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Kolumne von Pirmin Meier

07.02.2014

Mit Martin Wallimann verliert die Innerschweiz einen herausragenden Verleger

Im Alter von nur 55 Jahren ist, man nehme mir das Werturteil nicht übel, unsere derzeit ehrgeizigste und qualitativ beeindruckendste belletristische Verlegerpersönlichkeit, der Obwaldner Martin Wallimann, für seine Leser und nicht nur für die Innerschweizer Kultur- und Literaturszene völlig überraschend und kaum ersetzbar, aus dem Leben gerissen worden.


Bild: Emanuel Ammon / www.aura.ch

Er war ein Mann mit hohem Wertbewusstsein, ästhetisch und ethisch, im Denken keineswegs ein Konformist, der dem Buchschaffen in der Innerschweiz Wege wies und neuen Rang markierte. Dies sowohl in gestalterischer als auch in inhaltlicher Hinsicht, mit Produktionen, die nicht nur saisonal, sondern auf Dauer angelegt waren. 

Eines der besten Bücher, das er je herausgegeben hat, für mich eine Offenbarung einer Innerschweizer Autobiographie, war «Frau Bartsch», die Jugendgeschichte des ehemaligen Obwaldner Erziehungssekretärs, Publizisten, Radiomannes und nicht nur Mundartschriftstellers Julian Dillier, eines Obwaldner Vorläufers von Martin Wallimann als Innerschweizer Kulturpreisträger.

Das Buch bringt sowohl kulturell als auch pädagogisch wie auch religiös und politisch eine einmalig kritische Darstellung einer gern als «heile Welt» verklärten Innerschweizer Kleinstadtkultur, analog etwa zu «Der sechste Tag» von Joseph Vital Kopp, jedoch mit Perspektiven über die Innerschweiz hinaus, bis nach Deutschland und Island. Mit «Frau Bartsch», der Titelfigur, wird auch ein Stück Frauenemanzipation geschildert zu einer Zeit, als dies eigentlich noch kein Thema war.

Dies ist aber nur ein Beispiel für die unerhört wertvolle, substanzielle Arbeit von Martin Wallimann, die er auch jeweils in Frankfurt an der Buch Messe, an der Buch Basel und an einer von ihm selbst in Luzern organisierten jeweiligen Ausstellung repräsentierte.

Der Horizont des gelernten Druckers, den eine nie erlahmende einmalige Neugier vorwärts trieb, auch ein Eros der Arbeit, war weit, und er gehörte nicht zum herkömmlichen Obwaldner oder Innerschweizer Teig. Mit «Cervelatprominenz» hatte er nichts gemeinsam. Wie für Paracelsus galt für ihn das Wort: «Die Kunst geht uns nicht nach, es muss ihr nachgegangen werden.»

Zu der in Sarnen in der Kollegikirche stattgefundenen Innerschweizer Kulturpreisverleihung 2009 hielt Redaktor Urs Bugmann eine exzellente Laudatio, von der Elemente jetzt möglicherweise in einen viel zu frühen Nachruf eingehen.

Ich habe selber nie etwas bei Martin Wallimann publiziert, möchte ihm aber auch im Namen von praktisch allen Innerschweizer Schriftstellerkolleginnen und -kollegen übers Grab hinaus ein erschüttertes Dankeschön zurufen.

Dass allerdings das Buch, die schöne Literatur, im Raum Innerschweiz derzeit trotz guter Produktionen, auch von Jungverlegern, in ernsthaften Gesprächen und Diskussionen um unsere Standortbestimmung eine nur geringe Rolle spielt, ist keineswegs ein Umstand, der geeignet wäre, unsere Diskussionskultur zu erhöhen. 

Martin Wallimann, geboren 1958, verstorben am 6. Februar 2014, verlässt eine ihm innig zugetane Gattin und zwei erwachsene Söhne. Dass wir ihn wegen seiner raumausfüllenden, bäurisch wirkenden Gestalt, allerdings mit etwas melancholischen Augen, mit einer unverwüstlichen Saftwurzel verwechselt haben, erwies sich als ein Irrtum

Er könnte auch denen fehlen, die ihn und sein Schaffen jetzt erst noch entdecken könnten. Er brachte es fertig, gerade durch Überwindung einer herkömmlichen Heimatkultur neue, in einem unkitschigen Sinn heimatliche Verwurzelung zu konstituieren, gemäss dem Hölderlin-Motto aus «Hyperion – Der Eremit in Griechenland»: «Nicht ausgeschlossen sein vom Grössten, dennoch gehalten werden im Kleinsten, das ist der Weg Gottes.»

Pirmin Meier, Rickenbach


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Über Pirmin Meier:

Dr. phil. Pirmin Meier (1947), aufgewachsen in Würenlingen AG und wohnhaft in Aesch, langjähriger Gymnasiallehrer in Beromünster, war zunächst als Journalist und Herausgeber von Büchern (unter anderem bei Suhrkamp-Insel) tätig, später mehrere Jahrzehnte als Gymnasiallehrer (Beromünster) und Lehrerfortbildner. 

Seine Biographien über Paracelsus (6. Auflage im Jahr 2013), Bruder Klaus (3. Auflage in Vorbereitung) sowie Heinrich Federer und Micheli du Crest gelten als epochal und wurden unter anderem mit dem Innerschweizer und dem Aargauer Literaturpreis ausgezeichnet. Zu den Themen, die mit der Innerschweiz zu tun haben, gehören bei Pirmin Meier das Buch «Landschaft der Pilger», unter anderem mit der Beschreibung der Schattigen Fasnacht in Erstfeld und einer ersten Studie über den heiligen Gotthard. Ausserdem setzte er sich mit der Biographie von Pater Alberich Zwyssig – von ihm stammt der Text des «Schweizerpsalms», der Schweizer Nationalhymne – auseinander, eingegangen in das Buch über Wettingen «Eduard Spörri, ein alter Meister aus dem Aargau».  

Stark beachtet, mit rund drei Dutzend öffentlicher Lesungen seit dem Erscheinen, etwa in Altdorf und im Bahnhofbuffet Göschenen, wurde die mit grossem Aufwand betriebene Neufassung des berühmten Jugendbuches «Der Schmied von Göschenen», welche Neubearbeitung erstmals die Bedeutung der Walser für die ältere Schweizer Geschichte unterstreicht.  

Pirmin Meier gehörte auch zu den geistigen Promotoren des Films «Arme Seelen» von Edwin Beeler, zu welchem Thema er sich im Sommer 2012 in einer ganzstündigen Sendung «Sternstunde Religion» auf SRF ausgelassen hat. Er lebt in Rickenbach bei Beromünster, arbeitet derzeit an einem Grossprojekt über Schweizer Mystik und schrieb auch den Text für das Oratorium Vesper von Heiligkreuz mit Musik von Carl Rütti.

Am 7. September 2013 hielt Dr. Pirmin Meier auf der Rigi die Jubiläumsansprache zum Jubiläum 70 Jahre Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverein ISSV. Für sein Buch «St. Gotthard und der Schmied von Göschenen» machte er bedeutende, für die Geschichte der alten Wege einmalige Recherchen über die alten Wege vor 1231, auch zusammen mit dem Historiker Dr. Hans Stadler-Planzer.

In beratender Funktion ist Pirmin Meier tätig für das Filmprojekt «Paracelsus - Ein Landschaftsessay» des in Root (LU) wirkenden Filmunternehmers und Regisseurs Erich Langjahr, wie Pirmin Meier Innerschweizer Kulturpreisträger.

Mehr über Pirmin Meier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pirmin_Meier

Pirmin Meier erhält Innerschweizer Kulturpreis 2008:
https://kultur.lu.ch/-/media/Kultur/Dokumente/preise_auszeichnungen/meier2008.pdf