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Gastbeitrag von Armin Beeler

Über den Autor:

Armin Beeler
(1933), ist schon sehr lange pensionierter Didaktiker und Rektor des Lehrerseminars der Stadt Luzern. Er war auch zwölf Jahre Präsident der Kleintheaterstiftung. Beeler hat den in der ganzen Deutschschweiz verbreiteten Volksschul-Lehrplan «Mensch und Umwelt» entwickelt.

Bild: Herbert Fischer

23.07.2011

Mit dem Wort Heimat wird heute zu viel Schindluderei getrieben

HEIMAT-DEBATTE (3) - Erinnern Sie sich an die Primarschulzeit? Da gab’s Heimatkunde. Die Lehrerin, gelegentlich - so vorhanden - auch der Lehrer, hatte einen dicken Ordner «Heimatkunde des Kantons Luzern». Kunde verkündigt, so wie Propheten, Apostel und andere Berufene verkünden.

So, wie auf dem Winkelried-Denkmal in Stans sollte der Mythos vom selbstlosen Helden nach dem Willen der Luzerner Regierung im Jubiläumsjahr 1986 der Nachwelt vermittelt werden.<br><br>Bild: Herbert Fischer

So, wie auf dem Winkelried-Denkmal in Stans sollte der Mythos vom selbstlosen Helden nach dem Willen der Luzerner Regierung im Jubiläumsjahr 1986 der Nachwelt vermittelt werden.

Bild: Herbert Fischer

Ich gebe zu: Ich habe damals, in den 80er-Jahren an dieser «Heimatkunde» mitgearbeitet. Das Wort Heimat hat uns damals beschäftigt, wir wussten, wie sehr es belastet ist mit Selbstbeweihräucherung und Rückwärtsblick. Das Buch hiess zwar «Heimatkunde», doch wir verkündeten nichts. Wir breiteten Materialien aus, beleuchteten den Kanton aus biologischer, ökologischer, wirtschaftlicher, gesellschaftlicher, sozialer, politischer und auch geschichtlicher Sicht. Keine «Kunde», nur Informationen und Materialien. Das Buch ist heute noch im Gebrauch.

Aber. Bei vielen Patrioten kam’s nicht gut an. Am meisten zu reden gab und gibt die Geschichte des Kantons und der Eidgenossenschaft. Da wird zwar von Winkelried erzählt, so wie die damals neuen Untersuchungen von Guy Marchal und Martin Schilling es zeigen. Der Mythos vom selbstlosen Helden wird nicht schlicht übernommen, es wird berichtet, wie es nach den aufgearbeiteten Dokumenten war: Ein Häuflein verschüchterter Eidgenossen hat sich aus Furcht in einem Wäldli versteckt und erst eingegriffen, als alles verloren schien und sie fürchten mussten, als Angsthasen einem bösen Gericht unterstellt zu werden.

Da haben sie sich halt auch noch in die Schlacht geworfen – und die Niederlage in einen Sieg gekehrt. Und einen Winkelried hat man erst gut 100 Jahre später dazu gedacht. So ungefähr war’s, so darf es aber nicht sein, hörten wir und hören es heute noch.

Wenn man die Reden liest, die irgendwelche Präsidenten und mehr-nudlige Offiziere halten, tönt es noch heute so, als ob Guy Marchal nicht geforscht hätte. Im Auftrag des Kantons Luzern nämlich. Nachzulesen in: «Die Schlacht von Sempach im Bild der Nachwelt», S. 13-17, Luzern 1986.

Man hätte etwas lernen können aus der Geschichte. Hätte. Man hätte lernen können, dass einiges vergessen und verdrängt wurde im Laufe der Jahre; dass Helden nicht immer starke Männer sein müssen, dass auch Angsthasen, wenn’s drauf ankommt, ihren Mann stellen; dass das Land zur Stadt gezwungen wurde und dass eine lebenswerte Heimat nicht durch Mythen und Helden geschaffen wird, sondern durch Reflexion der eigenen Geschichte. Wir brauchen Geschicht-en, nicht Geschichte

Im Jahre 1986 hat der Kanton Luzern «600 Jahre Schlacht bei Sempach» gefeiert. Nein, hat er nicht. Eine Schlacht soll man nicht feiern, sagten sich die politischen Koryphäen jener Tage und hatten schon das Gespür für die verblassende Kriegslust der Luzerner gegen Ende des 20. Jahrhunderts. Also wurde gesucht, wie man diese Feier nennen könnte. Und man fand die Lösung: «600 Jahre Stadt und Land Luzern». Ein bisschen daneben war dieser Titel schon, denn in Tat und Wahrheit stand die Landbevölkerung auf der Seite Leopolds. Ist ja wurscht. So genau kommt’s nicht drauf an, wichtig ist, dass die Landleute nach der Schlacht Untertanen der Stadt wurden, also dazu gehörten, basta. Dass sie sich 1513 im Zwiebelkrieg und wieder 1653 im Bauernkrieg gegen die Stadt erhoben, mag ein Hinweis sein, dass Stadt und Land nicht ganz freiwillig vereinigt wurden. Aber das ist ja bloss theoretische Geschichtsforschung, wir brauchen keine Geschichte, wir brauchen saftige, deftige, wenn auch nicht ganz richtige Geschichten !

Ich war damals dabei, bei der Organisation dieses Gedenkjahres. Mitgegangen mitgefangen, klar. Ich war für Kunst zuständig und sollte sorgen, dass Künstler sich mit diesem Jubiläum auseinandersetzten.

Sie taten es auch und von einer dieser Auseinandersetzungen will ich gerne berichten, denn hier brach durch, was unsere politischen Koryphäen unter Heimat verstehen. Guido Nussbaumer, ein damals und heute bekannter Performer, schlug nach der Lektüre der historischen Arbeiten  vor, auf dem Schlachtfeld, - abseits zwar, sozusagen versteckt -  einen Schacht zu graben und auf dessen Grund eine Tafel aufleuchten zu lassen, auf deren blauem Grund  ein weisses  L zu sehen wäre: L wie Lernen, Blau-Weiss wie Luzern. Mir gefiel die Idee, weil sie darauf hinweist, dass die Luzerner etwas aus der Schlacht hätten lernen können. Sie haben dieses Wissen aber leider versenkt. Schade, es war eine gute Idee, unaufdringlich und doch aussagekräftig. Meinte ich.

Oho, da waren die genannten Koryphäen ganz anderer Meinung. Ich wurde ans Telefon gerufen und mit dem versammelten Regierungsrat verbunden. Die Stimme des referierenden Regierungsrates überschlug sich, ich wusste zuerst nicht, ob er heult oder jammert – jedenfalls wurde mir klar gemacht: «So geht das nicht». Diese Machwerk eines sogenannten Künstlers führe zur Absage der hohen Militärs, die es niemals dulden würden, auf dem Schlachtfeld mit einem vergrabenen Lern-L konfrontiert zu werden, das wäre noch schöner und «spinnst Du eigentlich». Der Schacht wurde nicht gebaut.

Heimat? Ich mag das Wort nicht mehr hören. Zuviel unvergorener Vergangenheitsmief  haftet daran, zu viel Schindluderei wird heute damit getrieben.

Ich weiss zwar, Schriftsteller wie der Luzerner Silvio Blatter oder der nicht ganz unbekannte Max Frisch und viele andere haben sich mit Heimat auseinandergesetzt. So wie Guido Nussbaumer auch.

Unbrauchbar, unhelvetisch.

Trotzdem habe ich Luzern gern, die Innerschweiz, die ganze Schweiz, in allen Fazetten habe ich sie gern, die Menschen, die Sprachen, die Natur  -  und lass es mir nicht nehmen.


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Hans Jörg Weiss aus Luzern

Montag, 08.08.2011, 18:11 · Mail

Armin Beeler's Worte zum Thema Heimat möchte ich gerne in wenig Zeilen aufnehmen.

Im Gegensatz zu ihm bringt mich dieser Begriff nicht dazu, nichts mehr dazu hören zu wollen. Im Gegenteil. Nicht der Begriff Heimat ist an sich schwierig zu besetzen, sondern der Umgang damit. Und diesen hat die Rechte unserer Politlandschaft, respektive die SVP in ihre Hände genommen und ausgesprochen wähleraktiv besetzt. Doch darf dabei nicht ausser acht gelassen werden, dass insbesondere die Linksparteien wie die SP und die Grünen den Rechtspopulisten das Feld überlassen haben. Über Jahre hinweg war von diesen Seiten das Thema Heimat keine Rede. Es war durch die Rechtsaussen aus meiner Sicht verschmutzt und aufs Schändlichste missbraucht worden. Es wurde dem Volk etwas suggeriert, das es so nicht gab.

In der Geschichte der Schweiz zeigte sich schon vor weit, weit zurückliegender Zeit, dass unsere Ahnen schon immer bereit waren, die Tore zu öffnen, Platz zu machen für Neuankömmlinge. Nur so war es möglich, dass im Verlauf der Zeiten v.Chr. bis n.Chr. der keltische Stamm der Helvetier der grossen Einwanderung der Alemannen bis ins 7. Jahrhundert geschehen konnte. Und auch dies ist Heimat. Bis heute geblieben und wird es hoffentlich auch bleiben. Vielleicht wird es ja wieder einmal, selbst in linken Kreisen, salonfähig, von der Schweiz als unserer Heimat zu sprechen. Und kein ungutes Gefühl dabei zu haben. Doch gelingt uns dies nur, wenn die Linke bereit ist, den Rechtspopulisten dieses Tummelfeld zu entziehen. Und sich dabei nicht schwer zu tun, auch schwierige Themen wie Einwanderung, Parallelgesellschaften, Gewalt usw. real anzugehen.

Dann kann es gelingen, dass die SVP dieses Feld nicht mehr alleine besetzt und keine Hatz mehr gegen alles andere vollziehen kann. Dann wird Heimat zu einem angenehmen Gefühl. Machen wir's!

 
 
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