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Gastbeitrag von Hans Widmer

Über den Autor:

Dr. phil. Hans Widmer
(9. September 1941) unterrichtete an der Kanti Alpenquai während 36 Jahren Spanisch, Religionswissenschaften und Philosophie. Er war während zweier Jahre Präsident der Philosophischen Gesellschaft der Schweiz. Von 1996 bis 2010 vertrat er die Gewerkschaften und die SP im Nationalrat. Zuvor war er auch Grossrat und Grossstadtrat.

Bild: Herbert Fischer

10.11.2015

Luzern hat den Tatbeweis erbracht: Ehemalige Rektoren können zurück in die Forschung

Roland Norer, Professor an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Luzern wird in der «Neuen Luzerner Zeitung» vom 06. November 2015 (S. 25) wie folgt zitiert: «Das Amt des Rektors übt eine Professorin oder ein Professor in der Regel zum Ende der Karriere aus, sozusagen als Krönung der Professur.»

Wenn ich die Rektorengalerie der Universität Luzern Revue passieren lasse, dann widerlegt sie in aller Deutlichkeit diese Aussage von Professor Norer, der übrigens die Findungskommission für die Neubesetzung des Rektorats präsidierte. 

Der Beweis für meine Widerlegung ist leicht zu erbringen. Alle bisherigen Rektoren, bis auf den zurücktretenden Rektor Professor Richli, haben nach ihrer Rektoratszeit weiterhin gelehrt und geforscht. 

Da ist einmal der Gründungsrektor der direktdemokratisch legitimierten Universität, Professor Walter Kirschläger, der bei der Übernahme des Rektorats 53 Jahre alt war und nach seiner Amtszeit als Rektor noch viele Jahre als Lehrstuhlinhaber der Forschung und der Lehre verpflichtet blieb. 

Sein Nachfolger Professor Markus Ries war bei seiner Amtsübernahme gerade mal 42 Jahre jung und auch er arbeitet als Lehrstuhlinhaber an der Universität Luzern weiter. 

Professor Rudolf Stichweh war während der Jahre 2006 bis 2010 Rektor. Bei der Amtsübernahme war er 55 jährig und auch er hat nach seinem Rektorat noch eine Zeit lang seinen Lehrstuhl betreut, bevor er eine neue akademische Aufgabe in Bonn übernommen hat. 

Einzig beim noch amtierenden Rektor, Professor Paul Richli, überschneidet sich das Rektorat mit seiner Pensionierung. 

Wenn also Professor Norer feststellt, «in der Regel» werde das Amt des Rektorats am Ende der Karriere als deren Krönung angenommen, dann stimmt das für Luzern sicher nicht. 

Die Namen Kirchschläger, Ries und Stichweh widerlegen auch – immer bezogen auf das Beispiel Luzern – die Feststellung von Mattias Geering (Leiter Kommunikation und Marketing an der Uni Basel), wenn er sich im besagten Artikel in der «NLZ» vom 6. November mit folgender Aussage zitieren lässt: «Kein Professor will mit 45 Jahren Rektor werden, denn das bedeutet oft das Ende der Forschungstätigkeit.» 

Für den neuen Rektor von Zürich, Professor Michael Hengartner mit Jahrgang 1966, gilt dieses Statement ebenfalls nicht. Und wenn man bedenkt, dass Hengartner als Naturwissenschafter der grössen Universität in unserem Lande vorsteht, dann relativiert das die Aussage von Herrn Geering noch zusätzlich.

Im übrigen würde es der den Universitäten seit Jahrhunderten zugestandene grosse Gestaltungsraum durchaus zulassen, die Rahmenbedingungen für abtretende Rektoren im Hinblick auf ihren Wiedereinstieg möglichst attraktiv zu gestalten. 

Das Erfahrungswissen von Rektorinnen und Rektoren ist also eindeutig auch nach deren Rücktritt eine Bereicherung. Zu bedenken ist auch die Tatsache, dass die Universität im besonderen Masse eine lernende Institution ist. Was bedeutet das im Zusammenhang mit der Rekoratsfrage?

Die Rektorinnen und Rektoren sind mehr als nur Manager im Inneren, sie gestalten durch ihre Mitgliedschaften in verschiedenen Gremien langfristig auch den Aussenraum, in den die Institution Universität eingebettet ist. Durch diese Mitgliedschaften und Gestaltungsprozesse im Äusseren häuft sich eine Art wissenschafts- und forschungspolitisches Erfahrungswissen an, das bei der Universität bleiben sollte. Selbstverständlich können Amtsinhaberinnen und Amtsinhaber bei Absprung in die Pensionierung dieses ihr angesammeltes Erfahrungswissen in einem Bundesordner deponieren. 

Wenn aber jüngere Persönlichkeiten nach ihrer Rektoratszeit wieder zurückkommen in die verschiedenen inneruniversitären Basisgremien, dann können sie dieses Wissen auf dem Weg der informellen Kommunikation weitergeben und allenfalls auch in guten Diskussionen hinterfragen lassen. 

Kampfwahlen sind Ausdruck einer hohen politischen Kultur und können auch den wettbewerbserprobten Universitätsmitgliedern nicht schaden.

Im Zusammenhang mit dem Artikel von Guy Studer in der «Neuen Luzerner Zeitung» beschäftigt mich aber noch ein anderes Thema. Wie steht es um das demokratische Selbstverständnis der wählbaren Universitätsmitglieder? 

Die institutionelle Hülle, in der sie ihren Arbeitsplatz gefunden haben, musste durch verschiedene direktdemokratische Parlaments- und Volksabstimmungen hindurch, für sie aber sind gemäss Guy Studer «Kampfwahlen höchst unbeliebt».

Wenn ich daran denke, welch harte Wettbewerbssituationen alle Lehrstuhlinhaberinnen und -Inhaber bestanden haben, welchem Konkurrenzkampf sie sich beim Einreichen von Forschungsprojekten immer wieder zu stellen haben, dann kann ich nicht verstehen, weshalb mögliche Kampfwahlen so unbeliebt sein sollen. 

Der Innenraum einer Universität soll meines Erachtens kein Schonraum für allfällige personalpolitische Auseinandersetzung sein. Es ist ja das jahrhundertealte Privileg von Universitäten, dass sie über sehr viel Selbstbestimmung verfügen. 

Wenn dieser Gestaltungsraum über längere Zeit nicht aktiv belebt wird, dann könnte er an Wert verlieren und es könnte in unserer auf Ökonomisierung und Effizienz getrimmten Zeit eine Situation eintreten, in der um diesen selbstbestimmten Gestaltungsraum gekämpft werden muss. 

Hans Widmer, früheres Mitglied des Universitätsrates und SP-Altnationalrat, Luzern 


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