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Kolumne von Pirmin Meier

14.04.2013

In der Causa David Roth antwortet Pirmin Meier auf einen Kommentar von Peter Beutler

Der frühere SP-Grossrat Peter Beutler verteidigte auf lu-wahlen.ch seinen Parteikollegen David Roth, der mit einem Bier auf den Tod von Margareth Thatcher anstiess (siehe weiter unten auf dieser Seite unter «In Verbindung stehende Artikel»: «Wann endlich distanziert sich die SP von David Roth?»). Jetzt reagiert der Historiker Pirmin Meier - wie Peter Beutler früherer Gymnasiallehrer - auf dessen Kommentar.


Ich möchte den Kollegen Beutler, dessen Krimi ich mir leider noch nicht vornehmen konnte und für den auf dieser Seite lu-wahlen.ch immerhin geworben wurde, um drei Dinge bitten:

Erstens: In Zukunft über Inquisitoren und Hexenverbrenner sich lieber nicht oder nicht mehr kritisch äussern. «Höllenfahrt dieser Menschenverächterin» ist nämlich ein Ausdruck, der sich in nichts, auch gar nichts, von Hexenverbrennern und Ketzerrichtern früherer Zeiten unterscheidet: Ausdruck von reinem ungetrübtem Fanatismus und unbelehrbarem definitivem Feindbild. Ohne Wenn und Aber die Sprache eines Extremisten. Herr David Roth ist hier kollegial getoppt worden.

Zweitens: Für mich ist die Benützung von Blogs und auch die Beteiligung an Diskussionen zum Beispiel hier auf lu-wahlen.ch nie einfach Feindbildbekenntnis. Wenn ich etwa Oskar Freysinger kritisiere oder Hans Stutz, dann weiss ich, dass man sich auf «Hauptkriegsschauplätzen» des Diskussionsfeldes bewegt. Echt kritische Diskussionen könnten einem gegenseitig sogar Spass machen, wenn man sich von Feindbildfixierungen zumindest zu distanzieren weiss. Bei Kollege Beutler steht jedoch das Feindbildbekenntnis allzu häufig im Vordergrund im Vergleich zu einem Minimum an Analyse, einschliesslich der Möglichkeit, auch dem Gegner mal was Positives einzuräumen.

Drittens: Über Margaret Thatcher habe ich drei Biographien gelesen und unter anderem mit der Antifeministin Ester Vilar, argentinische Staatsbürgerin, heftigste persönliche Diskussionen über sie gehabt, weil sie über Thatcher zum Teil ähnlich schimpfte wie Beutler. Nach nüchterner Analyse glaube ich  feststellen zu dürfen: Thatcher war möglicherweise die zweitbrutalste politische Persönlichkeit Grossbritanniens in den letzten 75 Jahren. 

Die brutalste hiess Winston Churchill, und es war in dieser Zeit der Diktaturen und der Grausamkeiten möglich, dass einer wie er Premier wurde. Das Lieblingszitat Thatchers, in Sachen Churchill, war dessen Aussage: «Sozialismus ist die Philosophie des Versagens, das Credo der Ignoranz und das Glaubensbekenntnis des Neides.» 

Vor 40 Jahren habe ich dieses Zitat auch schon mal gebraucht. In der Zwischenzeit habe ich mich zum Beispiel mit Generalstreikführer Robert Grimm, dem Theologen Leonhard Ragaz und mit dem kommunistischen Kunsthistoriker Konrad Farner befasst und urteile, bei bleibender Kritik am Sozialismus, mittlerweile differenzierter. 

Was Thatcher betrifft, war die Abschaffung der Gratispausenmilch, in den Kriegsjahren noch angebracht, ein Beispiel für eine unpopuläre Massnahme, die dann mit den weiteren, sicher gröberen Massnahmen des Thatcherismus noch potenziert wurde. 1989 behauptete der Philosoph Karl Popper, den ich zur Zeit Thatchers persönlich kennenlernen durfte und der viel von der Dame hielt, es sei den Menschen in den letzten 1000 Jahren über alles gesehen noch nie so gut gegangen wie heute. 

Was Selbstmord betrifft, hat Carl Améry (er brachte sich später um) mit Nachdruck betont, dass man sich wegen Hitler nicht das Leben nehmen dürfe. Dasselbe gilt wohl auch in Sachen Thatcher. Es bleibt zuzugeben, dass selbst ein Bundeskanzler Gerhard Schröder noch eine gewisse Dosis Thatcherismus verinnerlicht hat. 

Im Zusammenhang mit dem Ableben einer an Alzheimer erkrankten Frau, die sicher mehr Durchsetzungsfähigkeit hatte als irgendein Schweizer Bundesrat der bisherigen Geschichte, von der «Höllenfahrt einer Menschenverächterin» zu sprechen, disqualifiziert den Formulierer. Da würde er lieber wieder mal einen Krimi schreiben. Die Grundregel dort lautet: Du musst Dich in den Bösen einfühlen oder wenigstens hineindenken können, sonst bist Du ein schlechter Autor!

Zum Thema Pinochet, dem brutalen Diktator, der immerhin den Weg freigemacht hat für Neuwahlen: Für Thatcher war nun mal Argentinien (mit der noch brutaleren Diktatur) der Feind, und weil sie wie Churchill etwas von Politik verstand, kooperierte sie mit den Nachbarn des Feindes. Und zum unblutigen Rückzug des Dikators P. hatten diejenigen, auch westliche Politiker, die diesen Rückzug wollten, sich für eine fragwürdige Straffreiheit im Sinne eines «Schlussstrichs» verwendet. In Sachen Verbindung mit wirtschaftlichem Erfolg und brutaler Unterdrückung der Opposition ist Chile mit dem heutigen China zu vergleichen. 

Deng Hsiao Ping warf dem gestürzten Präsidenten Allende bekanntlich eine linksextremistische Innenpolitik und eine prosowjetische Aussenpolitik vor, scheint also für Pinochet ähnlich wie Thatcher ein gewisses Verständnis aufgebracht zu haben.

Mit kollegialem Gruss: Pirmin Meier, alt Gymnasiallehrer und Schriftsteller, Rickenbach                         


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Pirmin Meier aus Rickenbach

Mittwoch, 01.05.2013, 13:54 · Mail

Alois Amrein regt an, mich mit der Vergangenheit der Kantonsschule Beromünster zu befassen. Er schlägt damit offene Türen zu Kleinholz. Mir kommt es nämlich zu, für das Gedenkjahr 150 Jahre Kantonale Mittelschule Münster (2015/16) eine Schulgeschichte zu verfassen. Darin wird man nachlesen können, dass es ohne, zum Beispiel, Rektor Curschellas, dessen Geduld mit schwachen und schwierigen Schülern kritisiert wurde, und ohne Bildungsdirektor Walter Gut diese ländliche Traditionsschule mutmasslich nicht mehr gäbe. Dabei nehme ich traumatische Erinnerungen einzelner Schüler ernst. Ich fordere Herrn Amrein also auf, mir seine Geschichte dokumentiert zur Verfügung zu stellen.

Dabei war Herr Amrein, seinerzeit wohnhaft auf der Wilhelmshöhe in Beromünster, nie mein Schüler und seine entsprechenden Aktivitäten müssen vor bald 40 Jahren erfolgt sein. Die Drohung mit «Vergasen» wegen des Sammelns von Unterschriften vor einem Abstimmungslokal wurde jedoch garantiert nicht durch Rektor Curschellas und Bildungsdirektor Gut ausgesprochen.

Wer hat nicht schon beim Sammeln von Unterschriften, zumal für unpopuläre Anliegen, gemeine Beschimpfungen anhören müssen? Das mit dem «Vergasen» steht etwa auf dem Niveau des Bedauerns, dass der Zuger Amokläufer Friedrich Leibacher den Politiker L. nicht niedergestreckt habe, was vorige Woche mit Recht flächendeckend als unakzeptabel zurückgewiesen wurde.

Und mit politischem Mut hat es ebenfalls nichts zu tun, wenn ein Vizepräsident einer Bundesratspartei auf den Tod einer alzheimerkranken Altpolitikerin anstösst. Was dazu zu sagen ist, hat Ethiklehrer und alt Nationalrat Hans Widmer lu-wahlen.ch besser ausgedrückt, als es mir auf diesem Blog gelungen ist.

Politische Erziehung funktioniert im geschützten Rahmen einer Schule reibungsloser als im rauen und groben Wind ländlicher Stammtische (so es sie heute noch gibt). Darum fiel es mir leichter, einen Schüler, der aus Überzeugung den Dienst verweigern wollte, für seine Verteidigung zu beraten als zum Beispiel nach der mehrfachen Nichteinbürgerung zweier Bosnierinnen (1999) im Flecken Beromünster ein Podiumsgespräch der Luzerner Jungparteien zustande zu bringen. Es fand unter meiner Leitung im inzwischen leider geschlossenen Gasthof Ochsen statt. Auch darüber hat der «Tagesanzeiger» berichtet, während die «AZ» damals bereits eingegangen war.

Pirmin Meier, Rickenbach

 

Alois Amrein aus Rottenschwil

Dienstag, 16.04.2013, 23:10 · Mail

Herr Pirmin Meier wirkt an einem Ort, der mir lebenslang in Erinnerung bleibt. Zum einen bin ich in Beromünster aufgewachsen, konnte dort die Lateinschule (so hiess damals das Gymnasium) besuchen, obwohl aus armen Verhältnissen stammend.

Da ich als Gründer des Autonomen Forums Beromünster unkonventionelle Ideen vertrat und verbreitete, die unter Mitschülern auf Resonanz stiessen, wurde ich bald Opfer einer Hetzenjagd, unter aktiver Mitwirkung des damaligen Rektors Curschellas, unter aktiver Mitwirkung von Herrn Dr. Gut vom Erziehungsdepartement Luzern. Ich erhielt die Androhung der Wegweisung von der Schule, des sog. Consilium abeundi. Weiter wurde ich beim Sammeln von Unterschriften vor dem Abstimmungslokal tätlich angegriffen und mit «Vergasung» bedroht. Der «Tagesanzeiger» und die Luzerner «AZ» berichteten darüber. Herr Meier sollte sich mal mit der Vergangenheit seiner langjährigen Wirkungsstätte auseinandersetzen.

Heute stelle ich fest, dass Gleiches mit Herrn Roth geschieht, völlig daneben, es weht der gleiche intolerante Geist wie vor 50 Jahren und Herr Meier scheint dies zu unterstützen.

Alois Amrein, Rottenschwil

 

peter beutler aus beatenberg/ leissigen

Sonntag, 14.04.2013, 17:25 · Mail  Website

Ich möchte mich nicht um eine Replik drücken. Ratschläge überdenke ich immer, wenn sie von Menschen kommen, die ich als intelligent einschätze. Befolgen tue ich sie von Fall zu Fall. Na, ja, das mit der «Höllenfahrt» war wohl etwas überspitzt formuliert. An Hexenverbrennung habe ich dabei nicht gedacht, an die Hölle vielleicht schon. Aber irgendwie schwant mir, dass es sie gar nicht gibt. Gäbe es sie, könnte ich auf Maggi keinen Rappen wetten, dass sie ihr entrinnen würde.

Klar doch: Ich würde auch nicht auf den Tod von jemandem anstossen. Doch nachvollziehen kann ich das schon. Zum Beispiel die Freudentänze nach der Hinrichtung Saddam Husseins oder nach der Ermordung Muammar Gaddafis. Nur eben: Dem Abgang dieser beiden Despoten wurden hierzulande applaudiert - von der Polit- und Wirtschaftsprominenz, in zahllosen Blogeinträgen und Leserbriefen. Ich habe keinen Beitrag von Pirmin Meier gelesen, der das als pietätlos bezeichnet hätte. Ich lasse mich aber gerne belehren, vielleicht habe ich einfach zu wenig seriös recherchiert.

«Du musst dich in den Bösen einfühlen können, sonst bist du ein schlechter Autor», rät mir Kollege Primin Meier. Hand aufs Herz: Dann bin ich halt ein schlechter Autor. Das kann ich wohl nicht und will es auch nicht. Nicht, wenn es um Thatcher geht – da sehe ich vor meinem geistigen Auge Hungerbäuche und die Milliarde Menschen unter der Armutsgrenze.

Auch kann ich das nicht, wenn es um Pinochet geht – da denke ich an grässliche Bilder von Folteropfern und standrechtlichen Erschiessungen, all das verbrochen, um jene Ideologie – es war diejenige Thatchers - mit Gewalt zu etablieren. Jene Ideologie, die noch ungleich mehr Opfer forderte als der Kommunismus sowjetischer Prägung, an dem ich keinen guten Faden lasse.

Nun zu Karl Popper, den Philosophen, den Sie, Kollege Primin Meier, das Vergnügen hatten, persönlich kennen zu lernen. Ich hatte es nicht. Und ich bin ganz froh, dass ich es nicht hatte. Na, ja, dass Popper viel von Margrit Thatcher hielt, darüber wundere ich mich gar nicht. Das hätte Kollege Meier auch nicht zu schreiben brauchen.

Poppers Aussage, es sei den Menschen noch nie besser gegangen als heute – heute darf man auch auf 1989 zurück extrapolieren – ist unheimlich zynisch. Ich werde rot vor Zorn, wenn ich mir diesen Satz zu Gemüte führe.

Kollege Dr. Pirmin Meier, darf ich Ihnen auch einen Ratschlag geben? Lesen Sie die Bücher von Jean Ziegler! Bitte! Sollten Sie das tatsächlich getan haben, dann müsste ich zum Schluss kommen: Wir leben mental auf einem anderen Stern, sonst hätten Sie Ihre Kolumne nicht so geschrieben. Wer auf einem andern Stern lebt, den darf man bedenkenlos als Extremisten bezeichnen. Das weiss ich wohl einzuordnen und mache Ihnen deswegen keinen Vorwurf.

Mit kollegialem Gruss, Peter Beutler, alt Gymnasiallehrer, Luzerner alt Grossrat (SP), Schriftsteller, nun in Beatenberg, Berner Oberland

 
 
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Über Pirmin Meier:

Dr. phil. Pirmin Meier (1947), aufgewachsen in Würenlingen AG und wohnhaft in Aesch, langjähriger Gymnasiallehrer in Beromünster, war zunächst als Journalist und Herausgeber von Büchern (unter anderem bei Suhrkamp-Insel) tätig, später mehrere Jahrzehnte als Gymnasiallehrer (Beromünster) und Lehrerfortbildner. 

Seine Biographien über Paracelsus (6. Auflage im Jahr 2013), Bruder Klaus (3. Auflage in Vorbereitung) sowie Heinrich Federer und Micheli du Crest gelten als epochal und wurden unter anderem mit dem Innerschweizer und dem Aargauer Literaturpreis ausgezeichnet. Zu den Themen, die mit der Innerschweiz zu tun haben, gehören bei Pirmin Meier das Buch «Landschaft der Pilger», unter anderem mit der Beschreibung der Schattigen Fasnacht in Erstfeld und einer ersten Studie über den heiligen Gotthard. Ausserdem setzte er sich mit der Biographie von Pater Alberich Zwyssig – von ihm stammt der Text des «Schweizerpsalms», der Schweizer Nationalhymne – auseinander, eingegangen in das Buch über Wettingen «Eduard Spörri, ein alter Meister aus dem Aargau».  

Stark beachtet, mit rund drei Dutzend öffentlicher Lesungen seit dem Erscheinen, etwa in Altdorf und im Bahnhofbuffet Göschenen, wurde die mit grossem Aufwand betriebene Neufassung des berühmten Jugendbuches «Der Schmied von Göschenen», welche Neubearbeitung erstmals die Bedeutung der Walser für die ältere Schweizer Geschichte unterstreicht.  

Pirmin Meier gehörte auch zu den geistigen Promotoren des Films «Arme Seelen» von Edwin Beeler, zu welchem Thema er sich im Sommer 2012 in einer ganzstündigen Sendung «Sternstunde Religion» auf SRF ausgelassen hat. Er lebt in Rickenbach bei Beromünster, arbeitet derzeit an einem Grossprojekt über Schweizer Mystik und schrieb auch den Text für das Oratorium Vesper von Heiligkreuz mit Musik von Carl Rütti.

Am 7. September 2013 hielt Dr. Pirmin Meier auf der Rigi die Jubiläumsansprache zum Jubiläum 70 Jahre Innerschweizer Schriftstellerinnen- und Schriftstellerverein ISSV. Für sein Buch «St. Gotthard und der Schmied von Göschenen» machte er bedeutende, für die Geschichte der alten Wege einmalige Recherchen über die alten Wege vor 1231, auch zusammen mit dem Historiker Dr. Hans Stadler-Planzer.

In beratender Funktion ist Pirmin Meier tätig für das Filmprojekt «Paracelsus - Ein Landschaftsessay» des in Root (LU) wirkenden Filmunternehmers und Regisseurs Erich Langjahr, wie Pirmin Meier Innerschweizer Kulturpreisträger.

Mehr über Pirmin Meier:
http://de.wikipedia.org/wiki/Pirmin_Meier

Pirmin Meier erhält Innerschweizer Kulturpreis 2008:
https://kultur.lu.ch/-/media/Kultur/Dokumente/preise_auszeichnungen/meier2008.pdf