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07.10.2015

Martin Schwegler über seine Wurzeln, Menschenwürde und Ängste vor dem Fremden

Der Menznauer Rechtsanwalt Martin Schwegler will am 18. Oktober CVP-Nationalrat werden. Hier spricht er über seine Herkunft, sein Menschenbild und die Entsolidarisierung der Gesellschaft.


Martin Schwegler in seiner Advokatur in Menznau, in der er sechs Leute beschäftigt.

Im Wahlkampf hat Martin Schwegler praktisch jeden Tag mindestens einen Auftritt, wie hier am 6. September im Kantonsratssaal vor SchülerInnen der Fachmittelschule.

In Menznau aufgewachsen und noch heute arbeitend und lebend, spielt der Napf im Leben von Martin Schwegler eine zentrale Rolle. Dorthin führt jedes Jahr ein Ausflug seines Anwaltsbüros. Er ist für ihn «der schönste und besinnlichste Berg».

23. Juni 2011: CVP-Kantonalpräsident Martin Schwegler an einem Treffen der sechs Zentralschweizer CVP-Kantonalparteien mit Bundesrätin Doris Leuthard. Er führte die Partei von 2005 bis 2012.

Bilder: Herbert Fischer

Die CVP hat im Kanton Luzern aktuell drei Nationalräte. Ida Glanzmann aus Altishofen, Leo Müller aus Ruswil und Ruedi Lustenberger aus Romoos, also niemanden aus der Stadt, wobei Letzterer nicht mehr antritt. Warum soll jemand in der Stadt Martin Schwegler aus Menznau wählen?

Martin Schwegler: Es geht am 18. Oktober um das Eidgenössische Parlament und damit um Bundesthemen. Aus Luzerner Sicht ist wichtig, dass wir Parlamentarier haben, die Einfluss nehmen können. Ob sie von der Stadt oder vom Land kommen, ist da nicht so entscheidend. Natürlich kann es unterschiedliche Sichtweisen zwischen Stadt und Land geben. Ich selber bin sicher kein klassischer «Land-Lobbyist», das habe ich bereits als kantonaler CVP-Präsident bewiesen. 

Gibt es also im Kanton Luzern den viel zitierten «Stadt-Land-Graben» gar nicht? 

Nach meiner Wahrnehmung gibt es ihn nicht wirklich. Ich sehe keine emotionale Barriere. Wer – wie ich, als «Landei» – in der Stadt zu tun hat, geht gerne hin. Dasselbe Gefühl habe ich, und nicht nur ich übrigens, wenn die Städter «aufs Land» kommen. Aus ländlicher Sicht verbindet man einen Ausflug in die Stadt häufig mit Freizeit, mit Erholung. Luzern ist eine schöne Stadt. Alle im Kanton Luzern sind stolz auf sie.  

Aber natürlich kann ich die Frage verstehen. Mehrere Abstimmungsresultate zeigen klare Trennlinien zwischen städtischen und ländlichen Interessen.

Zum Beispiel bei der Abstimmung über die Initiative zur Abschaffung der Liegenschaftssteuer: Auf dem Land sind nun halt mal weitaus mehr Leute Haus- und Wohnungseigentümer als in der Stadt. Aber deswegen muss man doch keinen Graben heraufbeschwören.

Die CVP als Partei umfasst ein breites Spektrum von ExponentInnen und auch von WählerInnen: Wo in dieser Palette verortest Du Dich selbst?

Ich mag die eindimensionale Verortung in «links – rechts» gar nicht. In der CVP ist der sogenannt linke Flügel dem angeblich rechten Flügel häufig viel näher als den jeweiligen Polen. Als ich in meiner Zeit als Kantonalpräsident dem nationalen Parteivorstand angehörte, hatte ich mehrmals so etwas wie eine Brückenfunktion zwischen traditionellen konservativen CVP-Kantonalparteien einerseits und den mehr städtisch geprägten auf der anderen Seite.

Im Kanton Luzern hatte ich als Parteipräsident erst recht die Aufgabe, unterschiedliche Strömungen zusammenzubringen. Diese Rolle hat mir gefallen. Von meiner Herkunft her bin ich christlichsozial geprägt. 

Hat das mit Deinen Wurzeln, Deiner Familie, Deiner Geschichte zu tun?

Sehr stark sogar! Mein Vater musste in meiner Jugend als Kleinbauer aufhören und seine Familie als Fabrikarbeiter ernähren. Ich erinnere mich: Mitte der Siebziger Jahre verdiente er so rund 700 Franken, wobei die Viereinhalb-Zimmerwohnung um die 300 Franken kostete. 

Wenn man als Kind und Jugendlicher immer wieder hörte: «Wir haben kein Geld», dann motivierte dies, die Chancen, die trotz allem vorhanden waren, zu packen: Ich ging als Einziger meines Jahrgangs vom Schulhaus Geiss an die Kanti Willisau. Auch war ich der Erste in unserer Familie, mütterlicher- wie väterlicherseits, der studiert hat. Wir waren eine Kleinbauern- und Knechte- und später eine Arbeiterfamilie.

Meine Eltern hatten wenig, waren aber zufrieden. Ich haderte auch nie damit, dass ich in der Gymnasialzeit die Bücher, Kleider oder das Essen häufig mit meinem eigens verdienten Geld bezahlte. Erst recht finanzierte ich mein Studium und meine Ausbildung zum Rechtsanwalt selber. 

Man nimmt Dich als gesellschaftsliberal war: Was heisst das genau? Und: passt das zur CVP?

In der C-Politik steht der Mensch im Mittelpunkt: Ich sage dies, obwohl es etwas abgedroschen tönt. Aber der Herrgott hat nun mal verschiedene und unterschiedliche Menschen geschaffen. Alle haben ihre Würde und entsprechend Anspruch darauf, respektvoll behandelt zu werden.

Die Würde ist unantastbar – es gibt deshalb keine «besseren» oder «schlechteren» Menschen. Also sollen alle so leben, wie sie wollen. Der Staat hat da grundsätzlich nichts dreinzureden; jedenfalls nicht, solange die Gesellschaft davon nicht tangiert ist. 

Ohne, zum Beispiel, Kantonsrat gewesen zu sein, versuchst Du direkt Nationalrat zu werden, wie bereits vor vier Jahren. Kommt das überall gut an? 

Ich bin nicht wirklich ein Quereinsteiger! Ich bin seit 1989 politisch aktiv, zuerst als Präsident der JCVP im Amt Willisau, nachher im Kanton Luzern. Dann wurde ich Ortsparteipräsident in Menznau und Amtsparteipräsident Willisau. 2004 leitete ich den innerparteilichen Erneuerungsprozess, welcher nach der Wahlschlappe von 2003 nötig war. Wir haben in einem Basisprozess versucht, die Parteiarbeit neu zu definieren und die Partei besser zu positionieren. Weil das relativ gut gelungen war, wählte man mich 2005 zum Kantonalpräsidenten. Bis 2012 habe ich dann die kantonale und teilweise auch die nationale Politik sehr eng begleitet. 

Welches sind Deine Kernthemen, welches Deine Botschaften?

Zuerst verstehe ich mich als Generalist, der die Probleme aus grundsätzlicher Sicht angeht, stets ausgehend von meiner Werthaltung. Ich bin deswegen auch kein klassischer Interessenvertreter. 

Viel beschäftigt habe ich mich mit der Ausländerpolitik, welche ja die Bevölkerung auch stark bewegt. Meine Antwort auf die Probleme, welche durchaus bestehen, ist jedoch nicht Ausgrenzung, sondern Integration. Es liegt nämlich im Interesse der Gesellschaft insgesamt, dass Menschen welche für immer da bleiben, gut integriert werden. Wer nämlich nicht integriert ist, macht viel eher Probleme. Die Grenzen können wir ja auch nicht schliessen. Menschen aus anderen Ländern helfen mit, unsere Wirtschaft in Schwung zu halten. Ein Teil unserer Infrastruktur, ich denke da vorab an das Gesundheitswesen, kann ohne Ausländer nicht aufrecht gehalten werden. 

Speziell am Herzen liegt  mir auch die Energiewende. Schon 1991 haben wir uns als JCVP-er im Rahmen von «Solar91» engagiert. Jetzt werden unsere Ideale von damals erstmals ernsthaft umgesetzt. 

Manchen geht der Umstieg auf Alternativenergien viel zu langsam, andere malen den Untergang der Wirtschaft an die Wand. Welches ist – aus Deiner Sicht – der aktuelle Stand? 

Ich habe nicht das Gefühl, es gehe «alles viel zu langsam». Wichtig ist der strategische Grundsatzentscheid, dass die Energiewende wirklich und definitiv beschlossen ist. Damit haben Forschung und Wirtschaft Investitionssicherheit. Und dann kriegen wir auch die technischen Lösungen, die teilweise noch nicht bestehen. Übrigens ist der Strom so billig wie noch nie in Europa, nicht zuletzt, weil vorab in Deutschland die Produktion von Solar- und Windstrom dank staatlichen Zuschüssen extrem schnell gewachsen ist. 

Haben wir ein «Asylchaos»? 

Nein, ein Chaos hat man, wenn alles «zonderobsi» ist. Im Vergleich zu den Problemen unserer europäischen Nachbarn haben wir sogar sehr geordnete Verhältnisse. Allerdings ist der Migrationsdruck hoch, was durchaus zu Problemen führen kann.

Europa ist wirtschaftlich verhältnismässig erfolgreich und politisch stabil. Wir sind Teil dieses Europas und entsprechend attraktiv für Menschen, die bei sich zuhause keine Perspektiven mehr haben.  

Obwohl jeder Mensch nach meiner Überzeugung das Grundbedürfnis hat, in seiner Heimat bleiben können, gibt es offensichtlich Zwänge, die Menschen aus ihrer Heimat vertreiben. Es sind dies einerseits wirtschaftliche Zwänge, anderseits auch politische. Darum ist es so wichtig, dass wir uns dafür einsetzen, dass solche Zwänge beseitigt werden. Es ist doch gescheiter, Geld in die Entwicklungshilfe zu investieren, als Asylbewerber bei uns unterbringen und unterhalten zu müssen.

Neckischerweise sind allerdings die gleichen Kreise gegen Entwicklungshilfe, die jetzt so lauthals ein angebliches «Asylchaos» beschwören. Korrekterweise muss ich nachschieben, dass nicht jeder Franken, der in den Süden fliesst, gut investiert wird und dass wir es nicht in den Händen haben, Krieg und Unrecht in anderen Ländern zu verhindern.  

Nochmals zur Integration: Warum ist das überhaupt – einmal abgesehen von der aktuellen Asyldebatte – noch ein Thema? Wo liegen die Probleme?

«Das Fremde» verursacht Ängste. Unsere Wertekultur – vor allem der Stellenwert von Institutionen wie etwa der Kirche, den Vereinen, den Parteien, des gesellschaftlichen Lebens überhaupt – hat sich grundlegend verändert.

Das führt zur immer deutlicher erkennbaren Individualisierung: Man diskutiert nicht mehr in der Beiz, sondern trinkt sein Bier zu Hause. Man turnt nicht mehr im Verein, sondern hat ein Fitnessabo. Die Kirche wird nur noch situativ besucht, nämlich bei Hochzeit, Geburt oder Tod. Dadurch ging der «gesellschaftliche Kitt» von einst verloren, er ist dem Einzelgängertum gewichen. So sehr wir diese Unabhängigkeit wollen und geniessen, so allein sind wir dann mit unseren Problemen und Ängsten. Ich glaube, dass sich einige gerade deswegen viel schneller aufhetzen lassen. Zudem: Wer irgendwie unzufrieden ist, hat auch das Bedürfnis, einen Schuldigen dafür zu finden. Auf komplexe Fragestellungen will man einfache Antworten, auch wenn sie noch so falsch sind. 

Eine Gesellschaft aus lauter Individualisten hat logischerweise grosse Mühe, Andere und damit auch «Fremde und Fremdes» zu  integrieren.

Interview: Pascal Vogel

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Martin Schwegler zu Stichworten

Doris Leuthard ist für die CVP ...

.... die Integrationsfigur. 

Der Napf ist für mich...

.... der schönste und besinnlichste Berg. Deshalb machen wir jedes Jahr den Geschäftsausflug auf den Napf. 

Die Listenverbindung der CVP und der FDP für die National- und Ständeratswahlen im Kanton Luzern ist ...

.... ein Gebot der Zeit. 

CVP-Ständerat Konrad Graber wird im ersten Wahlgang... 

... gewählt. Ein guter und ehrlicher Politiker, zudem ein langjähriger Weggefährte von mir. Wir verstehen uns sehr gut. 

Für das «Rössli» in Ruswil engagiere ich mich, weil ...

... in diesem Hause Geschichte geschrieben wurde. Wer die Geschichte nicht kennt, geht blind in die Zukunft. 

Von meinen Kindern erhoffen sich meine Frau Sonja und ich.... 

... dass sie selbstbewusst und anständig durch’s Leben kommen und dabei glücklich werden. 

Imker bin ich geworden, weil...

... ich dank meines Vaters den Zugang fand und heute der Faszination des Bienenvolkes völlig erlegen bin.  

In meinen Jobs als Werkstudent in der Migros habe ich gelernt,...

... dass es unter den «einfachen Leuten» ebenso viele kluge Menschen gibt wie unter den «Gschtudierten».

Die sieben Jahre als Kantonalpräsident der CVP waren....

... spannend, aber sehr anspruchsvoll. Nach meinem Rücktritt musste ich meine Batterien zuerst wieder aufladen.

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Dieser Beitrag ist erstmals am 8. September und zum zweiten Mal am 18. September online gestellt worden.


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