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Kolumne von Pirmin Meier

21.11.2013

Ein Verbot der Prostitution würde auf Dauer zu einer Kriminalisierung und Verfolgung führen

Oberfeministin Alice Schwarzer landete wie selten einen politischen Volltreffer, als sie ein Verbot der Prostitution nach schwedischem Vorbild forderte: 1500 Euro Busse pro Freier und «einen Brief nach Hause», damit allenfalls für die mitbetroffene Ehegattin Transparenz entstehe. Es sei eine massive Verletzung der Menschenwürde, wenn sich ein Mann bloss mit Geld eine Frau gefügig mache.


So wie die Sklaverei, deren Abschaffung man sich einst auch kaum vorstellen konnte, verboten gehört, so sei der Prostitution der Garaus zu machen. Und zwar auf dem Weg der konsequenten Kundenbestrafung. Wohingegen das Anbieten sexueller Dienstleistungen, wenigstens durch Frauen, nicht strafbar gemacht werden dürfe. Vielmehr seien diesen unschuldig ausgebeuteten Opfern Ausstiegsprogramme zu ermöglichen. 90 Prozent der Prostituierten, so Schwarzer, wünschten ohnehin, von ihrem Gewerbe wegzukommen.

Als skeptische Antwort zu dieser These vermerkte Zürichs ehemaliger Männerbeauftragter Markus Theunert (40), bei vergleichbaren Umfragen, etwa im Hinblick auf Stress-Abbau, würden 90 Prozent der Männer, zumal solche mit «Scheiss-Jobs», auf Anfrage ebenfalls angeben, gerne weniger arbeiten zu wollen. In der Praxis könnten es sich aber nur die wenigsten leisten. Unbestritten sind  für Theunert Massnahmen gegen Menschenhandel und Zuhälterei. Unbestritten scheint, dass Globalisierung und Personenfreizügigkeit die Prostitution auf eine Art und Weise erleichtert und auch verbilligt haben, dass dieses einst versteckte Gewerbe – unter abderem mit Hilfe des Internets und der Werbung nicht nur in Boulevard-Zeitungen – sich dreister breit machen könne mit immer schlechteren Bedingungen für die Anbieterinnen. Dies bedeute wiederum Morgenluft für die Zuhälterszene. Besonders dann, wenn hinter dem «Anschaffen» etwa von Osteuropäerinnen eine davon profitierende Familie oder ein Clan im Heimatland zu vermuten sei. 

Wohl am meisten Beifall fand Alice Schwarzer mit der Bemerkung, dass die von der Stadt Zürich eingerichteten «Sexboxen», welche exklusiv für Autofahrer installiert wurden, schon rein äusserlich an Besamungsstationen für Kühe  erinnern würden. Mit Menschenwürde habe dies nichts zu tun. Der Vergleich mit den Besamungsstationen hinkt aber insofern, als es beim Rindvieh nicht um sexuelle Befriedigung geht, eher schon um Fortpflanzung. Schwarzers elementarstes Menschenrecht, die Abtreibung, wird - im analogen Tierrecht - bei Kühen fast nie praktiziert. 

Die Person ist nach Kant ethisch niemals nur «Mittel zum Zweck», sondern als Repräsentantin der Menschheit «reiner Zweck». Darum ist die Prostitution wenigstens im Prinzip Missbrauch der Person. Wie Sklavenarbeit, aber auch etwa wie Verwendung von Soldaten als «Kanonenfutter» oder jegliche Ausbeutung von Arbeitskräften.

Gemäss katholischer Lehre ist das Vorenthalten des «gerechten Lohnes» im Arbeitsprozess wie die perverse Sexualität, der gemeine Mord und die Unterdrückung der Armen eine der «vier himmelschreienden Sünden». Damit nähern wir uns der gesellschaftspolitischen Linie von Papst Franziskus.

Wer indes die katholische Theorie und Praxis historisch überblickt, weiss, dass die Verfolgung der sexuellen Sünden mit Rücksicht auf die menschliche Schwachheit wenigstens in den lateinisch-katholischen Ländern nie konsequent durchgeführt wurde. Homosexuelle Handlungen waren im Kirchenstaat, mit Ausnahme des Geschlechtsverkehrs mit dem Teufel, nie strafbar. Man ging davon aus, dass die Aburteilung im Jenseits noch früh genug erfolge. Dies hat sich von Renaissance und Barock bis in die Gegenwart bei Künstlern und nicht zuletzt bei Klerikern, der «Schwulenlobby» (Papst Franziskus), herumgesprochen. 

Desgleichen wurden im Kirchenstaat, aber auch in Portugal, Spanien, Italien und Südamerika Bordelle in der Regel geduldet. Für die Begründung musste ein praktischer Ratschlag des bedeutendsten katholischen Moraltheologen, Thomas von Aquin, herhalten. Fornicatio, die Hurerei, sei toleranda tamquam cloaca: das heisst zu dulden in der Art eines Abtrittes. Dies bedeutete, dass bei diesem Geschäft auf Diskretion zu achten sei. Primär war die Erregung öffentlichen Ärgernisses zu vermeiden. Immerhin galt die Praxis stets als schwere Sünde.

Im Vergleich zu anderen Sünden, auch dies betonte Thomas von Aquin, waren die Sünden gegen die Keuschheit, sofern nicht Ehebruch oder Zölibatsbruch vorlag, die vergleichsweise leichtesten unter den schweren Sünden. Die traditionelle Sexualmoral der katholischen Kirche ist - zumindest in der Praxis -  im Vergleich zum Protestantismus puritanischer Richtung als ein vergleichsweise mildes Regelwerk einzuschätzen. 

Aus diesem Grunde mutet es unkatholisch an, alles, was Sünde ist, gleich noch durch das staatliche Gesetz verbieten zu wollen. Ausgeschlossen wären Hurer und Ehebrecher jedoch, genauso wie Ausbeuter und Abzocker, vom Sakramentenempfang, zumal vom eucharistischen Gastmahl. Hätten sie danach ein Bedürfnis, müssten sie sich, wie Bruder Klaus, der bedeutendste eucharistische Heilige der Schweiz, auf die geistige Kommunion durch die fastende Betrachtung der Hostie beschränken. Es sei denn, sie würden beichten und Busse tun. 

Wer die heilige Hostie empfangen will, sollte nicht nur seit der letzten Beichte keine Hure besucht oder als solche gearbeitet haben, sondern auch keine ungerechtfertigten Gewinne einstreichen, nicht nur als Zuhälter oder als Wucherer. Die Aburteilung der Freier wie auch derjenigen, die ihre eigene Frau kaufen statt mit ihr im Sakrament verbunden zu sein, sollte man dem Gericht oder der Gnade Gottes überlassen. Andererseits droht sonst auch den Homosexuellen wieder Verfolgung. Bei diesen ist die Prostitution wie auch die Promiskuität, selbst wenn sie verheiratet sind, nicht gerade selten ein Bestandteil moralisch nicht verurteilter sexueller Entfaltung. Das Verbot der Prostitution wird auf Dauer zu einer Verfolgung und Kriminalisierung führen, welche auch die Errungenschaften eines angstfreien Lebens für Homosexuelle wieder in Frage stellen wird. Insgesamt aber hat man eigentlich am wenigsten Ärger im Leben, wenn es einem gelingt, nach den Empfehlungen der Zehn Gebote zu leben. Das bringt klar mehr Lebensqualität als das Verbot der Prostitution. 

Pirmin Meier, Rickenbach 


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Über Pirmin Meier:

Dr. phil. Pirmin Meier (1947), aufgewachsen in Würenlingen AG und wohnhaft in Aesch, langjähriger Gymnasiallehrer in Beromünster, war zunächst als Journalist und Herausgeber von Büchern (unter anderem bei Suhrkamp-Insel) tätig, später mehrere Jahrzehnte als Gymnasiallehrer (Beromünster) und Lehrerfortbildner. 

Seine Biographien über Paracelsus (6. Auflage im Jahr 2013), Bruder Klaus (3. Auflage in Vorbereitung) sowie Heinrich Federer und Micheli du Crest gelten als epochal und wurden unter anderem mit dem Innerschweizer und dem Aargauer Literaturpreis ausgezeichnet. Zu den Themen, die mit der Innerschweiz zu tun haben, gehören bei Pirmin Meier das Buch «Landschaft der Pilger», unter anderem mit der Beschreibung der Schattigen Fasnacht in Erstfeld und einer ersten Studie über den heiligen Gotthard. Ausserdem setzte er sich mit der Biographie von Pater Alberich Zwyssig – von ihm stammt der Text des «Schweizerpsalms», der Schweizer Nationalhymne – auseinander, eingegangen in das Buch über Wettingen «Eduard Spörri, ein alter Meister aus dem Aargau».  

Stark beachtet, mit rund drei Dutzend öffentlicher Lesungen seit dem Erscheinen, etwa in Altdorf und im Bahnhofbuffet Göschenen, wurde die mit grossem Aufwand betriebene Neufassung des berühmten Jugendbuches «Der Schmied von Göschenen», welche Neubearbeitung erstmals die Bedeutung der Walser für die ältere Schweizer Geschichte unterstreicht.  

Pirmin Meier gehörte auch zu den geistigen Promotoren des Films «Arme Seelen» von Edwin Beeler, zu welchem Thema er sich im Sommer 2012 in einer ganzstündigen Sendung «Sternstunde Religion» auf SRF ausgelassen hat. Er lebt in Rickenbach bei Beromünster, arbeitet derzeit an einem Grossprojekt über Schweizer Mystik und schrieb auch den Text für das Oratorium Vesper von Heiligkreuz mit Musik von Carl Rütti.

Am 7. September 2013 hielt Dr. Pirmin Meier auf der Rigi die Jubiläumsansprache zum Jubiläum 70 Jahre Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverein ISSV. Für sein Buch «St. Gotthard und der Schmied von Göschenen» machte er bedeutende, für die Geschichte der alten Wege einmalige Recherchen über die alten Wege vor 1231, auch zusammen mit dem Historiker Dr. Hans Stadler-Planzer.

In beratender Funktion ist Pirmin Meier tätig für das Filmprojekt «Paracelsus - Ein Landschaftsessay» des in Root (LU) wirkenden Filmunternehmers und Regisseurs Erich Langjahr, wie Pirmin Meier Innerschweizer Kulturpreisträger.

Mehr über Pirmin Meier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pirmin_Meier

Pirmin Meier erhält Innerschweizer Kulturpreis 2008:
https://kultur.lu.ch/-/media/Kultur/Dokumente/preise_auszeichnungen/meier2008.pdf