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Kolumne von Beat Murer

25.09.2016

MEI-Debatte im Nationalrat: unglaubliche SVP-Rhetorik

Wie schon im Vorfeld der Debatte über die Umsetzung der «Masseneinwanderu​ngs-Initiative» (MEI) ereiferten sich SVP-Nationalräte am 21. September 2016 mit Schlagwörtern wie «Verfassungsbruch»​, «Beerdigung der direkten Demokratie», «Nichtbefolgen des Volkswillens», etcetera.


Gemäss «Sonntagsblick» von heute (25 September) will die SVP sogar noch zu einer öffentlichen Protestversammlung vor dem Bundeshaus aufrufen. Bezeichnend ist, dass gemäss Aussagen des SVP-Präsidenten in der «Arena» vom vorgestrigen Freitag (23 September) seine Partei kein Referendum gegen die Umsetzungslösung, ergreifen werde, wie auch immer die Beratungen im Ständerat ablaufen würden.  

Begründung: Die SVP wollten kein Referendum gegen «eine Null-Lösung»  machen! Der wahre Grund ist meines Erachtens allerdings, dass die SVP befürchtet, dass so ein Referendum scheitern würde.

Obschon sich die SVP immer noch als grosse «Siegerin» der Volksabstimmung vom 9. Februar 2014 über die MEI wähnt und sich immer wieder auf das angeblich deutliche Volksmehr beruft, ist dieses mit 19 302 Mehrstimmen äusserst knapp ausgefallen. Somit gaben lediglich 0,68 Prozent der gültigen Stimmabgaben den Ausschlag. Sogar die total 39 750 ausser Betracht fallenden Stimmen (leere und ungültige) waren mehr als doppelt so hoch wie das Volksmehr der Stimmenden. Und sogar noch 9000 höher als anlässlich der EWR-Abstimmung vom 6. Dezember 1992 (dies erst noch bei etwa 22 Prozent tieferer Stimmbeteiligung​). Dass viele Ja-Stimmende lediglich «ein Zeichen setzen» wollten, ist hinlänglich bekannt und relativiert das knappe Resultat noch mehr.  

Interessant ist angesichts dieser äusserst knappen Stimmenmehrheit, dass die «Unterlegenen» damals das Resultat mit Fairness zur Kenntnis nahmen. Im Gegensatz dazu heulte die seinerzeit bei der «Asyl-Initiative» am 24. November 2002 unterlegene SVP laut auf, indem sie eine Nachzählung verlangte und unter anderem die Zählmaschinen in der Stadt Bern in Frage stellte. Dies war auch eine Beleidigung aller Schweizer Gemeinden, welche die Auszählung gesetzeskonform durchführten und in denen wohl auch viele SVP-Vertreter bei diesen Arbeiten mitbeteiligt​ waren.

In der Geschichte des Schweizerischen Bundesstaates wurde noch nie wortwörtlich der Text einer Volksinitiative umgesetzt. Dies war auch stets ein Grundkonsens der schweizerischen Politik und wurde von keiner Partei, auch nicht der ehemaligen BGB (Bürger-, Gewerbe- und Bauernpartei) als Vorläuferin der SVP in Frage gestellt. 

Gesetzesarbeit ist Sache des Bundesrates und der ins Parlament gewählten Volksvertreter. Wer nur minimalsten Staatskundeunterricht​ genossen hat, sollte also wissen, dass eine Volksinitiative gewissermassen eine «Anstossfunktion» zu einem Anliegen stimmberechtigter Bürgerinnen und Bürger hat. Deshalb hat der Gesetzgeber unter anderem auch die «unterlegenen» Stimmbürgerinnen und Stimmbürger zu berücksichtigen, erst recht auch bei äusserst knappen Resultaten wie bei der MEI.

Beat Murer, Luzern

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Über Beat Murer:

Beat Murer (*1949) ist in Luzern aufgewachsen, wo er nach dem Besuch der Zentralschweizerischen Verkehrsschule 23 Jahre bei den SBB diverse Funktionen - vom Betriebsdisponenten bis zum Liegenschaftsverwalter - ausübte. Als Weiterbildungen besuchte er den Verwaltungskurs für Luzernische Verwaltungsbeamte und den SVIT-Fachkurs für Immobilientreuhänder.

Bis zu seiner Pensionierung im Frühjahr 2011 leitete er 17 Jahre das Ressort  Wahlen und Abstimmungen der Stadt Luzern. Dies beinhaltete unter anderem die Organisation und Durchführung sämtlicher eidgenössischer, kantonaler und kommunaler Wahlen sowie diejenigen der katholischen und reformierten Kirchgemeinden. Zudem war er dort bis 2010 für die Prüfung von Initiativen/Referenden/Volksmotionen zuständig. 1990 bis 1992 vertrat er die SP im Grossen Stadtrat und von 1998-2006 war Beat Murer Mitglied des Grossen Kirchenrates der Katholischen Kirche Stadt Luzern.

Beat Murer kandidierte für die glp 2012 als Grossstadtrat.

Sein Motiv, bei lu-wahlen.ch als Kolumnist mitzuwirken: «Ich will so mithelfen, dass verantwortungsbewusste politische Diskurse möglich werden.»