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Kolumne von Pablo Haller

27.02.2012

«Haftbefehl»: Erlaubt sein muss auch, was nicht gefällt

Die CVP-Fraktion im Krienser Einwohnerrat will ein Konzert des deutschen Rappers Haftbefehl verbieten. Das ist nicht nur chancenlos und kleinlich, sondern auch ein grundsätzlicher Angriff auf die Meinungsfreiheit und Artikel 21 der Bundesverfassung («Die Freiheit der Kunst ist gewährleistet»).


Am 23. Februar – aufgrund des Datums können eine postfasnächtliche Verirrung ob zu heftiger Festerei oder ein kognitiver Ausfall wegen zu plötzlicher Fasterei nicht ausgeschlossen werden – schickte die CVP-Fraktion einen offenen Brief an den Krienser Gemeinderat in dem steht, dass sie «In der heutigen Ausgabe der Luzerner Zeitung» erfahren musste, «dass der bekannte Gewalt-Rapper Haftbefehl in Kriens am 17. März 2012 ein Konzert plant.»

Dieses gelte es mit allen Mitteln zu verhindern, da die Songtexte Gewalt verherrlichen und vor Brutalität strotzen würden. Es dürfe nicht sein, dass in Kriens ein Rapper auftreten könne, «der junge Menschen zu Gewalt und Drogenkonsum anstachelt.»

Ja Herrgottsacknochmal, meine Damen und Herren! In welcher Welt leben Sie denn eigentlich? Nehmen Sie Ihre rosa Brille ab, gehen Sie mit offenen Augen nur schon durch Kriens. Schalten sie den Fernseher ein und zwar nicht nachts, sondern zur Hauptsendezeit. Was sehen Sie da so alles? «Sandmännchen» und «Puuhbär»? Es wäre eher Aufgabe der Politiker die Verhältnisse zu verbessern, statt Konzerte zu verhindern.

Es gehe um Jugendschutz, appellieren die Christdemokraten. Bei einem Konzert, das erst ab 18 Jahren besucht werden darf. Gibt es denn auch einen Jugendschutz für Volljährige?

Weiter lamentiert man, dass es zu wenige politische und rechtliche Möglichkeiten gibt, solche Auftritte zu verbieten. Zum Glück auch, denn bitte sehr: Wir leben in einem freien Land. Ich kann auch nicht die «Schlagernacht» verbieten, wegen volksverdummenden Texten. Ich kann auch nicht die CVP verbieten, weil sie Parolen rausgibt, die mir widerstreben. Oder soll ich derselben Partei, die mich in früheren Jahren gerne mit «Moskau einfach» abgespiesen hätte, nun dasselbe für Nordkorea raten? Dort gibt es keine Rüpelrapper. Dort herrschen Ordnung und Disziplin.

Oder wie wärs für die religiös gefärbte CVP mit einem Gottesstaat? Beim Chef im Vatikan? Dort gilt noch immer Schutzalter zwölf:

www.welt.de/politik/deutschland/article7319676/Vatikan-erlaubt-Sex-mit-Kindern-ab-zwoelf-Jahren.html 

Frischfröhliche Pädophilie statt Gewalt! Oder Iran? Scharia statt Maria! Da gibt es keine «böse» westliche Musik und für Drogenkonsum und -handel gar die Todesstrafe.

Der Zürcher Rappionier E.K.R. verarbeitete diese – heute längst überwunden geglaubte – Problematik 2007 in seinem Song «Rap isch schuld»:

www.youtube.com/watch?v=II-OTWyIabw

«Ehr überschätzed was en MC cha mit sine Wort tue / Meinsch ech rapp ‹mer sötted schiebe› & s bricht en Orgie us?». Mehr gibt es dazu nicht zu sagen.

Übrigens: «Haftbefehls» jüngstes Werk «Kanackis» wurde in der März/April-Ausgabe 2012 der als eher intellektuell geltenden Musik- und Popkulturzeitschrift «Spex» anerkennend besprochen. Rezensent Marcus Staiger attestiert ihm da ein grosses Talent, «schlagwortartige Bilder (zu) entwerfen, die im Kopf einen Kurzfilm zum laufen bringen». «Haftbefehl» schaffe es auf einem an The Notorious B.I.G. (Raplegende) erinnernden Album, Stassengeschichten und Rapwelt zu vermischen. So schlimm kanns also nicht sein. Interessant ist jedoch, dass eine breite Jugend durch hysterische – dank auch dir, «Neue LZ» – und hochgeschaukelte Debatten wie diese, erst auf solche Künstler aufmerksam wird.

Pablo Haller, Luzern


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Über Pablo Haller:

Pablo Haller (*1989) ist Redaktor bei «041 - Das Kulturmagazin», kulturteil.ch sowie freier Journalist. Er betreibt die Literaturwebsites pulppoetry.wordpress.com und gasolinconnection.wordpress.com und tritt immer mal wieder als Beiträger für verschiedene Literaturzeitschriften (u.a. «das heft das seinen langen namen ändern wollte», «Drecksack», «das Narr») oder als Poetry-Performer in Erscheinung.

http://pulppoetry.wordpress.com/

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