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Kolumne von Olivier Dolder

08.01.2013

Stimmfaule Luzernerinnen und Luzerner: Ein Rückblick auf die kommunalen Wahlen und Abstimmungen 2012 (2)

An fünf Sonntagen konnte sich die Bevölkerung der Stadt Luzern letztes Jahr zu sieben kommunalen Vorlagen äussern. Zudem wählten die Luzernerinnen und Luzern ihre Regierung und ihr Parlament. Obwohl zweimal über das Budget abgestimmt wurde (Voranschlag 2012 und 2013), einmal davon sogar über eine Steuererhöhung, und obwohl Regierung und Parlament gewählt wurden, war die Stimmbeteiligung (*) tief. Durchschnittlich bemühten sich weniger als 39 Prozent der Stimmberechtigten an den fünf kommunalen Abstimmungsterminen (**) an die Urne.


Die tiefste Stimmbeteiligung wies mit 33,1 Prozent die Südzubringer-Abstimmung (23. November) auf. Die zweittiefste Stimmbeteiligung (33,6 Prozent) – und das ist doch ziemlich überraschend – hatte die Abstimmung über die Steuererhöhung (15. Dezember) zu verzeichnen. Und auch am Wahlsonntag (6. Mai), an dem zusätzlich über das Budget-Referendum der SVP abgestimmt wurde, bemühten sich nur wenige Personen an die Urne: Die Stimmbeteiligung lag bei 36,1 Prozent. Die durchschnittliche Stimmbeteiligung der drei Wahlen (Stadtparlament, Stadtregierung, Stadtpräsident) betrug 36,3 Prozent, die Stimmbeteiligung beim Budgetreferendum betrug 35,6 Prozent.

Am meisten Stadtluzernerinnen und Stadtluzerner gingen letztes Jahr am 17. Juni an die Urne. An diesem Sonntag fanden sowohl die zweiten Wahlgänge für das Stadtpräsidium und den fünften Stadtratssitz statt als auch Abstimmungen zu drei Sachvorlagen (Zahlbarer Wohnraum, Ombudsstelle, Familienergänzende Kinderbetreuung). Die durchschnittliche Stimmbeteiligung betrug 42,8 Prozent. Dabei wiesen die drei Abstimmungen mit 44,4 Prozent eine etwas höhere Stimmbeteiligung als die beiden Wahlen mit 40,3 Prozent auf.

Ein Blick zurück

Die Stimmbeteiligung von 33,1 Prozent bei der Südzubringer-Initiative war zwar sehr tief, in der Vergangenheit gab es aber auch schon tiefere Werte. Am 13. Juni 2010 lag die Stimmbeteiligung beispielsweise lediglich bei 25,0 Prozent. 1980 und 1991 gingen bei einer Abstimmung sogar nur 12,4 beziehungsweise 12,2 Prozent der Stimmberechtigten an die Urne. Die höchste Stimmbeteiligung in der Stadt Luzern seit 1980 wurde übrigens am 6. Dezember 1992 verzeichnet. An diesem Tag gingen 74,3 Prozent der Stimmberechtigten zur Urne. Es wurde über den Beitritt zum EWR abgestimmt; auch national resultierte damals eine rekordhohe Stimmbeteiligung. 

Auch bei kommunalen Regierungs- und Parlamentswahlen hatte die Stadt Luzern schon schwächere Werte zu verzeichnen als im letzten Jahr. Bei den ersten gemeinsamen Wahlen von Luzern und Littau im Jahr 2009 betrug die Stimmbeteiligung lediglich 30,5 Prozent. 

Aber obwohl in den vergangenen Jahren schon tiefere Stimmbeteiligungswerte verzeichnet wurden, war die durchschnittliche Stimmbeteiligung im Jahre 2012 im Vergleich zu den Vorjahren tief. So betrug die durchschnittliche Stimmbeteiligung in der Stadt Luzern (bei sämtlichen Wahlen und Abstimmungen auf kommunaler, kantonaler und eidgenössischer Ebene***) seit 1997 immer mindestens 40 Prozent (vgl. dazu nebenstehende Grafik****).  Die durchschnittliche Stimmbeteiligung der Jahre 2001–2010 liegt gar bei 47,9 Prozent. Betrachtet man nur die kommunalen Wahlen, stellt man selbiges fest. Bei den Wahlen in den Jahren 1996, 2000 und 2004 gingen jeweils über 40 Prozent der Wahlberechtigten an die Urne (1996: 49 Prozent, 2000: 42 Prozent, 2004: 43 Prozent).

Mögliche Gründe für die tiefe Stimmbeteiligung

Für die tiefe Stimmbeteiligung im letzten Jahr in Luzern dürften verschiedene Gründe verantwortlich sein. Einerseits darf wohl von einem nationalen Trend gesprochen werden. Die gesamtschweizerische Stimmbeteiligung ist ebenfalls gesunken (vgl. dazu nebenstehende Grafik). Andererseits dürften Anzahl und Art der Vorlage einen Einfluss auf die Stimmbeteiligung gehabt haben.

Es gab im letzten Jahr zwei rein kommunale Abstimmungstermine (6. Mai: Wahlen und Budget 2012; 16. Dezember Budget 2013) sowie einen Termin, an dem neben der kommunalen nur eine kantonale und eine eidgenössische Vorlage zur Abstimmung stand (25. November: Südzubringer). Und sowohl die eidgenössische Vorlage (Tierseuchengesetz) als auch die kantonale Vorlage (Fusionsbeiträge) waren wenig umstritten und nur von einem kleinen Abstimmungskampf begleitet. Folglich gab es an drei der fünf Abstimmungssonntage keine nationalen Vorlagen, welche die Stadtluzerner Bevölkerung im grossen Umfang hätten mobilisieren können. Zur Illustration: Zwischen 1980 und 2010 gab es in Luzern zehn Urnengänge bei denen die Stimmbeteiligung unter 30 Prozent lagen. Bei neun dieser Urnengänge wurden dem Volk nur städtische und/oder kantonale Vorlagen unterbreitet.

Weiter war die Anzahl der Vorlagen an den drei oben genannten Terminen nicht sehr hoch. Es gab also nur eine begrenzte Anzahl an Vorlagen pro Abstimmungssonntag, die eine Bürgerin oder einen Bürger hätte an die Urne locken können. So gilt es anzunehmen, dass die kommunalen Abstimmungen und Wahlen die Luzernerinnen und Luzerner zu wenig bewegten, beziehungsweise ihnen deren Ausgänge zu wenig wichtig waren. Man könnte dies einerseits als Ausdruck der Zufriedenheit interpretieren, andererseits aber auch als Resignation gegenüber der Politik oder als fehlendes Bewusstsein gegenüber der Relevanz von Wahlen und Abstimmungen.

Welches auch immer die Gründe sind: Es ist zu hoffen, dass die Stimmbeteiligung wieder steigt. Denn Demokratie braucht Partizipation. 

Olivier Dolder, Luzern 

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*:        Aus Gründen der einfacheren Lesbarkeit wird auf die Differenzierung von Stimm- und Wahlbeteiligung verzichtet und sowohl bei Wahlen als auch bei Abstimmungen die Bezeichnung Stimmbeteiligung verwendet. 

**:      Im letzten Jahr gab es in der Stadt Luzern sechs Abstimmungstermine. Allerdings befand das Stadtluzerner Stimmvolk am 11. März 2012 nur über eidgenössische und kantonale Vorlagen (bei einer Stimmbeteiligung von rund 43 Prozent.). Folglich wird dieser Abstimmungstermin nicht berücksichtigt. 

***:   Daten zur Stimmbeteiligung, die sich ausschliesslich auf  kommunale Abstimmungen und Wahlen beziehen, sind auf der Internetseite der Stadt Luzern nicht publiziert und werden daher nicht verwendet.

****: Die durchschnittliche Stimmbeteiligung für das Jahr 2011 war zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Artikels nicht auf der Internetseite der Stadt Luzern publiziert. Die Aussagen beziehen sich somit nicht auf das Jahr 2011. 

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Littauerinnen und Littauer noch stimmfauler als Luzernerinnen und Luzerner

Die vier Littauer Wahl- und Stimmkreise weisen in der Regel eine deutlich tiefere Stimmbeteiligung auf als die Luzerner. Beim Urnengang vom 23. September 2012 war die Stimmbeteiligung in Luzern beispielsweise um 13,5 Prozentpunkte höher als  in der ehemaligen Gemeinde Littau. Und beim Urnengang vom 25. November 2012 betrug die Differenz 8 Prozentpunkte. Die Anzahl der Stimmberechtigten in der ehemaligen Gemeinde Littau ist  jedoch deutlich kleiner als in der alten Stadt Luzern. Insgesamt senkt Littau folglich die Stimmbeteiligung der Stadt Luzern nur um rund 1 bis 2 Prozentpunkte. 

Siehe auch unter «In Verbindung stehende Artikel».

(od) 


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Über Olivier Dolder:

Olivier Dolder (1985) aus Luzern ist promovierter Politikwissenschafter.

Bis zu den eidgenössischen Wahlen 2019 analysierte er für verschiedene Medien das regionale und nationale Politikgeschehen. Er war mehrere Jahre als Projektleiter bei Interface Politikstudien in Luzern tätig.

Seit September 2019 arbeitet Dr. Olivier Dolder als Projektleiter Neue Regionalpolitik (NRP) beim Amt für Wirtschaft des Kantons Schwyz.

www.olivierdolder.ch