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Kolumne von Hans Beat Achermann

21.03.2014

Die Festrede von Mitbegründer Hans Beat Achermann zum 30. Literaturfest

Soeben hielt in der «Kornschütte» Hans Beat Achermann die Festrede zum viertägigen 30. Luzerner Literaturfest, das heute Freitag (21. März) seinen zweiten Tag erlebt. Das ist seine Rede.


Hans Beat Achermann ist einer der Mitbe-gründer des Luzerner Literaturfestes. Zu dessen 30. Ausgabe hielt er in der «Korn-schütte» die Festrede.

Bilder: Herbert Fischer

Die «Kornschütte» im Luzerner Rathaus ist während des Literaturfestes der angesagte Treffpunkt von AutorInnen, VerlegerInnen, BuchhändlerInnen und LiteraturfreundInnen.

Zum Beispiel für die Hirschmattbuchhand-lung, hier vertreten durch Andy Wolfisberg (links); deren Website: hirschmatt.ch.

Meisterfotograf Emanuel Ammon (links) gibt seit mehreren Jahren Fotobände auf höch-stem Niveau heraus. Die Website: aura.ch.

Autorin Blanca Imboden und der Kultur-schaffende und -vermittler Niklaus Lenherr.

Der Verleger und Autor Heini Gut.

Der Künstler und Imker Koni Abegg (links) und Schriftsteller Dominik Brun.

Der Schriftsteller Heinz Stalder (Mitte) im Gespräch mit Severin Perrig, der das Litera-turfest mitorganisiert und als Moderator wirkt.

Matthias Burki, der den Verlag Der gesunde Menschenversand aufgebaut hat. Seine Website: menschenversand.ch.

Autor und Verleger Pablo Haller. Seine Website: hallerconnection.wordpress.com

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Literaturfestschwestern und -festbrüder

Michail Gorbatschow war gerade zum Generalsekretär der Kommunistischen Partei der Sowjetunion gewählt worden, der FC Bayern führte die Tabelle der deutschen Fussballmeisterschaft an und wird dann auch Meister – der FC Bayern wird auch dieses Jahr deutscher Fussballmeister und vielleicht noch Champions League-Sieger. Thomas Bernhard hatte sein Stück Alte Meister zur Uraufführung gebracht und Bernard Hinault gewann den Giro und die Tour de France, Madonna startete zu Ihrer ersten Welttournee und Claude Simon wird im Herbst 85 den Literaturnobelpreis erhalten.

Die Sowjetunion ist sechs Jahre später zerbröselt. Das Internet existierte weder als Wort noch als Netz. Im «Eden» in Luzern findet im März 1985 das erste Luzerner Literaturfest statt. Soweit zur historischen Einordnung.

Ein paar Monate zuvor, im Herbst 84, sassen ein paar junge oder doch  jüngere – auf jeden Fall alle dreissig Jahre jüngere – Literaturbegeisterte an einem langen Holztisch im Restaurant Schiff in Luzern. Die alte Frau Helmlin im hellblauen Deuxpièce hatte eben ihr letztes Einerli Weissen ausgetrunken und sich stilvoll und geräuschlos auf das Oberdeck des «Schiffs» begeben. Die jungen oder jüngeren Leute am Nebentisch hatten alle schon ein bisschen Erfahrung mit Büchern, Autoren, Lesungen und zum Teil auch mit eigenen Texten. Sie waren Journalisten, Buchhändlerinnen, Studierende und Kleinverleger. Und sie hatten alle das Bedürfnis, Literatur nicht nur unter der Bettdecke oder im Zug zu lesen, sondern als Erlebnis zu feiern und zu vermitteln. Es gab zwar schon die Solothurner Literaturtage, die bereits 1979 zum ersten Mal stattfanden, gleich mit 26 Autorinnen und Autoren und Workshops und Diskussionen und einem Verein und einer Kommission.

Als wir uns am Tisch im «Schiff» überlegten, Literatur nicht nur am Jurasüdfuss stattfinden zu lassen, war uns nur eines klar: Wir wollten es lustvoller machen. So lautete ein Vorschlag für ein Motto, das dann gottseidank wieder verworfen wurde: Literallalla. Es gab kein Konzept und keinen Businessplan, keine Statuten, keine Protokolle und keine Sitzungsgelder. Es gab keinen Präsidenten und keine Vorsitzende. Es gab aber viel Begeisterung, Macherlust und vielleicht auch etwas Naivität und ein bisschen Alkohol.

Und es gab das Hotel Eden als Literaturparadies an der Haldenstrasse, rührig geführt von den Fiorettis. Sie teilten die Begeisterung. Eden, welch schöner Name, welch schöner Ort, um darin Literatur zu vermitteln.  Was es auch schon gab, waren Bettelbriefe um Subventionen.  

Am Tag vor dem ersten Luzerner Literaturfest hatte Eckhard Henscheid, einer der prominenten  deutschen Autoren, die am ersten Luzerner Literaturfest auftraten, in der damals noch existierenden «LNN» einen Aufruf publiziert, in welchem er eine bestimmte Postkarte mit einer abgebildeten Bernhardiner Familie suchte, die ihm und seiner Frau in der Kartensammlung noch fehlte, und er versprach, falls ihm jemand die knallbunte Karte noch vor der Lesung überbringe, er werde lesen wie ein Engel. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob die Karte ins «Eden» fand, weiss aber noch, dass es himmlische Lesungen gab und es auch sehr irdisch zuging im «Eden». Spätabends – und das zum Irdischen – rief die Stadtpolizei ins «Eden» an und verlangte mich. Offenbar hatte ein Literaturfestgast reichlich getrunken und sich ab und zu mehr als nur geräuspert, so dass der Wirt die uniformierten Freunde und Helfer rief und diese den angetrunkenen Freund des Wortes in Gewahrsam nahmen. 

Dieser wollte aber unbedingt wieder zurück ins «Eden» und  ja nicht das Festende verpassen. Ich musste garantieren, dafür zu sorgen, dass der Literaturfreund sich nicht mehr störend aufführe. Ich gab mein Ehrenwort. Ein paar Minuten später übergaben zwei Uniformierte mir den Mann, ich beruhigte ihn mit einer letzten Stange Eichhof hell. Anderntags – kaum hatte ich meinen eigenen Literaturfestkater ausgeschlafen – fand ich eine Flasche Veuve Cliqout vor meiner Wohnungstür. 

In Erinnerung bleibt auch Meienberg, der die Rechnung für die ausgedehnte Zecherei, die auch seine Entourage einschloss, grosszügig den Organisatoren hinterliess.

In Erinnerung bleibt auch, und es ist durch eine Rechnung belegt, dass die ersten Organisatorinnen und Organisatoren, Helferinnen und Helfer den Erfolg des ersten Literaturfestes bereits drei Wochen danach im Restaurant Galliker mit einem Nachtessen feierten:  die Stange kostete einen Franken siebzig, der halbe Liter Fürstbischof kostete 19 Franken, der Halbe Emilio, was immer das gewesen sein mochte, wurde mit 28 Franken die Flasche verrechnet. Zwei vom OK haben auf den Salat verzichtet. Alles in allem war uns der Erfolg 618 Franken und 40 Rappen  wert. 

30 Jahre später: Das «Eden» gibt es nicht mehr, das «Schiff» ist geschlossen, die Serviertochter im «Galliker» ist immer noch dieselbe, das Hallenbad ist jetzt nicht mehr mit Wasser gefüllt, sondern mit Kultur, Bücher gibt es nicht mehr nur auf Papier, ich kann meine Bibliothek in der Hosen-  oder Handtasche mitführen. Die Literaturbegeisterung ist bei neuen Festmacherinnen und Festmachern festgemacht und geblieben.  Was im «Eden» begann, ist aus dem Luzerner Kulturleben nicht mehr wegzudenken.

Damals junge Autorinnen und Autoren sind inzwischen zu Literaturgrössen geworden: Urs Widmer zum Beispiel, der, sie wissen es, dieses Jahr leider absagen musste. Er hatte 1985 am ersten Literaturfest zum allerersten Mal überhaupt in Luzern gelesen. Ihm möchte ich das Schlusswort erteilen, denn es hat damit zu tun, weshalb vor 30 Jahren ein paar junge oder jüngere Leute zusammensassen und ein, nein das Literaturfest gründeten. 

1977 schrieb Urs Widmer: «Ich bin zuweilen damit beschäftigt, mir in meinem Kopf drin etwas Schönes vorzustellen, Bäume oder Ozeane oder Luft oder Liebe, weil es da, wo ich wohne, irgendwie nicht immer schön genug ist, zu wenig Bäume und Ozeane und Luft und Liebe.»

Ich danke Ihnen, dass Sie mir zugehört haben.

Hans Beat Achermann, Luzern 


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Über Hans Beat Achermann:

Hans Beat Achermann (* 1947) ist Berufs- und Laufbahnberater. Er arbeitete von 1993 bis zu seiner Pensionierung (2011) im BIZ ZUG Amt für Berufsberatung. Vorher war er unter anderem Redaktor bei der damaligen «LNN» und beim «Regionaljournal Zentralschweiz».

In den Siebziger und Achtziger Jahren war er als Cafétier, Lehrer, Journalist, Kleinverleger und Korrektor tätig. Er interessiert sich vor allem für (Berufs)Bildungsfragen, aber auch für Kultur(politik). Hans Beat Achermann wohnt seit seiner Geburt in Luzern.