass Josef Leu im «Rössli» in Ruswil den «Verein von Ruswil», einen Vorläufer der Katholisch-Konservativen Partei, gegründet hat. Er ist später ermordet worden und es hiess immer: ermordet von liberalen Freischärlern. Seit 175 Jahren herrscht also eine Erzfeindschaft zwischen den seinerzeitigen Katholisch-Konservativen, der heutigen CVP (den «Roten») auf der einen Seite und den Liberalen, der heutigen FDP (den «Schwarzen») auf der anderen. Zu meiner Zeit in Ruswil gab es vor diesem historischen Hintergrund noch zwei Musikgesellschaften, zwei Turnvereine, zwei Chöre, es gab sogar noch eine reformierte Schule. Also diese Feindschaft hockte tief in den Genen der Menschen. 

Ich erwähne dies deshalb, weil vor allem ältere Leute diese Listenverbindung zwischen FDP.Die Liberalen und CVP im Wissen um die historischen Hintergründe überhaupt nicht verstehen können. Sie fühlen sich irgendwie verraten. Ich hätte wie gesagt gerne eine Listenverbindung mit den Liberalen gehabt, glaube aber, dass viele dieser «Enttäuschten» die SVP-Liste einlegen werden. So gesehen kann also die Listenverbindung zwischen CVP und FDP ausgerechnet der SVP nützen. 

Das ändert aber nichts daran, dass dies für uns ein harter Wahlkampf ist, wobei der eben beschriebene Umstand mobilisierend wirkend kann, weil wir eben auf uns allein angewiesen sind und alles geben müssen. Unser nächster Markstein ist übrigens der nächste Mittwoch (7. Oktober), wenn im «Gersag» Christoph Blocher, Christoph Mörgeli und Roger Köppel gemeinsam auftreten werden (siehe rechts).

Dieser Wahlkampf lebt von personellen Spekulationen, Zahlenspielen über Wähleranteile und mit Umfrageresultaten. Mehr oder weniger sind sich aber alle Beobachter einig, dass kaum wirkliche Debatten stattfinden. Sehen Sie das auch so?

Ich bin praktisch jeden Abend an einem Anlass und stelle fest: Themen wie Zuwanderung, Arbeitslosigkeit, Personenfreizügigkeit werden zwar nicht gerade totgeschwiegen, aber es wird von den anderen Parteien doch sehr bewusst versucht, diesen unbequemen Fragen auszuweichen, sie höchstens so ganz nebenbei und quasi «am Rand» zu behandeln. Ich war kürzlich an einer Veranstaltung, an der nur über die Bilateralen Verträge geredet worden ist, aber nicht darüber, dass das Personenfreizügigkeitsabkommen dringender Korrekturen bedarf, dass in der Schweiz die Arbeitslosigkeit laufend steigt. Es werden ja jeden Monat etwa 3500 Menschen ausgesteuert, die Arbeitslosenstatistik vermittelt ein entsprechend falsches Bild, weil die Ausgesteuerten darin nicht ausgewiesen sind.

Ich rede mit vielen Bürgerinnnen und Bürgern, die wegen ihres Alters keine Jobs mehr finden. Sie fühlen sich als Verlierer der Personenfreizügigkeit und ihre Erwartungshaltung lautet: zuerst sollen Schweizer angestellt werden, nicht Ausländer. 

Gerade FDP-Kreise unterstreichen immer die Bedeutung der Bilateralen Verträge. Auch ich sage, dass sie wichtig sind. Wir als SVP wollen nur in einem dieser Verträge Korrekturen und zwar bei der Personenfreizügigkeit. Die Fragen, die wir stellen, die Probleme, die wir aufzeigen, werden von unseren politischen Gegnern sehr elegant ausgeblendet. Vor allem auch Wirtschaftskreise machen dabei mit. 

Ich war entsprechend erstaunt, dass ich – immerhin als CEO eines Unternehmens mit mehr als hundert Mitarbeitenden – bei einem Rating der «wirtschaftsfreundlichsten Politiker», welches die Zentralschweizer Industrie- und Handelskammer unlängst veröffentlicht hat, nur auf einem hinteren Platz gelandet bin. Wer die Personenfreizügigkeit einschränken will, wird also brutal abgestraft.

Ihre Partei und auch Sie persönlich hätten es aber in der Hand, neben der Umsetzung der «Masseneinwanderungs-Initiative» und der Asylpolitik weitere Themen zu setzen.

Ich habe durchaus auch eigene Themen, zum Beispiel das Überwachungsgesetz (BüPf) oder die «Arbeitslosigkeit ab 50». Aber es ist – siehe Flüchtlingsthematik – tatsächlich so, dass eben am meisten interessiert, was auch international abläuft und entsprechend im Fernsehen präsent ist. Ich erinnere an 2011, als «Fukushima» derart dominant war. Wir als Partei können den Wahlkampf thematisch wohl beeinflussen, aber aktuelle Entwicklungen wie eben jetzt die Flüchtlingsströme oder vor vier Jahren «Fukushima» wirkten, beziehungsweise wirken weitaus stärker in der Themensetzung. Mit dem Unterschied halt, dass dies 2011 zu unseren Ungunsten lief, sich aber jetzt zu unseren Gunsten auswirkt. Die Ausländerpolitik, insbesondere die Asylthematik, ist nun mal unser Kernthema. 

Was ist Ihre Kritik am BüPF, dem Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs?

Es ist merkwürdig: die ganz grosse Masse der Bevölkerung scheint sich nicht gross dafür zu interessieren. Und das, obschon das jeden Einzelnen von uns betrifft. Es geht darum, dass der Staat mehr Rechte will bei den Überwachungsmöglichkeiten, vor allem den digitalen; dass neu alle Daten gespeichert werden sollen und zwar während zwölf Monaten.

Konkret: Mit wem habe ich telefoniert? Wem habe ich eine E-Mail verschickt? Wann war ich wo (also meine Bewegungsdaten)? So eruierte Standortdaten lassen sich vernetzen, sodass es sogar möglich wird festzustellen, mit wem ich mich wann wo getroffen habe. So lassen sich sehr gründliche Profile der Menschen erstellen. Und nochmals: All diese Daten sollen während zwölf Monaten gespeichert werden. 

Für mich geht das klar zu weit. Der nächste Schritt ist wahrscheinlich, dass von allen Bewohnerinnen und Bewohnern DNA-Profile erstellt und gespeichert werden. Wenn das in einem freiheitlich-demokratischen Staat nicht ganz strikt eingeschränkt wird, führt das früher oder später zu ähnlichen Verhältnissen wie in den USA, Stichwort: NSA!

Kommt dazu: Ich als Telekommunikations-Unternehmer bin davon sehr stark betroffen. Ich höre denn auch immer wieder: «Du wehrst dich nur, weil das dein Unternehmen Geld kostet». Das stimmt und das verhehle ich auch nicht. 

Aber mein eigenes Motiv ist die Horror-Vorstellung, in einem Staat zu leben, der Jede und Jeden unter Generalverdacht stellt. Das beisst sich mit meinen liberalen Prinzipien.

Und noch was: Gerade der NSA-Skandal und alles, was nachher rausgekommen ist in anderen Ländern haben gezeigt, wie sich die Geheimdienste unterschiedlicher Länder miteinander vernetzen; wie sogar Daten «befreundeter» Staaten abgegriffen und ausgewertet werden. Bekanntlich hat der NSA das Handy von Bundeskanzlerin Merkel angezapft, um nur ein Beispiel zu nennen. Davor graut mir!

Darum engagiere ich mich gegen das Referendum gegen das BüPF, zusammen mit einem Komitee übrigens, das sehr, sehr breit abgestützt ist.

Unter Ihrem Präsidium hat sich der politische Stil der SVP des Kantons Luzern offensichtlich und nachhaltig geändert. Es ist ebenso offensichtlich, dass dies zur Wahl Paul Winikers als Regierungsrat beigetragen hat. 

Als Präsident präge ich die Partei mit. Ich versuche, authentisch zu bleiben. In tiefem Herzen bin ich überzeugt von der Politik der SVP. Aber es gibt Unterschiede in der Umsetzung dieser Politik, vor allem in der Kommunikation. Ich will mit Argumenten überzeugen und nicht mit Konfrontation; will nicht, dass man despektierlich wird und politische Gegner persönlich angreift. Das merken die Leute und ich glaube ebenfalls, dass dies tatsächlich auch bei der Wahl Winikers eine wichtige Rolle gespielt hat. 

Wenn die SVP künftig in den Exekutiven stärker werden will, muss sie ihr Gedankengut sicher nicht aufgeben, sonst müsste sie ja gar nicht versuchen, für solche Ämter zu kandidieren.

Aber sie muss dafür mehrheitsfähige Köpfe präsentieren. Dafür reichen jedoch die SVP-Stimmen alleine nicht aus. Paul Winiker ist so eine Persönlichkeit, wir haben aber noch weitere.

Ihr Name taucht auch immer wieder im Zusammenhang mit einem Projekt des verstorbenen Otto Ineichen auf. Worum geht’s?

Aus seinem Wirken ist ein Projekt hervorgegangen, das sich dafür engagiert, dass auch 50-Jährige und Ältere auf dem Arbeitsmarkt eine Job-Chance haben. Daraus ist die Schweizerische Stiftung für Arbeit und Weiterbildung entstanden, für die ich mich einsetze (siehe unter «Links»).

Interview: Lisa Kneubühler

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Das Interview fand am Sonntag, 4. Oktober 2015 statt. Siehe dazu weiter unten auf dieser Seite: ein Kommentar von Pirmin Meier zu obigem Interview. Dieses Interview ist erstmals am 6. Oktober online gestellt worden.


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Pirmin Meier aus Rickenbach

Dienstag, 06.10.2015, 19:18 · Mail

Ein etwas langes Interview. Die Gespräche mit Martin Schwegler (von Pascal Vogel) und mit Ottilia Scherrer (von Hans Moos) waren journalistisch wohl bekömmlicher. Auf die Schlagworte der Schweizerischen Volkspartei wäre man im Hinblick auf eine Würdigung von Franz Grüter nicht angewiesen. Dabei gilt: Der Begriff «Asylchaos» heisst nicht, dass zuständige Leute die Lage nicht im Griff hätten. Eher schon, dass es sich, wie in Deutschland, wo die Nervosität krass zunimmt, um eine zunehmend unkontrollierbare Völkerwanderung handelt, mit der historischen Asyltradition in keiner Weise mehr vergleichbar.

Es bleibt aber dabei: Von allen bürgerlichen Politikern im Kanton Luzern - auch den mir nahe stehenden von CVP und FDP - äussert sich Franz Grüter jeweils am konkretesten.

Politikerinnen und Politikern mit sonst gutem Überblick bleibt es peinlich, dass viele christlichsozial, konservativ, liberal, sozial und grün verwurzelte Wählerinnen und Wähler auf dem Lande der «Masseneinwanderungs-Initiative» zugestimmt haben.

Falls der Satz stimmt «Heimat wird immer weniger», lagen tiefe Gründe vor. Nicht wegen, sondern trotz Blocher hat man zugestimmt. Trotzdem bleibt das schale Gefühl zurück, etwas bestellt zu haben, das bis zum heutigen Tag von Parlament und Exekutive nicht abgeholt wurde. Schuldzuweisungen sind zwar nicht so leicht, wie sie die SVP gelegentlich macht. Wer aber die Personenfreizügigkeit in den Rang eines politischen Glaubensbekenntnisses erhebt, weiss weder, was ein Staat ist, noch was die Schweiz ist. Wo die Grenzen nicht mehr kontrolliert werden können, notfalls dichtgemacht, kann kein selbstbestimmtes Staatswesen weiter existieren. Wer bei jährlich um die 180 000 Zuwanderer von Abschottung spricht, hat wohl Wahrnehmungsprobleme.

Wer hier indes «dran bleiben will», müsste nebst hohem Verantwortungsbewusstsein volkswirtschaftliche Kenntnisse haben, auch Kenntnisse der Arbeitswelt. Und Beharrungsvermögen. Franz Grüter wurmt es, dass er als weniger wirtschaftsfreundlich gilt als Liberale und Grünliberale. Mich als Liberalkonservativen aus der denkerischen Tradition der Troxler, Steiger und Segesser wurmt es nicht. Ich praktizierte eine bescheidene Freiheit viele Jahre lang in einer Dachwohnung, wo ich meine Hauptwerke über Paracelsus und Bruder Klaus schrieb. Ein Nebenresultat meiner Forschungen: Es gibt noch andere Werte und Sorgen als immer nur die Panik wegen dem Wohlstand. Dieser bleibt zwar wichtig. Nach meiner politischen Überzeugung müsste man für höhere Werte auch Opfer bringen können. Wer glaubt, es sei Egoismus, wenn man sich die Schweiz nicht kaputt machen lassen will, hat vielleicht Mühe mit dem hier in Generationen gewachsenen Gemeinschaftsgefühl. Der Götzenkult der Globalisierung hat wenig mit Solidarität zu tun.

Als politischer Philosoph stütze ich mich auf Prinzipien, zum Beispiel das Freiheitsprinzip. Es war also wenig klug, beispielsweise von der CVP, den Kanton Luzern mit einem «Gesetz zur Förderung des gesellschaftlichen Zusammenhalts» beglücken zu wollen. Liberale aller Parteien haben dagegen das Referendum ergriffen.

Nicht weniger bedeutungsvoll ist das Subsidiaritätsprinzip. Der aus meiner Sicht begabteste jüngere CVP-Politiker, Jean-Pascal Ammann, steht wieder offen dazu. Bei der Jungen SVP habe ich es auf Einladung mal erklärt. Was heisst eigentlich Subsidiarität? Im Zweifelsfall sind der Privatmensch, die unterste Gemeinschaft, die Familie, der KMU-Betrieb zuständig. Sie müssen nicht primär «unterstützt» werden. Wichtiger ist, dass man «zuständig» bleibt. Desgleichen die Gemeinde. So weit Kompetenzen zur Einbürgerung abgegeben wurden, dem Bürger weggenommen, gar nach oben delegiert, war das Subsidiaritätsprinzip vernachlässigt.

Was hat das mit Franz Grüter zu tun? Weder in Sachen Gemeindefusionen noch in der Auffassung der Bürgerrechte, die für ihn konkrete Rechte des Bürgers vor Ort sind, hat er das Prinzip der Subsidiarität preisgegeben. Er wagte sogar, das rechne ich ihm hoch an, für ländliche Gemeinden das Prinzip der Schulsozialarbeit in Frage zu stellen. Im Engagement für eine Bildung vor Ort, wo die Lehrkräfte wieder vor Ort wirken, sogar in der dörflichen Kultur, im lokalen Brauchtum und im Sport. Das Argument, ein Fussballclub mit zehn Juniorenabteilungen bringe mehr als ein 40 Kilometer von seinem Arbeitsort lebender Sozialarbeiter, den niemand kennt und den man nie im Dorf sieht, tönt nach gesundem Menschenverstand und entspricht demselben auch.

Wenn Franz Grüter sagt «SVP-Gedankengut», so tönt es etwas altbacken. Ich würde mich nie so ausdrücken. Konservatives Gedankengut aber, wie in Grüters Heimat Ruswil entwickelt, macht einen noch altbackeneren Eindruck, wiewohl nach wie vor ein Erbe und ein Auftrag. «Gedankengut» wäre wohl besser durch «politische Prinzipien» zu ersetzen. Franz Grüter kennt sie.

Soweit Franz Joseph Strauss mal gesagt hat, dass konservativ sein heute bedeute, an der Spitze des Fortschritts zu marschieren, so trifft dies auf Franz Grüter wohl mehr zu als auf fast jeden unserer einheimischen bürgerlichen Politiker der Gegenwart. Seine Ausführungen über die Überwachung, über das BüPF, seine Hintergrundkenntnisse betreffend den Überwachungsstaat als Steuerstaat, Bevormundungsstaat, Zensurstaat, Orwell-Staat sind genau das, was wir heute in der Schweiz, in Europa und weltweit dringend uns bewusst machen müssten. Die Piraten werden in der Schweiz zwar wohl kaum ein Nationalratsmandat erringen. Macht vielleicht nichts. Der in dieser Sache «heimlifeisse» Franz Grüter hingegen hat das Zeug zum «Piraten» in der Schweizer Politik.

Liberal darf für Franz Grüter nicht zu «lieberal», das heisst lieb sein, verkommen; konservative Traditionen könnten wieder Grund und Boden finden: Ein moderner liberaler Konservativismus, was nicht zuletzt Franz Grüters Engagement für das Vermächtnis von Otto Ineichen selig bezeugt. Nach meiner Beobachtung in Bern gibt es dort zu viele Hinterbänkler aus der Zentralschweiz, aus allen Parteien.

Gerne sehe ich in Franz Grüter einen Hoffnungsträger. Noch mehr hoffe ich, dass ich ihn nicht überschätze. Dabei wähle ich ihn, weil ich ihn als einen sauberen Charakter abseits von Bluff und Show einschätze. Franz Grüter steht jenseits der Kinderkrankheiten einer nicht zufällig umstrittenen Partei, die zeitweilig etwas zu schnell gewachsen ist. «Unter» Franz Grüter ist die SVP des Kantons Luzern ein berechenbarer regierungsfähiger Partner geworden.

Pirmin Meier, Rickenbach

 
 
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