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Gastbeitrag von Hans Widmer

Über den Autor:

Dr. phil. Hans Widmer
(9. September 1941) unterrichtete an der Kanti Alpenquai während 36 Jahren Spanisch, Religionswissenschaften und Philosophie. Er war während zweier Jahre Präsident der Philosophischen Gesellschaft der Schweiz. Von 1996 bis 2010 vertrat er die Gewerkschaften und die SP im Nationalrat. Zuvor war er auch Grossrat und Grossstadtrat.

Bild: Herbert Fischer

31.12.2017

Erinnerungen an den grossen Intellektuellen und verehrten Kollegen Hans Saner

Gestern Samstag ist bekannt geworden, dass der Philosoph Hans Saner gestorben ist. Sein Berufskollege und Weggefährte Hans Widmer erinnert sich an den grossen Intellektuellen. Widmer war Präsident der Philosophischen Gesellschaft der Schweiz, Philosophielehrer und SP-Nationalrat.

Zweifellos gehört der vor kurzem verstorbene Philosoph Hans Saner zu den bedeutendsten Intellektuellen, welche die Schweiz in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat. 

Ich hatte das Glück, Hans Saner persönlich zu kennen. Dazu drei Erinnerungen.

Erstens: Beeindruckend war für mich die Begegnung mit ihm zu jener Zeit, als er sich an der Universität Bern für eine Professur in Philosophie beworben hat.

Der Zufall wollte es, dass ich in jenen bewegten Jahren nach 1968 mit beiden Mitbewerbern im Vorstand der Philosophischen Gesellschaft Schweiz engagiert war. Beide für diese Stelle Kandidierenden sind heute tot.

Der Gegenkandidat von Hans Saner war Andreas Graeser. Mit ihm hatte ich später intensive Kontakte. Er wurde gewählt, weil er politisch unverdächtig war. 

Vor Hans Saner hatte man Angst, weil er sich immer auch politisch geäussert hat: sei es über das Schulsystem, sei es über die Armee, während man von Andreas Graeser lediglich wusste, dass er über einen ausgezeichneten akademischen Ausweis verfügte. Politisch war er nie in Erscheinung getreten. 

Das heisst aber keineswegs, dass Hans Saner – insbesonders im Zusammenhang mit der Herausgabe des Werkes von Karl Jaspers – nicht auch über bedeutende akademische Leistungen verfügte. 

Es war erstaunlich, dass man während der heissen Zeit der Lehrstuhlbesetzung im Vorstand der Philosophischen Gesellschaft gar nichts von dieser eigentlich dramatischen Rivalität zu spüren bekam. 

Im Nachhinein zeigt sich im Lichte dieser Episode, dass die Philosophie mit beiden Persönlichkeiten gewonnen hat: die professionell universitäre Philosophie mit Andreas Graeser, die Philosophie als Provokation zum Nachdenken über die bedeutenden Fragen unserer Existenz (Sinnfrage und Auseinandersetzung mit Einsamkeit und Tod) und als Auseinandersetzung mit den wunden Stellen der Gesellschaft durch Hans Saner. 

Zweite Erinnerung: ich brauchte Hans Saner nicht lange zu überzeugen, damit er im Rahmen einer vom Luzerner  Gewerkschaftsbund organisierten Veranstaltung nach Luzern in den «Anker» gekommen ist, um über die Thematik von Sexualität und Geschlechter-Beziehungen zu referieren. Das zeigt, dass er sich nicht zu schade war, an der Front das Nachdenken über gesellschaftliche Themen zu fördern. 

Dritte Erinnerung: Mit einer gewissen Regelmässigkeit erhielt ich über Jahre Paketpost aus Basel. Es waren die jeweils neuesten Bände aus dem Nachlass von Karl Jaspers. 

Es ist bekannt, dass Hans Saner neben dem Erbe der bedeutenden Philosophin Jeanne Hersch auch das Erbe von Karl Jaspers nicht nur akademisch, sondern auch gesellschaftlich wirksam weitergetragen hat. Er war jahrelang damit beschäftigt, den Nachlass von Jaspers zu ordnen und zu publizieren. 

Allerdings hat er dann – wie er mir sagte – eines Tages den Entschluss gefasst, sich vermehrt seinem eigenen Philosophieren zuzuwenden. Das bedeutete jedoch nicht, dass er sich von seinem grossen Lehrer entfremdete. 

Es heisst aber, dass er immer mehr aus dem Fundus seiner eigenen Sprache Gedankenarbeit leisten wollte, eine Arbeit, die ihren präzisen Ausdruck gefunden hat in seinem Werk «Die Anarchie der Stille». 

Meine Begegnung mit den in den Jahren nach «68» sich als Rivalen gegenüberstehenden Persönlichkeiten von Andreas Graeser und Hans Saner zeigt mir, dass die Philosophie beides braucht: den universitären Status und die den Denkprozess auch ausserhalb der universitären Gemarkungen wirkenden Impulse. 

Solche sind von Hans Saner in der Tat viele ausgegangen. Dafür verdient er unser aller Dank. 

Hans Widmer, Luzern

Siehe auch unter «In Verbindung stehende Artikel». 


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